Spektrallinse verändert das Farbspektrum

Neuartige Linse könnte für optische Datenübertragung genutzt werden

7. März 2012

Gewöhnliche optische Linsen vergrößern Objekte, wie etwa die Schrift auf einer Briefmarke, oder verkleinern sie. Ganz anders wirkt die so genannte Spektrallinse, die Wissenschaftler des Fritz-Haber-Instituts (FHI) in Berlin, des Instituts für Atom- und Molekülphysik (AMOLF) in Amsterdam und der Universität von St. Andrews (Schottland) entwickelt haben: Sie verkleinert oder vergrößert ein Lichtspektrum. Beispielsweise staucht sie einen Regenbogen zu einer einzelnen Farbe, etwa blau, was dem Verkleinern des Regenbogen-Spektrums entspricht. Der Prozess lässt sich auch umkehren, entsprechend einer Vergrößerung, wobei keine Information verloren geht. Daher könnte die Spektrallinse einmal zum Komprimieren der Frequenzbandbreite in der optischen Datenübertragung genutzt werden, so dass ein  breitbandiges Signal nach seiner spektralen Verkleinerung durch einen schmalbandigen Kanal gesendet werden kann. Das Verkleinern eines Spektrums geht mit der Verlangsamung des Lichtes einher, sodass sich die Spektrallinse prinzipiell auch für die Steuerung der Kommunikation in Glasfasernetzwerken nutzen lässt, in denen oft Signale auf einander warten müssen.

An eine herkömmliche optische Linse erinnert der Aufbau der Spektrallinse freilich nicht. Sie besteht im Kern aus einem so genannten photonischen Kristall. Ein photonischer Kristall ist ein  Festkörper, der eine periodische Modulation seiner Struktur aufweist, beispielsweise ein regelmäßiges Muster von winzigen Löchern. Eine solche Modulation wirkt sich auf den Brechungsindex des Festkörpers aus und beeinflusst dadurch die Lichtausbreitung. Photonische Kristalle dienen beispielsweise in der Kommunikationstechnik dazu, Lichtsignale um äußerst enge Kurven mit nur einem Tausendstel Millimeter Kurvenradius zu lenken.

Der photonische Kristall der Forscher um Tobias Kampfrath vom FHI besteht aus einer nur 220 Nanometer (Millionstel Millimeter) dünnen Siliziumfolie, die ähnlich einem Sieb regelmäßig angeordnete, wenige hundert Nanometer große Löcher hat. Ein Streifen in der Mitte der Folie, nur rund ein 30stel einer Haaresbreite dünn, bleibt frei von Löchern und dient als Lichtleiter. Insgesamt ist die Spektrallinse kaum so breit wie ein Haar und daher auch für miniaturisierte Anwendungen von Interesse.

Durch diesen sendeten die Forscher einen Lichtpuls, der sich aus einem Spektrum von verschiedenen Lichtwellenlängen zusammensetzte. Licht blauer Wellenlängen blieb beim Durchdringen der Siliziumfolie in der durch den Wellenleiter vorgegebenen Bahn. Rotes Licht hingegen drang ein Stück weit in den perforierten Bereich der Folie ein, wie ein leicht über die Ufer tretender Bach.

Diese räumliche Trennung der Wellenlängen gab den Forschern die Möglichkeit, die unterschiedlichen Lichtfarben unterschiedlich stark zu manipulieren. Ihre Idee: die Frequenz des roten Lichtes stärker zu erhöhen als die des blauen. So würde rotes Licht ins Blaue verschoben, wobei blaues Licht blau bleibt. Das Regenbogen-Spektrum wird somit in rein blaues Licht umgewandelt. Die Verschiebung der Lichtfrequenz erreichten die Forscher, indem sie einen sehr intensiven Laserpuls (Kontrollpuls) von oben auf die Siliziumfolie einstrahlten. Damit das blaue Licht vom Kontrollpuls verschont blieb, deckten die Wissenschaftler den Lichtleiter in der Mitte mit einem schmalen Goldstreifen ab, der den Puls reflektierte. Tatsächlich gelang es den Forschern, mit diesem Versuchsaufbau, das Spektrum zusammenzudrücken und so eine verkleinernde Spektrallinse zu schaffen.

"Mit leichten Modifikationen am photonischen Kristall ließe sich mit dem gleichen Mechanismus auch eine vergrößernde Spektrallinse bauen", sagt Tobias Kampfrath. Man müsste die geometrischen Details des Lochmusters in der Siliziumfolie so wählen, dass nun blaues Licht weit in den perforierten Bereich eindringt, während rotes Licht in der Mitte des Lichtleiters konzentriert bleibt, erklärt der Physiker.

"Weder beim Verkleinern noch beim Vergrößern des Lichtspektrums geht Information verloren", sagt Kampfraths Kollege Daryl Beggs vom AMOLF. Daher eigne sich die Spektrallinse prinzipiell für Anwendungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie. Beispiel Datenübertragung: Hier möchte man möglichst kurze Lichtpulse verwenden, um die Datenrate zu erhöhen. Sehr kurze Pulse haben aber eine große Frequenzbandbreite, weshalb sie nicht durch Glasfasern gesendet werden können, da diese eine begrenzte Bandbreite aufweisen. "Wenn ein solcher Puls durch eine Spektrallinse geschickt würde, wäre seine Frequenzbandbreite klein genug für die Glasfaser", erläutert Beggs. "Außerdem könnte mit einer vergrößernden Spektrallinse das Auflösungsvermögen von optischen Spektrometern deutlich verbessert werden, da Spektrallinien auseinandergezogen würden, die ansonsten von dem Gerät nicht als getrennte Linien wahrnehmbar wären", erläutert der Physiker.

Ein weiterer wichtiger Effekt ist, dass mit dem Zusammenpressen des Spektrums eine Verlangsamung des Lichts einhergeht. Auch dafür kann sich Kampfrath Anwendungen vorstellen. "Bei der Datenkommunikation mit Licht in Glasfasern müssen Signale oft in eine Art Warteschleife geschickt werden, um sie mit anderen Signalen abzustimmen", erklärt der Physiker. Dafür müssten sie bislang in elektrische Signale umgewandelt werden, da nur diese ausreichend verlangsamt werden könnten, und anschließend wieder zurück in Lichtsignale. "Dieser Aufwand wäre mit einer rein optischen Technologie, die Licht verlangsamt, nicht nötig", sagt Kampfrath.

In diese Richtung zielen die für die nächste Zeit geplanten Experimente der Forscher. "Wir versuchen den bislang demonstrierten Effekt noch zu verstärken", sagt Beggs. So wäre ein noch stärker komprimiertes Lichtspektrum und damit noch langsameres Licht erzielbar. "Außerdem versuchen wir, mithilfe des Kontrollpulses Spiegel an den Enden des Lichtleiters einzuschalten. Damit könnten wir den Lichtpuls noch länger in der Siliziumfolie festhalten und noch mehr Kontrolle über die Ausbreitung des Lichtes gewinnen", so der Physiker.

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