Lang gesuchter Signalgeber für die Blütenbildung gefunden

Deutsch-britisches Forscherteam enthüllt, wie Pflanzen sicher stellen, dass Blüten zur rechten Zeit am richtigen Ort gebildet werden

11. August 2005

Über einen Durchbruch im Verständnis, wie Pflanzen ihre Blüten hervorbringen, berichten Forscher des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen und des John Innes Centre in Norwich, Großbritannien, in der Fachzeitschrift "Science". Sie konnten zeigen, dass ein kleines Molekül, das in den Blättern gebildet wird, an den Sprossspitzen die Blütenbildung einleitet. Da alle Früchte und Samen einschließlich Getreide aus Blüten hervorgehen, könnten diese Erkenntnisse einen wichtigen Beitrag zur Zucht leistungs- und anpassungsfähigerer Nutzpflanzen liefern (Science, 12. August 2005).

Die Blüte der Kirschbäume wird an vielen Orten der Welt, wie in Japan oder Washington DC, als Zeichen des Frühlings gefeiert. Dieses Beispiel erinnert daran, dass die meisten Pflanzen nur zu ganz bestimmten Jahreszeiten blühen. Sie orientieren sich dabei an verschiedenen Faktoren in ihrer Umwelt, die ihnen signalisieren, wann sie blühen sollen. Einige Pflanzen, wie beispielsweise Tulpen, blühen nur, wenn sie zuvor einige Monate den tiefen Temperaturen des Winters ausgesetzt waren. Andere wiederum verlassen sich auf die länger werdenden Tage als Zeichen des nahenden Frühlings.

Wissenschaftler wussten bereits seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, dass Pflanzen die Länge der Tage mit ihren Blättern ermitteln. Da sich Blüten aber normalerweise an den Spitzen der Sprosse bilden, nahmen die Forscher an, dass in den Pflanzen ein Signal von den Blättern zu jenen Stellen gelangen muss, wo die Blüten dann entstehen. Sie postulierten, dass in den Blättern eine Substanz gebildet wird, die in die Sprossspitzen wandert und dort die Blütenbildung induziert. Diese bislang hypothetische Substanz tauften sie "Florigen". Obwohl seit diesen Erkenntnissen ein halbes Jahrhundert vergangen ist, gelang es bisher nicht, das rätselhafte Florigen zu finden. Viele Wissenschaftler begannen deshalb zu glauben, dass Florigen eine komplizierte Mischung aus verschiedenartigen Molekülen sein muss.

Jetzt haben Forscher unter der Leitung von Detlef Weigel am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie und Philip Wigge am John Innes Centre ein Molekül - das Protein FT - identifiziert, dass alle Eigenschaften von Florigen aufweist: Schon wenige Stunden, nachdem Pflanzen das Signal zur Bildung von Blüten erhalten haben, wird in ihren Blättern das FT-Gen aktiviert. Das Genprodukt hingegen, das FT-Protein, wirkt nicht in den Blättern, sondern an den Spitzen der Sprosse und löst dort die Blütenbildung aus.

Obwohl man wusste war, dass FT wichtig für die Blütenbildung ist, war nicht klar, wie es jene Gene beeinflusst, die Blüten induzieren. Der Durchbruch kam, als die Forscher entdeckten, dass FT an ein weiteres Protein - FD - bindet. FD seinerseits steuert direkt die Aktivität von Genen, die dazu führen, dass sich Gruppen von unspezialisierten Stammzellen an den Sprossspitzen zu Blüten entwickeln. Im Gegensatz zu FT wird das FD-Protein jedoch nicht in den Blättern, sondern nur an den Spitzen der Sprosse hergestellt. Entscheidend ist hierbei, dass es nur dann aktiv ist, wenn es das FT-Protein bindet. Da das FT-Gen in den Blättern aktiv ist, aber das FT-Protein an den mitunter weit entfernten Sprossspitzen FD aktivieren muss, schließen die Forscher, dass das kleine FT-Protein zu den Orten wandern muss, an denen die Blüten entstehen. Damit ist das FT-Protein der beste bisher bekannte Kandidat für das rätselhafte Florigen-Molekül. Allerdings ist noch offen, ob das FT-Protein von den Blättern direkt zu den Sprossspitzen wandert oder ob das Signal in einer Art Staffellauf über Zwischenstufen weitergeleitet wird.

"Wir haben das FT-Gen in den späten 90er Jahren entdeckt, konnten uns aber über etliche Jahre nicht vorstellen, wie dieses kleine Protein die Aktivität der Gene steuert, die für die Bildung von Blüten nötig sind. Als wir sahen, dass FT das FD-Protein braucht, das an den Sprossspitzen der Pflanze gebildet wird, wurde uns auf einmal alles klar", erklärt Detlef Weigel, Direktor am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen. "Nur wenn FT und FD in der selben Zelle zusammenarbeiten, sind sie aktiv."

