Die Wissenschaft von morgen

Die Max-Planck-Gesellschaft veröffentlicht die "Forschungsperspektiven 2005"

6. April 2005

Prof. Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, stellte heute in Berlin die "Forschungsperspektiven 2005" vor. Auf 130 Seiten werden Wege in die wissenschaftliche Zukunft gezeigt, visionäre Ziele vorgestellt und Forschungsstrategien diskutiert. Auf Vollständigkeit ist der Bericht - wie im Übrigen auch schon sein Vorgänger "Forschungsperspektiven 2000+" - nicht angelegt. Die 78 Max-Planck-Institute und Einrichtungen kommen zu zwölf über die Disziplinen angelegte Forschungsbereiche zu Wort, in deren Mittelpunkt gesellschaftsrelevante Themen der Grundlagenforschung stehen.

Freiräume für die Wissenschaft
"Ohne grundlegende Erkenntnisse über die Gesetzmäßigkeiten in der belebten und unbelebten Natur fehlt jeder anwendungsorientierten Forschung die Basis", erklärt Präsident Gruss, und verweist auf Albert Einstein. Hätte Albert Einstein vor 100 Jahren nicht die Gesetze von Energie, Materie, Licht und Gravitation neu formuliert und damit die theoretische Basis gelegt, wären weder Laser noch GPS entwickelt worden.

Die tragenden Säulen der Grundlagenforschung in Deutschland sind die Universitäten und außeruniversitäre Forschungsorganisationen wie die Max-Planck-Gesellschaft. Gemeinsam mit anwendungsorientierten und strategisch-programmatisch ausgerichteten Einrichtungen bewährt sich dieses Forschungssystem Gruss zufolge "gerade in Zeiten, in denen der internationale Konkurrenzdruck immer höher wird". Um aber exzellente Ergebnisse erzielen zu können, braucht die Wissenschaft Freiräume bei der Berufung der besten Forscherinnen und Forscher ebenso wie bei der Wahl von Themen, die aus wissenschaftlicher Sicht besonders herausfordernd und zukunftsweisend sind. So muss auch die Max-Planck-Gesellschaft ihren Kurs immer wieder neu ausloten; eine Einführung in das darauf ausgerichtete Funktionsprinzip der Max-Planck-Gesellschaft findet sich im Einführungsteil der "Forschungsperspektiven".

Die Themen von morgen und übermorgen
In zwölf Kapiteln sind anschließend die Forschungsgegenstände zusammengefasst, die in den kommenden Jahren ganz oben auf der Agenda stehen: von der Entstehung des Universums über die biologische Vielfalt bis hin zu gesellschaftspolitisch brisanten Entwicklungen. "Damit legt die Max-Planck-Gesellschaft das Fundament, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen", sagte Peter Gruss anlässlich der Vorstellung der "Forschungsperspektiven" in Berlin.

So wirft der viel diskutierte demografische Wandel auch grundlegende Fragen nach den Ursachen des Alterns auf. Worin bestehen die genetischen Voraussetzungen des Alterns? Wie können Krankheiten im Alter früher erkannt und wirksamer geheilt werden?

Die Rechts- und Sozialwissenschaften werden sich in den kommenden Jahren damit befassen müssen, wie der internationale Terrorismus eingedämmt werden kann. Denn die Ziele und Konfliktlinien verschiedener Terrororganisationen beschränken sich nicht mehr auf einzelne Länder, sie werden zur weltweiten Bedrohung. Die Institute der Max-Planck-Gesellschaft bieten eine interdisziplinäre Plattform, um die Probleme der neuen Sicherheitsdebatte zu erörtern.

Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung werden in der Regel zeitverzögert praktisch nutzbar - dafür sind die daraus resultierenden Produkte wirklich innovativ. "Max-Planck-Institute sind keine Elfenbeintürme. Denn Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung unterscheiden sich oft nur in zeitlicher Hinsicht", sagte Gruss. Ein solches viel versprechendes, derzeit aber von der Anwendung noch weit entferntes Gebiet ist die Quantenphysik. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen, auf die Bewegung und die Zustände mikroskopischer Materie gezielt Einfluss zu nehmen. Daraus ergeben sich vollkommen neue Möglichkeiten zur Verarbeitung von Informationen, die langfristig zur Entwicklung eines neuen Rechnertyps führen: dem Quantencomputer. Er bietet die Chance, komplexe Vorgänge zu verstehen, die sich mit herkömmlichen Computern nicht simulieren lassen.

Innovationsfonds für die deutsche Forschung
Um die Ergebnisse der Grundlagenforschung zur Marktreife zu bringen, werden allerdings zusätzliche Mittel und Kapazitäten sowie spezielles Know-how benötigt. Der Markt für Risikokapital ist in Deutschland jedoch begrenzt. Wie kann nun der Technologietransfer verbessert werden? Präsident Peter Gruss: "Unsere Idee ist, einen Innovationsfonds für die deutsche Forschung aufzulegen." Er soll die Weiterentwicklung wissenschaftlicher Ergebnisse für die Anwendung nicht nur finanzieren, sondern auch inhaltlich unterstützen. Ob die Politik diese Idee aufgreift, ist noch offen. Gruss zufolge bietet ein solches Modell für die deutsche Wirtschaft ungeahnte Möglichkeiten, an der Entwicklung des Forschungsstandortes Deutschland teilzuhaben.
Dazu müssen die Ausgaben für Forschung und Bildung als Investitionen in die Zukunft angesehen werden, da exzellente Wissenschaft verlässliche Rahmenbedingungen braucht. Dass die deutsche Forschung nicht schlecht aufgestellt ist, zeigt sich in der Zahl der am häufigsten zitierten Publikationen: Deutschland befindet sich hier auf Platz drei, gleich nach den USA und Großbritannien. "Mit Unterstützung der Politik und der Wirtschaft können wir diese hervorragende Position ausbauen. Ein kleiner Beitrag dazu wäre, nicht die Probleme zu sehen, welche die Zukunft möglicherweise bringt, sondern die Perspektiven, welche sie bietet - besonders die Forschungsperspektiven, die dazu beitragen können, künftige Herausforderungen zu bewältigen", sagte der Präsident.

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