Auch Pflanzen haben eine doppelte Abwehrkette

Kölner Max-Planck-Forschern weisen nach, dass die dauerhafte Resistenz von Pflanzen gegen Pilzparasiten auf einem mehrstufigen Abwehrmechanismus beruht

17. November 2005

Pflanzen sind in ihrer Umwelt vielen verschiedenen Krankheitserregern ausgesetzt. Doch nur sehr wenige davon sind in der Lage, eine Pflanzenart zu befallen und sie "krank zu machen". Wenn eine Pflanze von einem bestimmten Krankheitserreger nicht befallen wird, ist sie ihm gegenüber resistent - also kein Wirt. Diese dauerhafte Spielart pflanzlicher Immunität gegenüber Parasiten nennt man Nichtwirts-Resistenz. Obwohl diese in der Natur die überwiegende Zahl aller "Angriffe" durch Parasiten beendet, ist sie bisher nur wenig erforscht. Forscher des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung in Köln um Volker Lipka, Jan Dittgen und Paul Schulze-Lefert haben jetzt in Zusammenarbeit mit Kollegen der Carnegie Institution, USA, die molekularen Komponenten der Nichtwirts-Resistenz aufgedeckt und beschreiben diesen molekularen Abwehrmechanismus in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Science" (Science, 18. November 2005). Ihre Erkenntnisse lassen gewisse Parallelen im Immunsystem von Pflanzen und Tieren erkennen und könnten für die Entwicklung neuer "grüner" Fungizide von essentieller Bedeutung sein.

Den Max-Planck-Forschern ist es gelungen, durch die Isolierung von Arabidopsis-Mutanten, die partiell anfällig gegenüber Gerste-Mehltaupilzen sind, die so genannten PEN (penetration)-Gene als wichtige Komponenten der Nichtwirts-Resistenz zu identifizieren. Sind diese defekt bzw. fehlt das dadurch kodierte Protein in der Pflanzenzelle, kann der Pilz weitaus häufiger in Blattepidermis-Zellen eindringen. Deshalb gingen die Wissenschaftler in ihren Experimenten speziell der Frage nach, welche Funktion das PEN2-Protein nun genau bei der Abwehr von Krankheitserregern hat.

PEN2 ist ein Enzym und befindet sich in der Membran von so genannten Peroxisomen - räumlich abgetrennten Zellkompartimenten, in denen oftmals Stoffwechselreaktionen ablaufen, die für den Organismus außerhalb dieser Gefäße gefährlich wären. Versucht nun ein Pilz in eine Pflanzenzelle einzudringen, werden solche Peroxisomen mit dem angehefteten PEN2-Protein gezielt zur Angriffsstelle geleitet. Durch die enzymatische Aktivität des PEN2-Enzyms, einer Glykosylhydrolase, können ein oder mehrere Zuckermoleküle von einem anderen Zellbaustein abgespalten werden. Die dadurch freigesetzte Substanz hat wahrscheinlich eine fungizide, also den Pilz-Erreger tötende Wirkung.

Umgekehrt konnten die Forscher beobachten, dass bei einem Ausfall von PEN2 die Pflanzen nicht nur anfälliger gegen Mehltaupilze sondern auch gegen andere Pflanzenschädlinge wurden, etwa gegen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel. Dies zeigt, dass es sich bei PEN2 um einen Baustein des pflanzlichen Immunsystems mit einem breiten Wirkungsspektrum handelt.

Fällt PEN2 aus, ist die Pflanze jedoch noch nicht vollständig hilflos gegen Pilzkrankheiten - erst muss noch eine zweite Abwehrkette überwunden werden. Dazu unternimmt die Pflanze einen drastischen Schritt: Die angegriffene Zelle stirbt mitsamt dem Angreifer, wodurch das benachbarte Pflanzengewebe vor einer Infektion geschützt werden soll.

Bei dieser tödlichen Abwehr spielen ganz andere Proteine eine zentrale Rolle, nämlich EDS1, PAD4 und SAG101. Diese waren den Forschern bereits bei anderen Spielarten des pflanzlichen Immunsystems aufgefallen, bei der die Pflanze durch Immunrezeptoren auf der Zelloberfläche und im Zellinneren molekulare Merkmale identifiziert, die nur in Parasiten vorhanden sein können. Erst wenn auch dieser zweite Schutzmechanismus ausfällt, kann die Pflanze von den ursprünglich nicht-virulenten Mehltaupilzen schließlich besiedelt werden.

Mit ihren Forschungsergebnisse haben die Max-Planck-Forscher nun nachgewiesen, dass die Nichtwirts-Resistenz von Pflanzen aus einem mindestens zweistufigen Verteidigungssystem besteht. Deren Stufen entscheiden, ob eine Pflanze für eine Krankheit anfällig ist oder nicht. Dabei könnte die Redundanz der Abwehrschichten und das breite Wirkungsspektrum von PEN2 erklären, warum die Nichtwirts-Resistenz in der Natur ein dauerhafter und breit wirkender Resistenzmechanismus ist. Fällt nämlich ein Baustein einer Abwehrschicht aus, wird seine Funktion durch Komponenten der nächsten Abwehrreihe übernommen.

Hingegen hatte man bisher angenommen, dass die Nichtwirts-Resistenz eher auf "passiven" Mechanismen beruht, wie die Bauart der Zellwand, giftigen Stoffen auf der Pflanzenoberfläche oder fehlenden molekularen Angriffspunkten für Pathogene. Hingegen konnten die Kölner Wissenschaftler nun zeigen, dass aktive Immunantworten einen entscheidenden Beitrag zur Nichtwirts-Resistenz von Pflanzen leisten, wie etwa der beobachtete Transport von PEN2 zur Infektionsstelle.

In weiteren Untersuchungen wollen die Forscher nun jene Stoffe identifizieren, die durch die PEN2-Aktivität an der Infektionsstelle gebildet werden. Es ist zu vermuten, dass diese Stoffe neuartige "grüne Fungizide" mit breitem Wirkungsspektrum zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten liefern könnten.

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