Forschungsbericht 2011 - Max-Planck-Innovation

Max-Planck-Innovation – die Technologietransfer-Organisation der Max-Planck-Gesellschaft

Autoren
Berninger, Markus
Abteilungen
Max-Planck-Innovation, München
Zusammenfassung
Die Max-Planck-Innovation GmbH ist verantwortlich für den Technologietransfer der Max-Planck-Gesellschaft. Unter dem Motto „Connecting Science and Business“ versteht sie sich als Partner für Wissenschaftler ebenso wie für Unternehmen. So bietet sie zukunftsorientierten Unternehmen einen zentralen Zugang zu den schutzrechtlich gesicherten Innovationen der über ganz Deutschland verteilten Forschungsinstitute der MPG. Dabei vermarktet die Max-Planck-Innovation in erster Linie zahlreiche Erfindungen aus dem biologisch-medizinischen Bereich sowie dem chemisch-physikalisch-technischen Bereich.

Wieder mehr Erfolg versprechende Ausgründungen

Ein wichtiger Bestandteil der Vermarktung von Erfindungen ist neben der Lizenzierung von Technologien an bestehende kleine, mittlere und große Firmen, die Ausgründung von Unternehmen aus den Max-Planck-Instituten (MPI), die die Max-Planck-Innovation seit 1990 professionell unterstützt. Und die Bedeutung von Ausgründungen nimmt auch bei der Max-Planck-Gesellschaft einen hohen Stellenwert ein: Bereits knapp 100 Ausgründungen sind bis 2011 aus den MPI hervorgegangen und leisten einen großen gesellschaftlichen Beitrag. Die Unternehmen erwirtschaften jährlich einen signifikanten Umsatz und haben fast 2.800 Arbeitsplätze geschaffen. Darüber hinaus tragen diese technologieorientierten Unternehmen dazu bei, modernste Innovationen voranzutreiben und auf den Markt zu bringen. Auf diese Weise werden z.B. im lebenswissenschaftlichen Bereich die Behandlungsmöglichkeiten zahlreicher Krankheiten verbessert. Dies spiegelt sich in auch der gesteigerten Lebenserwartung und erhöhten Lebensqualität wieder. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass die herausragenden Ergebnisse der Grundlagenforschung eine qualitativ hochwertige Basis für industrielle Forschung und Entwicklung von pharmazeutischen Produkten darstellen können, ist die Übernahme der MPG-Ausgründung Kinaxo (Ausgründung aus dem Max-Planck-Institut für Biochemie) durch die Evotec AG (eine Ausgründung des MPI für biophysikalische Chemie) im Jahr 2011. Bereits im Vorjahr hatte Evotec mit der Develogen AG eine erfolgreiche MPG-Ausgründung (MPI für biophysikalische Chemie) übernommen. So wurden gleich mehrere hervorragende Technologien aus verschiedenen Max-Planck-Instituten unter einem Dach kraftvoll zusammengeführt und stärken so Evotec´s führende Position als anerkannter Entwicklungspartner von Pharma- und Biotechfirmen in der vollintegrierten Wirkstoffforschung und -entwicklung. Das Unternehmen erforscht und entwickelt in Allianzen und Partnerschaften mit namhaften Firmen wie Boehringer Ingelheim, Novartis, Roche u.a. Medikamente zur Behandlung von Alzheimer, Diabetes, Entzündungskrankheiten, Huntington und weiteren Krankheiten.

Lizenzverträge

Max-Planck-Innovation hat 2011 mit Fovea Pharmaceuticals, einem Tochterunternehmen des Pharmaunternehmens Sanofi, eine Lizenzvereinbarung für die Anwendung von sogenannten Channelrhodopsinen unterschrieben, die im Erfolgsfall nahezu oder völlig blinden Patienten ihre Sehkraft wiederverleihen soll. Wissenschaftler können mit den lichtgesteuerten Ionenkanälen Nervenzellen mit Licht an- und abschalten. Nun sollen die Kanäle so weiter entwickelt werden, dass sich damit Nervenzellen der Netzhaut im menschlichen Auge in Lichtsinneszellen verwandeln lassen, mit denen Patienten, deren Sinneszellen zerstört sind, wieder optische Reize wahrnehmen können. Hierfür wird in den nächsten drei Jahren ein wissenschaftliches Team des Max-Planck-Instituts für Biophysik in Frankfurt eng mit der Forschungsabteilung von Fovea zusammen arbeiten. Sanofi wird die Forschung der Max-Planck-Wissenschaftler in diesem Zeitraum mit 450.000 Euro unterstützen. Darüber hinaus wird Max-Planck-Innovation an möglichen künftigen Erträgen beteiligt. Die Max-Planck-Gesellschaft erhält so über Max-Planck-Innovation Einstands- sowie Meilensteinzahlungen in Höhe von bis zu 26,4 Millionen Euro im Rahmen der vergebenen Lizenz. Sanofi wiederum erhält die weltweiten Exklusivrechte und sichert sich weltweite Rechte an den Ergebnissen der Zusammenarbeit. Der Kern der Kooperation besteht darin, dass Channelrhodopsine, aus deren Entdeckung und Anwendung das Gebiet der Optogenetik entstanden ist, so weiter entwickelt werden, dass sie mit einem gentherapeutischen Ansatz bei Erkrankungen der Netzhaut eingesetzt werden können. Dazu gehören beispielsweise Erbkrankheiten wie Retinitis pigmentosa, Netzhautdystrophien sowie Glaukome, altersbedingte Makuladegeneration und diabetische Retinopathie. Aus der Entdeckung und Anwendung der Channelrhodopsine ist das sich schnell entwickelnde Gebiet der Optogenetik entstanden.

