Merkurs Magnetfeld – im Keim erstickt

Ein neues Computermodell rechnet mit dem Sonnenwind

22. Dezember 2011

Merkur, der sonnennächste und mit einem Durchmesser von 4900 Kilometern der kleinste aller acht Planeten, gleicht seinem Äußeren nach eher dem Mond als der Erde. Allerdings besitzt er wie diese als einziger Gesteinsplanet ein globales Magnetfeld. Warum jedoch ist es deutlich schwächer als das irdische? Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig sowie des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung präsentieren jetzt eine neue Erklärung: Demnach soll der Sonnenwind dem inneren Dynamoprozess Merkurs entgegenwirken und auf diese Weise dessen Magnetfeld schwächen.

Planetare Magnetfelder werden durch Strömungen in den heißen, flüssigen Eisenkernen der Planeten erzeugt. Messungen von Mariner 10 in den Jahren 1974/75 haben gezeigt, dass auch Merkur ein Magnetfeld besitzt. Nach den Standardmodellen sollte der Dynamoeffekt in seinem Metallkernen ähnliche Feldstärken erzeugen wie bei der Erde. Merkurs Magnetfeld ist jedoch etwa 150-mal schwächer als das unseres Planeten. Das hat die Nasa-Raumsonde Messenger bestätigt.

Wie lässt sich die große Diskrepanz in der Feldstärke erklären? Diese Frage hat nun eine Gruppe um Karl-Heinz Glaßmeier von der Technischen Universität Braunschweig beantwortet. Eine große Rolle spielt dabei der Sonnenwind – ein ständig wehender Strom aus geladenen Teilchen. Mit einer mittleren Sonnendistanz von nur 58 Millionen Kilometern – rund einem Drittel des Erdabstands – ist Merkur diesen Partikeln besonders stark ausgesetzt.

„Wir müssen uns klarmachen, dass Merkur mit dem ihn umgebenden Sonnenwind eine enge Wechselwirkung eingeht“, sagt Daniel Heyner, Erstautor des im Wissenschaftsmagazin Science erschienenen Artikels und Doktorand an der International Max Planck Research School in Katlenburg-Lindau. Das führe zu starken elektrischen Strömen in der Magnetosphäre des Planeten, deren Magnetfelder dem inneren Dynamoprozess entgegenwirken.

Die neuen Computermodelle des Teams zeigen, dass ein auf diese Weise rückgekoppelter Dynamo tatsächlich möglich ist. „Derartige Simulationen des Dynamoprozesses sind die einzige Möglichkeit, gewissermaßen in den Eisenkern hineinzuschauen und Vorhersagen zur Stärke und Struktur des Magnetfelds zu treffen“, sagt Johannes Wicht vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, der mit seinem Modell wesentlich zu den Ergebnissen der Studie beigetragen hat. Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass die Rückkopplung letztlich zu dem schwachen Magnetfeld führt. „Der Dynamoprozess im Merkurinnern wird durch die Wechselwirkung fast im Keim erstickt“, erläutert Glaßmeier.

Gespannt warten die Forscher der TU Braunschweig und des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung auf die weiteren Magnetfeldmessungen der Raumsonde Messenger sowie auf Beobachtungen der beiden Satelliten der europäisch-japanischen Mission BepiColombo. Die Mission trägt ein von der TU Braunschweig entwickeltes Instrument. Vom Jahr 2020 an wollen die Forscher damit Merkurs Magnetfeld mit großer Präzision vermessen. Mit diesen neuen Daten wird sich diese faszinierende Idee eines durch den Sonnenwind geschwächten Dynamos überprüfen lassen.

HOR/TUB

 

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