Warum die Vulkane auf Hawaii in den Himmel wachsen

Mainzer Max-Planck-Forscher erklären, wie ein Olivin-freier Erdmantel riesige Vulkane produzieren kann

31. März 2005

Der obere Erdmantel, wo sich die Schmelzen aller Vulkane bilden, besteht vorwiegend aus dem Mineral Olivin. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie haben bei Untersuchungen des Nickel-Gehalts von Vulkanlava-Proben von Hawaii festgestellt, dass sich solche Schmelzen überwiegend ohne das Mineral Olivin bilden. Die Forscher entwickelten deshalb ein neues Modell der Schmelzbildung im Erdmantel, mit dem nun die enorme Magmaproduktion dieser Vulkane erklärt werden kann (Nature, 31. März 2005).

Warum entsteht mitten im Pazifischen Ozean ein Vulkan, der eine Höhe von fast zehntausend Metern über dem Meeresboden erreicht, und der nach geologisch kurzer Zeit wieder unter der Meeresoberfläche versinkt? Genau das ist auf der Insel Hawaii zu beobachten. Es gibt dazu seit 1970 eine Erklärung: die "Mantelplume-Theorie". Mantelplumes sind eng begrenzte Säulen oder "Pilze" aus heißem Gestein, die aus dem tiefsten Erdmantel aufsteigen. In etwa 100 Kilometer Tiefe übersteigt die Temperatur dieses Gesteins infolge der Druckminderung seinen Schmelzpunkt, und Teile des Gesteins beginnen zu schmelzen. Ein Vulkan bildet sich, dem aber nur eine geologisch kurze Lebenszeit beschieden ist, denn die Ozeankruste schiebt sich mit einer Geschwindigkeit von 10 Zentimeter pro Jahr, also 100 Kilometer in einer Million Jahre, nach Nordwesten und trägt den Vulkan von seiner Magmazufuhr weg, bis seine "Nabelschnüre", die Magmakanäle, abreißen. Der Vulkan stirbt, wird abgetragen und sinkt unter die Meeresoberfläche. Über dem Plume bildet sich ein neuer Vulkan, und das Spiel wiederholt sich. Auf diese Weise ist bis heute eine 7.000 Kilometer lange Kette von (meist untermeerischen) Vulkanen entstanden, die von der Insel Hawaii bis nach Kamtschatka reicht.

Die Plume-Theorie ist heute noch immer umstritten. Eine der Schwierigkeiten besteht darin, dass sie bisher zwar die Entstehung der Vulkane, nicht aber deren enormes Volumen erklären kann. Auf Hawaii werden zurzeit etwa 0,3 Kubikkilometer Magma pro Jahr produziert, ein riesiges Volumen, wenn man bedenkt, dass im gesamten unterseeischen, 65.000 Kilometer langen Ozeanrückensystem der Erde, in dem sich der Ozeanboden erneuert und ausbreitet, nur etwa 20 Kubikkilometer Magma pro Jahr gebildet werden. Fest steht: Normales Mantelgestein, ein so genannter Peridotit, der hauptsächlich aus dem schwer schmelzenden Mineral Olivin und nur zu einem kleinen Teil aus den leichter schmelzenden Mineralen Klinopyroxen und Granat besteht, kann bei den im Plume erreichten Temperaturen nicht diese großen Magmamengen liefern.

Allerdings gibt es seit langem auch die Hypothese, dass man die chemischen Besonderheiten von Hawaii und ähnlichen Vulkanen durch Zumischung von kleinen Mengen recycelter ozeanischer Kruste und Sedimente erklären könnte. Doch auch diese Hypothese kann das enorme Volumen der Hawaii-Magmen nicht erklären.

Wissenschaftler des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie haben nun eine zunächst widersinnige Entdeckung gemacht: Die Schmelzen, die unter den voluminösesten der Hawaii-Vulkane, also vor allem unter Mauna Loa entstehen, haben einen anormal hohen Gehalt an Nickel. Das Mineral Olivin, aus dem Mantelperidotit zu über 50 Prozent besteht, bindet das Element Nickel und lässt somit nur verhältnismäßig geringe Nickelkonzentrationen in einer Schmelze in seiner Umgebung zu. Seit langem bekannt war außerdem, dass diese Schmelzen ungewöhnlich hohe Siliziumgehalte haben, die ebenfalls kaum vereinbar sind mit einer Entstehung der Schmelzen in Gegenwart von Olivin. Das Siliziumproblem allein wäre lösbar, wenn sich die Schmelze teilweise aus recycelter Ozeankruste bilden würde, die in einer Tiefe von mehr als 80 Kilometer aus den Mineralen Granat und Klinopyroxen besteht und Eklogit genannt wird. Ein schmelzender Eklogit liefert nämlich Schmelzen mit hohen Siliziumgehalten, aber er enthält viel zu wenig Nickel, um gleichzeitig auch die hohen Gehalte an Nickel in den Schmelzen zu erklären. Deshalb ist eine Kombination aus einem hohen Nickel- und einem hohen Silizium-Gehalt mit den bestehenden Theorien nicht zu erklären.