Mit Leica Microsystems und dem Deutschem Krebsforschungszentrum hat Max-Planck-Innovation eine Vereinbarung über die Entwicklung der nächsten Gerätegeneration der höchstauflösenden STED (Stimulated Emission Depletion) Mikroskopie geschlossen. Danach erhält Leica Microsystems die Lizenz, die neue Technologie, genannt gated STED, zu einem marktreifen Produkt zu entwickeln und dieses zu vermarkten.

Die neue Technologie des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen verbessert signifikant Auflösung und Kontraste, die bisher mit der CW-STED (Continuous-Wave Stimulated Emission Depletion) Mikroskopie erreicht wurden, wobei die Laserintensität wesentlich geringer ist. Das erhöht sowohl die Photostabilität als auch die Lebendzellfähigkeit und erweitert damit das Anwendungsspektrum deutlich. Darüber hinaus wird durch die gated STED-Technologie die Anzahl der mit STED-Fluoreszenz-Korrelations-Spektroskopie (STED-FCS) adressierbaren Fragen deutlich gesteigert. Hauptanwendung von gated STED-FCS wird die Beobachtung von Molekülbewegungen in der Membran von lebenden Zellen sein. Das neue Produkt von Leica Microsystems wird in der ersten Hälfte des Jahres 2012 auf den Markt kommen. Dank des modularen Konzeptes von Leica Microsystems können die im Markt befindlichen Konfokalsysteme Leica TCS SP5 und Leica TCS STED CW mit gated STED aufgerüstet werden.

Eine neue von Max-Planck-Innovation lizenzierte Software mit dem Namen QED (Quantitative Electron Diffraction) wurde 2011 von dem japanischen Unternehmen HREM Research Inc., das Produkte und Dienstleistungen für die hochauflösende Elektronenmikroskopie entwickelt, auf den Markt gebracht. Mithilfe von QED, das am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart entwickelt wurde, können Transmissionselektronenmikroskope (TEM) neuartige Formen von Daten erfassen, die neue Möglichkeiten in der Elektronenkristallographie eröffnen. So ermöglicht es die neue QED-Software, fast jedes TEM so zu steuern, dass automatisch sogenannte LARBED-Muster (Large-Angle Rocking-Beam Electron Diffraction) erfasst werden. Solche LARBED-Muster bieten dreidimensionale Informationen, aus denen Wissenschaftler noch besser Hinweise über die Struktur kristalliner Materialien für verschiedene Anwendungsgebiete, wie Materialwissenschaften, Geologie oder Biowissenschaften, ableiten können.

Ausgründungen

Mit der KonTEM GmbH brachte Max-Planck-Innovation eine Max-Planck und caesar-Ausgründung auf den Weg, die ein innovatives Phasenkontrastsystem für Transmissions-Elektronenmikroskope (TEM) entwickelt hat. Die neue Technologie ermöglicht einen verbesserten Kontrast bei gleichzeitig hoher Objektauflösung und eröffnet so neue Möglichkeiten bei der Untersuchung biologischer Proben. Die Grundlage der neuen Technologie wurde am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt erforscht und dann im caesar (center of advanced european studies and research) in Bonn zu einem marktfähigen Produkt weiterentwickelt. Die entsprechenden Schutzrechte wurden von Max-Planck-Innovation und caesar exklusiv an KonTEM lizenziert. Das KonTEM-Phasenkontrastsystem besteht aus einer Phasenplatte und einem automatischen Positioniermechanismus und kann einfach an alle gängigen neuen und älteren TEM-Modelle angepasst werden. Das System ist in erster Linie für strukturbiologisch orientierte Forschungseinrichtungen und Universitäten interessant, aber auch für Unternehmen aus dem Polymer- und Pharmabereich.

