Neue Technik legt Karten im Gehirn offen

MPI-Forschern gelingt erstmalig die Kartierung der Aktivität, die durch elektrische Mikrostimulation des Gehirns ausgelöst wird

21. Dezember 2005

Eine neue Technik, mit der man die Gehirnaktivität mit Hilfe des BOLD-Signals (Blood Oxygen Level Dependent Signal) während der elektrischen Mikrostimulation im Gehirn von Primaten genau aufzeichnen kann, haben Forscher des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik in Tübingen entwickelt. Diese Kombination aus elektrischer Mikrostimulation und funktioneller Magnetresonanztomographie verspricht wesentlich genauere Einblicke in die funktionelle Organisation des Gehirns und seine Schaltkreise (Neuron, 22. Dezember 2005).

In den letzten beiden Jahrhunderten hat man die elektrische Mikrostimulation häufig dazu eingesetzt, um kausale Zusammenhänge zwischen neuralen Aktivitäten und spezifischem Verhalten oder kognitiven Funktionen zu demonstrieren. Auch wurde sie mit Erfolg zur Behandlung schwerer neurologischer Störungen eingesetzt, am bemerkenswertesten bei der Parkinson-Krankheit. Doch um jene Mechanismen zu verstehen, über welche eine elektrische Mikrostimulation zu Veränderungen im Verhalten und in den kognitiven Funktionen führen kann, ist es unabdingbar, die kortikalen Aktivitätsmuster zu untersuchen und zu charakterisieren, die durch die Stimulation lokal um die Elektrode herum und in anderen funktionell verbundenen Arealen hervorgerufen werden.

Zu diesem Zweck haben Andreas S. Tolias und Fahad Sultan unter Leitung von Prof. Nikos K. Logothetis am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen eine neue Technik entwickelt, die die Gehirnaktivität mit Hilfe des BOLD-Signals (Blood Oxygen Level Dependent Signal) während der elektrischen Mikrostimulation am Primatengehirn aufzeichnet. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Ausbreitung der Aktivität um die Elektrode herum in Areal V1 bei Makaken größer ist als man nach Berechnungen erwarten würde, die auf der passiven Ausbreitung von Strom basieren. Die größere Ausdehnung könnte daher eine funktionelle Ausbreitung über horizontale Verbindungen im Gehirn widerspiegeln. In Übereinstimmung mit dieser funktionellen transsynaptischen Ausbreitung beobachteten die Forscher auch eine Aktivierung in den erwarteten Projektionsstellen in extrastriären visuellen Arealen, was die Nutzbarkeit der neuen Technik zur Aufdeckung von funktionellen Konnektivitätskarten in vivo demonstriert.

Von der Anwendung der Mikrostimulations-/fMRI-Technik am wachen Tier verspricht man sich viel dafür endlich herauszufinden, welche kausalen Beziehungen zwischen Aktivierungsmustern über verteilte neuronale Schaltkreise und spezifischen Verhaltensweisen zum Beispiel von Affen bestehen. Schließlich könnte sich diese Methode auch als nützlich erweisen für das Verständnis und die Optimierung der Methode der intrakranialen elektrischen Stimulation bei der Behandlung von neurologischen Krankheiten.

Zur Redakteursansicht