Attosekunden-Pulse erstmals direkt vermessen

Max-Planck-Forscher haben neues Messverfahren entwickelt, mit dem man ultraschnelle Lichtpulse im Attosekunden-Bereich erstmals direkt messen kann

11. Dezember 2003

Wenn man die Dynamik ultraschneller biologischer, chemischer oder atomarer Prozesse sichtbar machen und untersuchen will, muss man sie mit extrem kurzen Attosekunden-Lichtpulsen belichten. Doch solche Lichtblitze konnten bisher nur indirekt, über die Kreuzkorrelation zwischen ihnen und dem sie erzeugenden Laserpuls, gemessen werden. Wissenschaftlern von der Laser-Plasma-Gruppe des Max-Planck-Institute für Quantenoptik in Garching ist es jetzt in Zusammenarbeit mit Kollegen vom FORTH-Institut in Heraklion/Kreta gelungen, ein Autokorrelationsverfahren auf der Basis von Helium zu entwickeln, das nur auf den Attosekunden-Blitze selbst beruht. Deren Dauer wird direkt aus der Autokorrelationsspur abgeleitet, ohne zusätzliche Annahmen wie bei der Kreuzkorrelation treffen zu müssen. Dadurch können Atto-Lichtpakete jetzt beträchtlich genauer gemessen werden. Die neue Methode besitzt ein weites Anwendungspotential in der sich herausbildenden Attotechnologie, insbesondere bei der Messung und Optimierung ultraschneller Vorgänge (Nature, 20. November 2003).

Viele grundlegende chemische und biochemische Prozesse, wie die Entstehung chemischer Bindungen oder die Dynamik von Elektronen und Löchern in Halbleitern laufen innerhalb nur weniger Femtosekunden (1 Femtosekunde =10-15 Sekunden) ab. Doch um die Bewegung von Elektronen innerhalb von Atomen oder die Umwandlung von Licht in chemische Energie bei der Photosynthese zu beobachten, sind selbst Femtosekunden-Laserpulse noch viel zu lang. Wenn man diese Vorgänge gar beeinflussen oder steuern will, muss man sie zuerst überhaupt genauestens untersuchen können. Für entsprechende "Schnappschüsse" braucht man intensive Lichtblitze, die kürzer als eine 1 Femsosekunde sind und im Attosekunden-Bereich (1 Attosekunde = 10-18 Sekunden bzw. ein Trillionstel einer Sekunde) liegen. Nur zum Vergleich: Licht legt innerhalb von drei Attosekunden gerade einmal eine Strecke von einem Nanometer (1 Nanometer = 1 Millionstel Millimeter) zurück.

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Quantenoptik haben deshalb zuerst Attosekundenblitze mit einem in der Laserphysik wohlbekannten Verfahren hergestellt: Richtet man nämlich einen ultrakurzen Laserpuls auf einen Edelgasstrahl, entstehen neue Lichtpulse, deren Frequenzen ungeradzahlige Vielfache der Fundamentalfrequenz des Laserpulses sind. Man nennt sie daher auch Harmonische. Werden nun mehrere Harmonische kohärent überlagert, entsteht eine Folge gleichartiger Lichtblitze, deren Zentralfrequenz im extrem ultravioletten Bereich (XUV) liegt und die zeitlich voneinander um den reziproken Frequenzabstand der Lichtwellen, in der Regel weniger als zwei Femtosekunden, getrennt sind. Diese Lichtblitze sind um so kürzer, je mehr Harmonische überlagert werden: Handelt es sich beispielsweise um die 7., 9., 11., 13. und 15. Harmonische, so sind die entstehenden Blitze nur noch wenige Hundert Attosekunden lang.

Die Emissionscharakteristik der Harmonischen zeigt mit zunehmender Ordnungszahl zunächst einen stärkeren Abfall, dann ein Plateau-ähnliches Verhalten und schließlich einen erneuten, sehr abrupten Abfall, oberhalb dessen keine Harmonischen mehr auftreten. Da man im Experiment möglichst gleich intensive Harmonische einsetzen sollte, wählten die Garchinger Forscher die 7., 9., 11., 13. und 15. Harmonische aus. Die Trägerfrequenz der Attosekundenpulse lag dann bei 88 Nanometern und damit im XUV-Bereich.

Um diese Impulse genauer untersuchen zu können, nutzten die Max-Planck-Forscher ein Messverfahren, das auf der Wechselwirkung der XUV-Strahlung mit einem atomaren Gasstrahl beruht und das sich bereits im Femtosekundenbereich bestens bewährt hat. Doch seine Übertragung in den Attosekunden-Bereich war bisher an der kurzen Wellenlänge, der großen spektralen Breite und der relativ schwachen Intensität der Attosekundenpulse gescheitert. Ein Detektor für Attosekunden-Pulse musste folglich mehrere Anforderungen gleichzeitig erfüllen: Hohe Empfindlichkeit, eine spektral breite und flache Antwortfunktion sowie hinreichende Nichtlinearität, d.h. das Detektorsignal muss mindestens zum Quadrat der Intensität der Attosekundenpulse proportional sein.