Die terraplasma GmbH, eine Ausgründung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik, nimmt den Kampf gegen Keime auf. Neuartige Desinfektionsgeräte, basierend auf einer Plasma-Technologie des Max-Planck-Instituts, könnten dazu beitragen, sowohl die Haushalts-Hygiene als auch die Lebensmittel-Hygiene und sogar die Medizin zu verbessern. So ist mit der Technologie, die von Max-Planck-Innovation exklusiv an die neu gegründete terraplasma GmbH lizenziert wurde, u.a. eine neue Form der Parodontose-Prophylaxe möglich. Darüber hinaus können Ehec-Bakterien auf Lebensmitteln beseitigt und chronisch infizierte Wunden effektiv behandelt werden. Die neu gegründete Firma treibt nun die anwendungsorientierte Entwicklung verschiedener Plasma-Geräte voran.

Die Lead Discovery Center GmbH (LDC) wurde 2008 von Max-Planck-Innovation und der MPG gegründet, um das Potenzial exzellenter Grundlagenforschung besser zu nutzen. Das Ziel ist es, aussichtsreiche Forschungsprojekte u.a. aus den Max-Planck-Instituten professionell in die Entwicklung neuer Medikamente zu überführen. 2011 sind 6 neue Projekte aus den Bereichen Onkologie, Entzündungen, Sepsis, Autoimmunerkrankungen sowie neurodegenerative Erkrankungen hinzugekommen, die nun von den inzwischen 47 Mitarbeitern vorangetrieben werden.

Das LDC hat sich inzwischen als Schnittstelle zwischen Forschung und Anwendung für neue Medikamente etabliert. So hat das LDC 2011 sein erstes Lizenzabkommen zur Weiterentwicklung einer Leitstruktur abgeschlossen. Der Lizenznehmer, die Bayer Schering Pharma AG (Bayer HealthCare Pharmaceuticals), erhält demnach eine weltweite, exklusive Lizenz an den generierten Schutzrechten und dem Know-How. Bayer wird die Leitstruktur im Bereich der Onkologie mit dem Ziel weiter entwickeln, ein Produkt in die klinische Entwicklung und zur Marktreife zu bringen. Die auslizenzierte Leitstruktur gehört zu einer Reihe neuartiger, hochselektiver Kinase-Inhibitoren, die durch das LDC im Rahmen einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Max-Planck-Förderstiftung geförderten Kooperation entwickelt wurden. Die Leitstruktur inhibiert sehr selektiv und wirksam eine Kinase, für die eine Rolle in verschiedenen medizinischen Indikationen bekannt ist. Die Lizenzvereinbarung beinhaltet eine signifikante Vorabzahlung bei Vertragsunterschrift. Das LDC hat außerdem Anspruch auf weitere zukünftige, entwicklungsabhängige Meilensteinzahlungen in Höhe von bis zu 82,5 Millionen Euro und umsatzabhängige Meilensteinzahlungen in Höhe von bis zu 55 Millionen Euro sowie Lizenzgebühren an potenziellen Produktverkäufen.

Mit Merck KGaA wurde ein Kooperationsvertrag zur Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen Krebs unterzeichnet. Grundlage bildet eine innovative Kinase-Technologie, die am Chemical Genomics Centre der Max-Planck-Gesellschaft (CGC, Dortmund) entwickelt wurde. Gemeinsam wollen Merck Serono, eine Sparte der Merck KGaA, und das LDC diese Plattform nutzen, um inhibitorische Wirkstoffe gegen mindestens eine definierte Kinase zu identifizieren und diese über die verschiedenen Stufen der frühen Wirkstoffentwicklung bis zur pharmazeutischen Leitstruktur weiter zu entwickeln.

Darüber hinaus steht das LDC als Konsortialführer einem Verbund vor, der zur Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen Krebs und Stoffwechselerkrankungen vom Land Nordrhein-Westfalen mit 3,6 Millionen Euro gefördert wird. Eine weitere Kooperation mit dem kanadischen Zentrum zur Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln (CDRD), sowie die Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in einem von der Michael J. Fox Foundation geförderten Projekt zur Suche nach neuen Wirkstoffen gegen die Parkinson-Erkrankung zeigen, dass die Strategie des LDC außerordentlich erfolgreich ist.