"Das Blühen einzuleiten ist eine der wichtigsten Entscheidungen, die Pflanzen treffen müssen. Es ist deshalb unerlässlich, dass diese Entscheidung präzise auf die Jahreszeit abgestimmt werden", sagt Philip Wigge, der unlängst vom Max-Planck-Institut an das John Innes Centre gewechselt ist, um dort eine eigene Arbeitsgruppe aufzubauen. "Pflanzen, die durch Pollen von anderen Mitgliedern ihrer Art bestäubt werden, wie beispielsweise Kirschbäume, müssen sicherstellen, dass sie zur selben Zeit blühen wie ihre Nachbarn. Es ist ein raffinierter Trick der Natur, dass zwei Komponenten zusammen kommen müssen, damit sich Blüten bilden können. Eine bestimmt, zu welcher Jahreszeit die Pflanze blüht, die andere, wo an der Pflanze sich die Blüten bilden."

Die Forscher benutzten für ihre Studien die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), die aufgrund ihrer vielen experimentellen Vorzüge als Modellpflanze breite Verwendung findet. Die Ergebnisse sind jedoch von deutlich breiterer Bedeutung, denn FT- und FD-Gene kommen im gesamten Pflanzenreich vor, auch in so bedeutenden Nutzpflanzen wie Reis und Weizen.

Bei dem Begriff "Blüten" denken wir zumeist an schöne Blumen oder blühende Bäume. Doch die wichtigste Aufgabe von Blüten ist Früchte und Samen einschließlich der Getreidekörner hervorzubringen. Sie bilden somit die Grundlage für einen großen Teil unserer Nahrung. Da Pflanzen Informationen aus ihrer Umwelt nutzen, um festzulegen, wann sie blühen sollten, sind die Regionen, in denen man bestimmte Pflanzen anbauen kann, begrenzt. Außerhalb ihres normalen Verbreitungsgebietes würden Pflanzen entweder gar nicht oder zu früh bzw. zu spät blühen. Ein besseres Verständnis der Moleküle, die zur Bildung von Blüten führen, könnte also dazu beitragen, neue Sorten zu züchten, die an Orten gedeihen können, an denen sie dies normalerweise nicht tun würden.

Über die Max-Planck-Gesellschaft
Die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (www.mpg.de) ist eine unabhängige gemeinnützige Forschungsorganisation. Sie wird überwiegend aus öffentlichen Mitteln der Bundesregierung und der 16 Bundesländer finanziert. Die 78 Institute der Max-Planck-Gesellschaft betreiben Grundlagenforschung im Dienste der Allgemeinheit und verpflichten sich, die Ergebnisse ihrer Forschung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Über das John Innes Centre
Das John Innes Centre (www.jic.ac.uk) ist ein unabhängiges internationales Exzellenzzentrum für Pflanzenforschung und Mikrobiologie. Es widmet sich sowohl der Grundlagen- als auch der angewandten Forschung und macht seine Forschungsergebnisse öffentlich zugänglich. Das JIC wird vorwiegend aus nationalen und internationalen Drittmitteln finanziert. Zudem wird es durch den Biotechnology and Biological Sciences Research Council (BBSRC) der britischen Regierung gefördert.

An dieser Studie haben zudem teilgenommen: Min Chul Kim, Wolfgang Busch, Markus Schmid und Jan Lohmann am Tübinger Max-Planck-Institut sowie Katja Jaeger am John Innes Centre.

Experten, die diese Arbeit kommentieren können:

Prof. George Coupland, Max-Planck-Institut, Köln
Tel. (+49) 0221 505 2205; E-mail coupland@mpiz-koeln.mpg.de

Prof. Rick Amasino, University of Wisconsin, Madison, USA
Tel. +1 608 2652170; E-mail amasino@biochem.wisc.edu

Prof. Elliot Meyerowitz, Caltech, Pasadena, USA
Tel. +1 626 395 6889; E-mail meyerow@its.caltech.edu

Prof. Nick Battey, University of Reading, USA
Tel. +44 118 378 6441; E-mail n.h.battey@reading.ac.uk

Das Projekt wurde finanziell unterstützt durch die internationale Human Frontiers Research Organisation, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Max-Planck-Gesellschaft sowie durch Postdoktoranden-Stipendien der britischen Wellcome Foundation, der Korean Science and Engineering Foundation und der Europäischen Molekularbiologie Organisation (EMBO).

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