Die Garchinger Forscher nutzten die Photoionisation von Helium aus und konnten zeigen, dass Helium den Forderungskatalog für einen solchen Detektor erfüllt: Die Anzahl der erzeugten Heliumionen (einfach ionisiert He+) hängt quadratisch von der Lichtintensität ab, wenn zwei Photonen beteiligt sind. Dies ist bei den ausgewählten Harmonischen 7 bis 15 der Fall. Die Energie von zwei Photonen jeder Harmonischen als auch die einer beliebigen Kombination von zwei Harmonischen reicht also aus, um Helium zu ionisieren. Gleichzeitig stellte sich heraus, dass höhere als die 15. Harmonische unbedingt zu vermeiden sind, denn sie können Helium bereits mit einem Photon ionisieren, wodurch die Ionenanzahl nur linear proportional zur Lichtintensität wäre. Hingegen braucht man für Harmonische unterhalb der 7. drei Photonen für die Ionisation - die Ionenanzahl wäre dann proportional zur dritten Potenz der Lichtintensität. Daher sind auch diese Harmonischen für den Detektor unerwünscht, um zu gewährleisten, dass das Ionensignal ganz klar quadratisch abhängig von der Lichtintensität ist. Mit geeignet gewählten Filtern gelang es den Garchinger Physikern tatsächlich, die Harmonischen auf die 7. bis 15. einzugrenzen.

Die spektrale Flachheit der Heliumionisation überprüften die Garchinger Forscher experimentell. Zudem untermauerten die beteiligten griechischen Wissenschaftler den experimentellen Befund mit theoretischen Untersuchungen durch eine numerische Lösung der Schrödinger-Gleichung für ein Heliumatom in einem intensiven polychromatischen Strahlungsfeld.

Einen weiteren wichtigen Baustein in dem neuen Detektorkonzept ist der in zwei Hälften geteilte sphärische Spiegel (vgl. Abb. 1), der den ankommenden Strahl in zwei Halbstrahlen aufspaltet, diese gegeneinander verzögert und sie anschließend in dem im Helium-Strahl liegenden Fokus des Spiegels (Brennweite 15 Zentimeter) zum Überlappen bringt. Zwei Eigenschaften zeichnen diesen "Splitting Mirror" aus: Erstens die hohe Genauigkeit (kleiner 6 Nanometer), mit der die bewegliche Spiegelhälfte über einen Piezoantrieb verstellt werden kann, und zweitens seine Dispersionsfreiheit, d.h. die Verstellung ist unabhängig von der Wellenlänge des Lichtes. Jede Harmonische in dem verstellten Halbstrahl erfährt dieselbe Verzögerung. Diese "conditio sine qua non" ist im XUV-Bereich nur über die Strahlspaltung machbar, nicht aber über den im Sichtbaren gangbaren Weg der Amplitudenteilung, bei der der einfallende Strahl mittels eines Strahlteilers in einen transmittierten und einen reflektierten Strahl geteilt wird. Die im Fokalvolumen sich einstellende Intensitätsverteilung hängt von der wechselseitigen Verzögerung der beiden Halbstrahlen ab; jede Verzögerung hat eine für sie charakteristische Ionenausbeute zur Folge (siehe Abb.1 rechts).

Die Ergebnisse der Korrelationsmessungen zeigt Abbildung 2. Das Signal der Ionenausbeute ist periodisch moduliert mit der halben Schwingungsdauer der Fundamentalen. Maxima treten auf, wenn die Verzögerung zwischen den beiden Halbstrahlen einem ganzzahligen Vielfachen der halben Schwingungsdauer der Fundamentalen entspricht; Minima zeigen sich bei der Hälfte dieses Wertes. Die modulierte Autokorrelationsspur lässt sich durch eine Folge von Gauß’schen XUV-Pulsen mit gemeinsamer Halbwertsbreite reproduzieren. Die beste Anpassung ergibt sich für eine Halbwertsbreite von 780 Attosekunden (rote Kurve). Das ist mehr als doppelt so groß als die Wissenschaftler nach den theoretischen Vorhersagen erwartet hatten. Dies deutet an, dass die Erzeugung der Harmonischen theoretisch noch nicht vollkommen verstanden ist.

Das neue Messverfahren lässt detaillierte Studien von Attosekunden-Pulsen unter den verschiedensten Bedingungen zu und kann so erweitert werden, dass man neben der Dauer auch das zeitliche Profil der Lichtpulse bestimmen kann. Aus Sicht der Garchinger Wissenschaftler ist dies ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu noch kürzeren, intensiven und gut charakterisierten Lichtpulsen, die der Attotechnologie zusätzlichen Schwung verleihen sollten.

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