Die Life Science Inkubator GmbH & Co KG (LSI) wurde 2007 von Max-Planck-Innovation mit dem Ziel etabliert, Ausgründungen im Bereich der Lebenswissenschaften zu erleichtern. Diese Vorhaben sind oftmals mit langen Entwicklungszeiten sowie hohen Kosten und Risiken behaftet und haben im LSI die Möglichkeit, ihre Forschungsergebnisse zu einem Reifegrad weiterzuentwickeln, der das Interesse zukünftiger potenzieller Investoren wecken soll. Möglich ist das durch die umfassenden Leistungen des LSI. Das in Deutschland bislang einzigartige Inkubationskonzept mit Sitz am Forschungszentrum caesar in Bonn nimmt dazu nach eingehender Prüfung Forschungsprojekte aus den Bereichen Biotechnologie, Pharma und Medizintechnik in seinen Räumlichkeiten auf. Im Jahr 2011 hat der LSI die offizielle Anerkennung als Forschungseinrichtung erhalten und arbeitet darüber hinaus mit dem HTGF (High-Tech Gründerfonds) zusammen. Ziel des Kooperationsvertrages ist es, Projekte aus Biotechnologie, Pharma und Medizintechnik, die für den HTGF noch nicht „reif“ genug sind, im LSI aufzunehmen und vice versa, sodass keine Idee „verloren“ geht.

Nach den Projekten „VLP Technologie“ und „Endotoxin-Biokatalysator“ wurden 2011 drei weitere viel versprechende Ausgründungsprojekte mit innovativen Ansätzen und großem wirtschaftlichen Potenzial im LSI aufgenommen bzw. deren Aufnahme beschlossen:

Die Therapie von Augenerkrankungen ist das Anliegen der Projektgruppe Mesentech. Das junge Team beschäftigt sich intensiv mit Netzhauterkrankungen, insbesondere der altersbedingten Makuladegeneration (AMD). Ziel des innovativen Ansatzes ist es, den fortschreitenden Prozess der Sehzellendegeneration zu stoppen bzw. im optimalen Fall sogar umzukehren.

ProVios, ein Team der Universitätsklinik Düsseldorf, möchte in Bonn ein neuartiges Verfahren zur Krebsdiagnose, insbesondere für Prostatakarzinom entwickeln. Langfristiges Ziel des Gründerteams ist es, mithilfe von epigenetischen Biomarkern eine frühe und sichere Krebsdiagnose zu stellen. Mit diesem Verfahren lassen sich nicht nur falsch-positive oder falsch-negative Ergebnisse verhindern; mit ihm lassen sich auch Aussagen über die Aggressivität einer Tumorerkrankung treffen. Damit sind für alle Beteiligten – Patient, Arzt und Krankenkasse – erhebliche Vorteile verbunden. Kann die Entscheidung für eine Beobachtung, die sogenannte „Active Surveillance“ auf einer sicheren diagnostischen Basis getroffen werden, sind viele, unnötige Therapien, Kosten und insbesondere die damit verbundenen Belastungen für den Patienten zu vermeiden.

Mit der Gruppe LaserVision wurde erstmals ein  medizintechnisches Projekt angenommen, das 2012 in den LSI einziehen wird. Ziel der Gruppe ist es, einen „all-in-one”-Laser zu entwickeln, mit dem atraumatisch Kavitäten gelasert werden können, die im Genauigkeitsbereich von μm liegen. Der Laser kann aber auch zur Herstellung von Inlays und Kronen eingesetzt werden, sodass in einer Sitzung der Zahn behandelt und mit der endgültigen Prothese versorgt werden kann.

Zahlen und Fakten

Im Jahr 2011 wurden der Max-Planck-Innovation 120 Erfindungen gemeldet (2010: 126) und es wurden 80 Verwertungsverträge (inkl. Vereinbarungen zu Gemeinschaftserfindungen/TT- Vereinbarungen) abgeschlossen (2010: 81). Die Verwertungserlöse betragen voraussichtlich 19,0 Mio. Euro (2010: 16,8). Zu diesem Erlös trugen Beteiligungsverkäufe in Höhe von 150T Euro bei (2010: 300T Euro). Die endgültigen Zahlen für das Geschäftsjahr 2011 liegen aufgrund der nachgelagerten Abrechnung verschiedener Lizenznehmer erst ab Mitte 2012 vor. Im Gründungsbereich kamen 2011 mit der Abberior GmbH, der KonTEM GmbH, der Phenoquest AG und der terraplasma GmbH vier weitere Erfolg versprechende Ausgründungen aus unterschiedlichen Max-Planck-Instituten hinzu. Zudem konnten drei MPG-Ausgründungen in 2011 erfolgreich weitere Finanzmittel über Follow-up Finanzierungen einwerben. Fünf Gründungsprojekte konnten in 2011 erfolgreich Fördermittel einwerben (z.B. EXIST-Forschungstransfer, VIP und ForMat).

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