Mögliche Zielmoleküle für die Krebstherapie entdeckt

Über die Hemmung des Proteins Hsp90 lassen sich an der Tumorentstehung beteiligte Enzyme ausschalten

31. Januar 2012

In Krebszellen ist das Zellwachstum außer Kontrolle geraten. Dadurch teilen sie sich übermäßig und können in benachbartes Gewebe einwandern. Verantwortlich dafür sind häufig sogenannte Proteinkinasen – bestimmte Enzyme, die aufgrund einer Überfunktion die Zellteilung ankurbeln. Viele dieser Enzyme benötigen zu ihrer Stabilisierung das Helferprotein Hsp90. Ein Forscherteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik in Berlin hat nun zahlreiche Proteinkinasen aus unterschiedlichen Signalwegen identifiziert, die mit Hsp90 interagieren. Die Entdeckung ist ein wichtiger Ansatzpunkt für die Entwicklung und Anwendung neuer Krebsmedikamente, denn Hsp90 lässt sich selektiv blockieren.

Das Zellwachstum wird durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Signalmoleküle gesteuert. Bei Krebszellen ist diese Steuerung außer Kontrolle geraten. Sie vermehren sich daher unkontrolliert und können auch unter Bedingungen gedeihen, die das Wachstum normaler, gesunder Zellen unterbinden. Häufig wird ein solch abnormes Verhalten durch bestimmte Enzyme – sogenannte Proteinkinasen – hervorgerufen, die im Zellzyklus wichtige regulatorische Funktionen erfüllen. Veränderungen im Erbgut können bewirken, dass diese Kinasen aktiver sind als normal und dadurch das Zellwachstum beschleunigen.

Eine wichtige Rolle spielt dabei ein spezielles Helfermolekül, das Chaperon Hsp90. Es bindet an verschiedene Proteinkinasen, stabilisiert sie in ihrer Struktur und hält sie dadurch in einem aktiven Zustand. Das Chaperon spielt daher bei der Tumorentstehung eine wichtige Rolle und ist als Ansatzpunkt für Krebsmedikamente vielversprechend. Um neue Therapien entwickeln zu können, wollen Forscher daher möglichst viele der Interaktionspartner von Hsp90 kennen und herausfinden, welche Rolle sie für das Zellwachstum spielen und wie sie auf das Helfermolekül reagieren.

Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin ist es nun in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Firma Cellzome in Heidelberg sowie einer Arbeitsgruppe aus Barcelona gelungen, 64 Proteinkinasen zu identifizieren, die mit dem Chaperon Hsp90 interagieren. Die Kinasen sind an unterschiedlichen Signalwegen in der Zelle beteiligt, darunter auch an solchen, die eine Rolle bei der Tumorentstehung spielen. „Indem wir die Funktion von Hsp90 blockieren, können wir die Aktivität dieser Kinasen beeinflussen“, sagt Bodo Lange, Arbeitsgruppenleiter am Berliner Max-Planck-Institut.

Entscheidend hierbei ist, dass genetisch veränderte Kinasen, wie sie in Krebszellen vorkommen, von Hsp90 meistens stärker beeinflusst werden als Kinasen in gesunden Zellen. „Dies liegt wahrscheinlich daran, dass die veränderten Kinasen aufgrund von Mutationen eine instabile Molekülstruktur haben und daher auf Hsp90 als Stabilisator angewiesen sind“, erklärt Bodo Lange.

Um herauszufinden, welche Kinasen von Hsp90 stabilisiert werden, haben die Wissenschaftler das Chaperon in normalen Zellen sowie in drei verschiedenen Krebszelltypen durch Zugabe von Geldanamycin selektiv blockiert. Indem sie die Mengen der verschiedenen Proteinkinasen vor- und nach der Geldanamycin-Zugabe gemessen haben konnten sie feststellen, welche der mehr als 140 untersuchten Kinasen von Hsp90 abhängig sind und wie stark sie davon beeinflusst werden.

Für die Krebsmedizin sind die Ergebnisse von großem Interesse, denn dadurch, dass Krebszellen stärker als normale Zellen auf Hsp90 reagieren, könnten Hsp90-hemmende Medikamente möglicherweise gezielt in deren Zellzyklus eingreifen, ohne dabei gesunde Zellen zu schädigen. So konnten die Forscher bereits zeigen, dass durch die Inaktivierung von Hsp90 bestimmte Stress- und Wachstumssignale in Krebszellen herunterreguliert werden, die ansonsten das Zellwachstum fördern würden.

BL/EM/BA

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