Forscher überwinden die Große Mauer

30 Jahre Zusammenarbeit zwischen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und der Max-Planck-Gesellschaft / Festveranstaltung in Beijing

24. Mai 2004

In Europa ist die Max-Planck-Gesellschaft der wichtigste Kooperationspartner der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Am 24. Mai 2004 feiern die beiden Institutionen mit einer Festveranstaltung in Beijing das 30jährige Bestehen ihrer Forschungskooperation. Vorgesehen ist dabei die Unterzeichnung einer Absichtserklärung ("letter of intent") über die wissenschaftlich gemeinsam verantwortete Gründung eines Forschungsinstituts der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in China als ein "Partner-Institut" der Max-Planck-Gesellschaft.

Mitten im Kalten Krieg zwischen den Machtblöcken und der in China herrschenden "Kulturrevolution" hatte eine aus acht Mitgliedern bestehende Delegation der Max-Planck-Gesellschaft unter der Leitung ihres damaligen Präsidenten Reimar Lüst im April 1974 "eine Reise ins Unbekannte" gewagt. Zurückgekehrt war die deutsche Abordnung mit dem gegenseitigen Versprechen, Wissenschaftler auszutauschen - einer lediglich mündlich getroffenen Absprache. "Damals wie heute ist die deutsch-chinesische Zusammenarbeit für die Max-Planck-Gesellschaft von herausragender Bedeutung", betont der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Prof. Peter Gruss, "und die Chinesische Akademie der Wissenschaften spielt dabei eine zentrale Rolle". Als junger Wissenschaftler hat Gruss selbst zeitweise am Gästelabor des Instituts für Zellbiologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai gearbeitet.

Ungefähr zehn Prozent aller ausländischen Nachwuchs- und Gastwissenschaftler, die im vergangenen Jahr an Max-Planck-Instituten forschten, sind aus China gekommen, mit insgesamt 474 Personen hat sich ihre Anzahl seit 1998 mehr als verdoppelt. Bislang zehn so genannte Partnergruppen hat die Max-Planck-Gesellschaft gemeinsam mit der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in China eingerichtet. Sie arbeiten unter der Leitung hervorragender chinesischer Wissenschaftler auf modernen Gebieten wie der Kosmologie, der Material- und Pflanzenforschung, der Chemie und der Mathematik. Damit erhalten begabte junge chinesische Forscher Gelegenheit, ihre mit deutschen Partnern in Max-Planck-Instituten begonnenen Projekte in China fortzusetzen und sich für wissenschaftliche Leitungsfunktionen zu qualifizieren.

Als besonderer Erfolg haben sich die am Modell der Max-Planck-Gesellschaft orientierten Selbständigen Nachwuchsgruppen in China erwiesen. Damit erhalten ausgewählte chinesische Wissenschaftler die Möglichkeit, bis zu fünf Jahre lang unabhängig und eigenverantwortlich zu forschen und sich so für Führungspositionen in China zu qualifizieren. Der erste Leiter der in Shanghai eingerichteten Selbständigen Nachwuchsgruppe, Prof. Pei Gang, wurde als jüngstes Mitglied der Chinesischen Akademie der Wissenschaften gewählt und ist zudem zum Leiter des neuen biowissenschaftlichen Zentrums der Akademie, des Shanghai Institute for Biological Sciences, berufen worden. Auch der Leiter der zweiten Nachwuchsgruppe in Shanghai, Dr. Hu Gengxi, hat Karriere gemacht: Er finanziert seine Forschungsarbeiten inzwischen aus den Einnahmen mehrerer eigener Biotech-Unternehmen.

Dieses auf fünf Jahre begrenzte Programm der Nachwuchsförderung wurde in Shanghai mit zwei neuen Gruppen weitergeführt und wird in Kunming am Akademie-Institut für Zoologie auf einem neuen Forschungsschwerpunkt der Kooperation, der Biodiversitätsforschung, mit ebenfalls zwei Selbständigen Nachwuchsgruppen fortgesetzt.

Neben den unmittelbaren wissenschaftlichen Kooperationen stellt das von der Chinesischen Akademie mit Unterstützung der Max-Planck-Gesellschaft und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung errichtete Shanghai Institute for Advanced Studies eine "Drehscheibe" für die rasante Entwicklung sowohl in dem sich rasch verändernden chinesischen Forschungssystem als auch in den modernen Wissenschaften weltweit dar.

Die Finanzierung der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit erfolgt aus dem Haushalt der Max-Planck-Gesellschaft, die dafür jährlich über eine Million Euro aufwendet, und darüber hinaus in erheblichem Umfang aus Sondermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Diese Sondermittel kommen der Zusammenarbeit der deutschen Hochschulen mit Instituten der Chinesischen Akademie der Wissenschaften zugute, da in dem Kooperationsvertrag der Max-Planck-Gesellschaft mit der Chinesischen Akademie der Wissenschaften andere deutsche Wissenschaftsorganisationen, insbesondere die Deutsche Forschungsgemeinschaft und somit auch die Hochschulen mit einbezogen sind.

In den 30 Jahren der Zusammenarbeit haben über 1500 chinesische Wissenschaftler längere Zeit an Max-Planck-Instituten geforscht und ebenso viele deutsche Wissenschaftler in China gearbeitet. Wie erfolgreich die Partnerschaft gelungen ist, zeigt sich auch daran, dass etwa ein Drittel aller Leitungs- und Direktorenpositionen in der Chinesischen Akademie mit Wissenschaftlern besetzt ist, die in Deutschland ausgebildet worden sind.

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