Forschungsbericht 2011 - Max-Planck-Institut für Astrophysik

Das Millennium-XXL-Projekt: Eine Simulation der Galaxien-Population in Universen mit Dunkler Energie

The Millennium-XXL Project: Simulating the Galaxy Population in Dark Energy Universes

Autoren
Angulo, Raul; White; Simon D. M.
Abteilungen
Kosmologie (Simon D. M. White)
Zusammenfassung
Das Lambda CDM-Modell der kosmologischen Strukturentwicklung kann viele Beobachtungen im Universum sehr erfolgreich erklären. Allerdings bleibt die Natur des wichtigsten Bestandteils dieses Modells, die sogenannte Dunkle Energie, weiterhin rätselhaft. Wissenschaftler am MPI für Astrophysik haben kürzlich die größte Computersimulation durchgeführt, die je zur Strukturbildung im Kosmos gemacht wurde. Zusammen mit neuen Beobachtungskampagnen könnte dies dazu beitragen, die Eigenschaften der Dunklen Energie besser zu verstehen und so eines der wichtigsten Rätsel der modernen Kosmologie zu lösen.
Summary
The Lambda CDM model of cosmological structure formation has very successfully matched many observational aspects of the Universe. However, the nature of the main ingredient of this model, the so-called Dark Energy, is currently still a mystery. Scientists at the Max Planck Institute for Astrophysics have recently performed the largest ever computer simulation of cosmic structure formation. Combined with new observational campaigns, this might help to constrain the properties of the Dark Energy and solve one of the most important puzzles in modern cosmology.

Während der letzten beiden Jahrzehnte spielten numerische kosmologische Simulationen eine entscheidende Rolle dabei, das Lambda-Cold Dark Matter-Modell (CDM-Modell) als brauchbare Beschreibung des beobachtbaren Universums zu bestätigen. So können Astronomen beispielsweise mithilfe von Simulationen die Auswirkungen verschiedener Aspekte dieses Standardmodells auf die räumliche Verteilung von Galaxien untersuchen und diese Vorhersagen dann direkt mit Beobachtungen vergleichen, um so ein bestimmtes Modell zu bestätigen oder auszuschließen. In ähnlicher Weise sind derartige Simulationen auch unentbehrlich für die Erforschung des Universums bei kleinen und großen Rotverschiebungen, da sie die einzige Möglichkeit darstellen, das Ergebnis der nichtlinearen Strukturbildung im Kosmos vorherzusagen.

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) haben nun, zusammen mit Kollegen im Virgo-Konsortium, die größte, jemals durchgeführte, kosmologische N-Körper-Simulation abgeschlossen. Dabei wurden die gravitativen Wechselwirkungen von mehr als 300 Milliarden Teilchen über einen Zeitraum von über 13 Milliarden Jahren berechnet, um so gleichzeitig Vorhersagen für die Massenverteilung im Universum auf sehr großen und sehr kleinen Skalen zu erhalten. Diese Berechnungen stellten allerdings selbst auf den heute leistungsfähigsten Supercomputern eine große Herausforderung dar. Die Simulation benötigte insgesamt rund 300 Jahre an CPU-Rechenzeit auf mehr als 12.000 Computer-Cores und 30 TB RAM-Speicher auf der Juropa-Maschine am Supercomputerzentrum Jülich, einem der - zum Zeitpunkt der Simulation - 15 leistungsfähigsten Computer weltweit. Dabei wurden mehr als 100 TB an Daten produziert.

Diese neue Simulation mit dem Namen "Millennium-XXL" verfolgt den Werdegang von allen 6.720³ Teilchen in einem kosmologischen Würfel von 4,1 Gpc Kantenlänge, wobei die großskaligen Strukturen in einer nie da gewesenen Kombination aus Umfang und Detailgenauigkeit aufgelöst werden. Die enorme statistische Vorhersagekraft der Simulation wird in Abbildung 1 angedeutet, in der das projizierte Dichtefeld für sehr große Skalen und für den größten Haufen bei einer Rotverschiebung von z = 0 dargestellt ist. Mit der Simulation wurden auch die Bildung und die Entwicklung von Galaxien modelliert, um so eine Auswahl von rund 700 Millionen Galaxien bei geringen Rotverschiebungen zu erhalten, deren Verteilung in Abbildung 2 gezeigt ist. Dadurch wird es nun nicht nur möglich sein, detaillierte Untersuchungen der Haufenbildung für seltene Objekte wie Quasare oder massereiche Galaxienhaufen durchzuführen, sondern auch Beobachtungen in ganz neuer Weise physikalisch zu modellieren. Insbesondere kann das Skalenabhängige Verhältnis zwischen Galaxien und der zugrunde liegenden Verteilung der Dunklen Materie sowie die Auswirkung der nichtlinearen Entwicklung auf die sogenannten baryonischen akustischen Oszillationen (BAOs), die im Leistungsspektrum der Galaxienverteilung gemessen werden, zum ersten Mal auf vollständig physikalische Art und Weise beschrieben werden.

Diese Arbeit dürfte entscheidend dazu beitragen, neue Beobachtungsdaten zu verstehen, mit deren Hilfe das Geheimnis der Natur der Dunklen Energie gelüftet werden soll. Dazu wird die Entwicklung der Zustandsgleichung der Dunklen Energie als Funktion der Rotverschiebung vermessen. Insbesondere steht die Ankunft der größten Galaxiendurchmusterungen, die je gemacht wurden, unmittelbar bevor, was enormes wissenschaftliches Potenzial für neue Entdeckungen verspricht. Experimente wie SDSSIII/BOSS oder PanSTARRS haben damit begonnen, den Himmel in beispiellosem Detail abzutasten, was die Genauigkeit der bereits vorhandenen kosmologischen Sonden erheblich verbessern wird. Zusammen mit theoretischen Bemühungen wie der jetzt durchgeführten Simulation werden diese Experimente wahrscheinlich neue Anforderungen an das Standard-Lambda CDM-Modell für die kosmologische Strukturentwicklung stellen und vielleicht sogar dazu führen, neue Physik zu entdecken.

Zur Redakteursansicht