Forschungsbericht 2011 - Max-Planck-Institut für Physik

Das CRESST-Experiment zur Suche nach Dunkler Materie

Autoren
Seidel, Wolfgang
Abteilungen
CRESST-Experiment
Zusammenfassung
Zahlreiche Hinweise deuten auf die Existenz der Dunklen Materie hin, deren Natur bis heute nicht geklärt werden konnte. Experimente zum direkten Nachweis der Dunklen Materie konzentrieren sich hierbei vor allem auf die Suche nach sogenannten WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles), der derzeit favorisierte Kandidat für die Dunkle Materie. Das CRESST-Experiment benutzt hierzu speziell für diesen Zweck entwickelte Detektoren. Eine erste Messperiode des CRESST-Experimentes wurde Mitte 2011 abgeschlossen. Die Ergebnisse könnten ein erster Hinweis auf die Existenz relativ leichter WIMPs sein.

Einleitung

Auf allen astrophysikalischen Größenskalen existieren sehr starke Hinweise auf die Existenz einer unbekannten Art von Materie, deren Gesamtmenge wesentlich größer ist als die Menge der uns bekannten "normalen" baryonischen Materie. Da diese Art von Materie, die vor allem durch ihre Gravitationswechselwirkung in Erscheinung tritt, elektromagnetische Strahlung weder emittiert noch absorbiert, wird sie auch Dunkle Materie genannt. Man nimmt zum Beispiel an, dass diese Dunkle Materie eine sphärische Halo um Galaxien bildet und so aufgrund ihrer Masse die radiale Abhängigkeit der Rotationsgeschwindigkeit der Galaxien verändert. Nur so können die beobachteten Rotationsgeschwindigkeiten verstanden werden die mithilfe der sichtbaren Materie alleine nicht erklärbar wären.

Trotz zahlreicher Versuche ist es bis jetzt noch nicht gelungen, diese Dunkle Materie direkt nachzuweisen. Eine der derzeit favorisierten Theorien geht davon aus, dass Dunkle Materie aus extrem schwach wechselwirkenden massiven Teilchen, sogenannten WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles), besteht. Die WIMPs wurden im frühen Universum thermisch erzeugt, sind stabil und kommen auf der Erde mit einer Dichte von ungefähr 0.3 GeV/cm3 vor. Die Masse eines WIMPs sollte ungefähr einige 10 GeV betragen und ist somit vergleichbar mit der Masse eines Atomkerns. Ein Kandidat für das WIMP wäre zum Beispiel das Neutralino, das in, über das Standardmodell hinausgehenden, supersymmetrischen Teilchenmodellen auftritt.

Neben der Gravitation erwartet man für solche Teilchen eine Wechselwirkung mit normaler Materie in Form einer elastischen Streuung an Kernen. Diese Wechselwirkung ist vergleichbar mit dem Stoß zweier Billardkugeln. Dabei wird eine Rückstoßenergie im Bereich von wenigen 10 keV auf den Kern übertragen. WIMPs können daher im Prinzip über eine Messung dieser Rückstoßenergie nachgewiesen werden. Die erwartete Rate ist jedoch nur äußerst gering und beträgt in einem Detektor mit 1 kg Masse nur einige Ereignisse pro Jahr. Im Vergleich hierzu liegt die durch natürliche Radioaktivität erzeugte Rate bei einigen Ereignissen pro Sekunde. Ein Experiment zur Suche nach WIMPs bedarf somit einer effektiven Abschirmung des radioaktiven Untergrundes, sehr empfindlicher Detektoren und einem Detektorkonzept das in der Lage ist, den Hauptteil des, trotz Abschirmung verbleibenden, radioaktiven Untergrundes von den interessanten WIMP Ereignissen zu unterscheiden.

Das CRESST-Experiment

Ziel des CRESST-(Cryogenic Rare Event Search with Superconducting Thermometers) Experimentes ist es, nach eben diesen WIMPs zu suchen. Zur Abschirmung der kosmischen Strahlung wird es 1.400 m unter der Erde im LNGS (Laboratori Nazionali del Gran Sasso) in den Abruzzen in Italien betrieben. Eine weitere Abschirmung aus 40 cm Polyethylen, 20 cm Blei und 14 cm Kupfer dient der Abschirmung der natürlichen Radioaktivität des umgebenden Felsgesteins. Innerhalb dieser Abschirmung wird ein speziell für diesen Zweck am MPI für Physik entwickelter und hergestellter Detektor betrieben. Dieser ist aus mehreren Modulen aufgebaut.

Ein Modul besteht im Wesentlichen aus einem szintillierenden Targetkristall aus Kalziumwolframat (CaWO4) mit aufgebrachtem Thermometer (Abb. 1). Die im Kristall durch einen Kernrückstoß oder Radioaktivität deponierte Energie führt zu einer kurzeitigen Temperaturerhöhung des Kristalls. Bei Zimmertemperatur sind diese Temperaturpulse jedoch so gering, dass sie vollkommen in den thermischen Fluktuationen des Kristall untergehen. Um sie dennoch messbar zu machen, kühlt man den Kristall auf etwa ein hundertstel Grad über dem absoluten Nullpunkt ab. Eine Energiedeponierung von einigen 10 keV führt so zu einer Temperaturerhöhung von typischerweise 10 Millionstel Grad. Die Temperaturerhöhung ist ein Maß für die deponierte Energie, die so mit Genauigkeiten im Prozentbereich gemessen werden kann.

Ein kleiner Bruchteil der im Kristall deponierten Energie wird als Szintillationslicht emittiert, das von einem separaten Lichtdetektor ebenfalls kalorimetrisch gemessen wird. Der Lichtdetektor besteht aus einer mit Silizium beschichteten Saphirscheibe auf die ein Thermometer aufgebracht wurde. Die Ausbeute an Szintillationslicht hängt hierbei stark von der Art der im Detektorkristall wechselwirkenden Teilchen ab. Für β- oder γ-Strahlung, die den dominanten Untergrund verursachen, werden etwa 1% der Energie als Szintillationslicht im Lichtdetektor registriert. Werden bei der Wechselwirkung jedoch Kernrückstöße erzeugt, wie dies für Neutronen oder WIMPS der Fall ist, ist die Menge des hierbei erzeugten Szintillationslichts wesentlich geringer und von der Art des Rückstoßkerns abhängig. Rückstöße an den Sauerstoffkernen des CaWO4-Kristalls erzeugen in etwa 10 mal weniger, Rückstöße an Wolframkernen sogar 25 mal weniger Szintillationslicht als ein γ-Quant derselben Energie. Das direkte Signal des Thermometers auf dem CaWO4-Kristall ermöglicht eine präzise Bestimmung der Energie, das Lichtsignal eine Unterscheidung der Teilchenart.

Abbildung 2 zeigt ein CRESST-Detektormodul. Der CaWO4-Kristall besitzt einen Durchmesser von 4 cm und hat, bei einer Höhe von 4 cm, eine Masse von 300 Gramm. Er wird von versilberten Bronzeklammern gehalten. Um eine Lichtsammlung zu ermöglichen ist der Halter mit einer reflektierenden Folie ausgekleidet. Im CRESST-Aufbau können 33 dieser Module untergebracht werden (Abb. 3).

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