Ein neues Modell, demzufolge ausgerechnet Olivin, das häufigste Mineral des Erdmantels, in der Schmelze eliminiert wird, liefert nun die Lösung für das Silizium-Nickel-Rätsel, und es erklärt gleichzeitig die ungewöhnlich großen Magmavolumen, die Hawaii in den Augen der Geowissenschaftler zur "Mutter aller Mantelplumes" gemacht haben. Die in dem aufsteigenden Mantelplume eingelagerten Lagen oder Linsen aus eklogitischer, recycelter Ozeankruste fangen nämlich infolge ihres relativ niedrigen Schmelzpunktes bereits in etwa 170 Kilometer Tiefe an zu schmelzen. Diese siliziumreiche, aber zunächst nickelarme Schmelze reagiert mit dem aus normalem, nickelreichen Peridotit bestehenden umgebenden Gestein des Plumes und verwandelt das Olivin in ein neues Silikatmineral, das Klinopyroxen genannt wird. Dadurch wird sowohl die Schmelze als auch das Olivin aufgebraucht.

Zunächst entsteht also wieder ein voll kristallines, also festes, aber Olivin-freies Klinopyroxengestein, das man "Pyroxenit" nennt. Dieses fängt erst nach dem weiteren Aufsteigen des Plumes in etwa 130 Kilometer Tiefe wieder an zu schmelzen. Die aus dem Pyroxenit gebildete Schmelze ist ebenfalls siliziumreich, sie enthält aber etwa doppelt soviel Nickel wie eine nur aus Peridotit entstehenden Schmelze, und dass wegen der Eliminierung des Olivins, dessen Vorliebe für Nickel dieses Element sonst in den zurückbleibenden Olivinkristallen zurückhalten würde. In anderen Teilen des Plumes, die ursprünglich wenig oder kein Eklogit enthielten, bildet sich nun aus dem dortigen Peridotit ebenfalls eine Schmelze, die aber erwartungsgemäß nickel- und siliziumarm ist (s. Abb.).

Beide Schmelzen werden durch Gänge in Magmakammern transportiert, wo sie sich mischen können, bevor sie eruptieren. Die Mischungsanteile können nun jedoch aus der chemischen Zusammensetzung der Laven und den aus experimentellen Arbeiten bekannten Mineral- und Schmelzreaktionen annäherungsweise quantitativ berechnet werden. Es zeigt sich, dass die Plume-Region, aus der Mauna Loa gespeist wird, zu etwa 25 Prozent aus recyceltem Eklogit besteht, während in anderen Hawaii-Vulkanen, wie Kilauea und Mauna Kea, nur ca. 12 Prozent, und in kleineren Vulkanen wie der unterseeische Loihi lediglich 2 Prozent eklogitischer Anteil vorliegen. Weil nun sowohl der ursprüngliche Eklogit als auch der sekundär gebildete Pyroxenit bei gleicher Temperatur zu wesentlich höheren Anteilen aufschmelzen als ein olivinreicher Peridotit, erklärt dieses Modell auch die anomal hohen Schmelzvolumen und damit die riesigen Ausmaße des Mauna Loa und darüber hinaus die anomal hohe Schmelzproduktionsrate unter Hawaii. Bestünde der Plume lediglich aus "normalem" Mantelgestein, so würde das Schmelzvolumen gerade einmal für einen Vulkan ausreichen, der es knapp bis zur Meeresoberfläche schafft. Diese Berechnungen beruhen auf der Zusammenarbeit zwischen dem Max-Planck-Institut für Chemie und dem Geoforschungszentrum Potsdam.

Erstautor dieser Studie ist der mit dem Alexander von Humboldt-Preis und dem Wolfgang-Paul-Preis ausgezeichnete russische Wissenschaftler Alexander Sobolev, der seine Forschungen seit mehreren Jahren am Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie durchführt. Der durch die Humboldt-Stiftung vergebene Wolfgang-Paul-Preis ermöglichte ihm durch eine massive finanzielle Förderung in kurzer Zeit den Aufbau der für diese Studie notwendigen Laboreinrichtungen und einer eigenen Forschungsgruppe. Ziel dieses Preises war es, ausländischen Spitzenforschern zukunftsweisende Forschungsarbeiten in Deutschland zu ermöglichen. Dies scheint hier bestens gelungen zu sein.

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