Forschungsbericht 2007 - Max-Planck-Institut für Radioastronomie

Der innere Jet der Radiogalaxie M87

Autoren
Kovalev, Yuri
Abteilungen
Zusammenfassung
Ein neues Radiobild des inneren Jets der Radiogalaxie M87 wurde am Max-Planck-Institut für Radioastronomie erstellt. Es ist beispiellos in seiner Kombination von Empfindlichkeit und räumlicher Auflösung und liefert daher Details bis hinunter zu einer Größe von nur drei Lichtmonaten. Es zeigt einen hoch-kollimierten Jet, der an seinen Rändern aufgehellt erscheint, als auch einen schwachen Gegenjet. Beides wird im Rahmen aktueller theoretischer Modelle analysiert.

M87 - die zentrale Galaxie im Virgohaufen in einer Entfernung von nur 50 Millionen Lichtjahren - wurde mit der Technik der Very Long Baseline Interferometrie (VLBI) bei einer Wellenlänge von 2cm untersucht. Die Beobachtungen wurden mit dem Very Long Baseline Array (VLBA) des NRAO (National Radio Astronomy Observatory) durchgeführt, bestehend aus 10 nordamerikanischen Radioteleskopen einschließlich Hawaii und den Jungferninseln als auch einer zusätzlichen Antenne des ,Very Large Array’ (VLA) nahe Socorro in New Mexico. Das resultierende Radiobild zeigt Details hinunter bis zu einer Auflösung von einer Millibogensekunde, was einer linearen Auflösung von gerade mal drei Lichtmonaten entspricht. Die neue Aufnahme des inneren Radiojets von M87 zeigt sowohl einen hoch-kollimierten Jet, der an seinen Rändern aufgehellt erscheint, als auch einen Gegenjet (Abb. 1).

Die im Radiojet sichtbare zentrale „Lücke“ ist konsistent mit der Anwesenheit eines schnellen inneren Plasmajets, welcher vom Beobachter weg abgestrahlt wird und von einem sich langsamer Bewegenden äußeren Plasma umgeben ist. Der schnelle, innere Bereich („spine“) solcher Jets mit zwei Strömungsgeschwindigkeitsgradienten kann Emission im Gamma-Bereich durch inverse Comptonstreuung der Radiophotonen einer umgebenden Schicht oder Hülle verursachen. Variable Strahlung von M87 bei sehr hohen Energien (100 GeV - 10 TeV) wurde kürzlich von der H.E.S.S.-Kollaboration unter Benutzung eines Arrays von vier Cherenkov-Teleskopen in Namibia detektiert. Das gemessene, große Jet-zu-Gegenjet Flussdichteverhältnis bedingt einen sehr schnellen Hauptplasmafluss innerhalb des Jets mit einer intrinsischen Geschwindigkeit nahe der Lichtgeschwindigkeit.

M87 ist eine sehr massive Galaxie (2 bis 3 x 1012 Sonnenmassen) und das zentrale Objekt im Virgo-Galaxienhaufen in einer Entfernung von nur 16 Megaparsek. In M87 wurde die astronomisch erste jet-artige Struktur überhaupt gefunden, welche dem zentralen Kern einer Galaxie entspringt: Im Jahre 1918 war es der US-Astronom Heber Curtis, der als Erster einen nuklearen Jet mit einer Ausdehnung von mindestens 5.000 Lichtjahren vom Zentrum von M87 entdeckte. Diese Galaxie stellt auch eine der frühen Quellen dar, in denen extrem starke Radiostrahlung gefunden wurde. John Bollton und seine Kollegen in Australien benutzten im Jahre 1949 das ,sea cliff Interferometer’ in Sydney um die starke Radioquelle Virgo A mit der Galaxy M87 zu identifizieren. Anschließend schlug Walter Baade im Jahre 1956 Synchrotronstrahlung als Ursprung des radio-optischen Jets vor.

Die Energie solcher gewaltigen Radiogalaxien hat ihren Ursprung in deren „zentralen Maschine“. Aktive Galaxienkerne (AGNs) bestehen vermutlich aus einem sehr massiven Schwarzen Loch im Zentrum einer Galaxie - im Fall von M87 ein Schwarzes Loch mit ca. 3 X 109 Sonnenmassen. Eine Gasscheibe, die schnell um das Zentrum rotiert (Akkretionsscheibe), „füttert“ das Schwarze Loch und Materie wird vom Kern ausgehend senkrecht zur Scheibe in sog. Jets ausgestoßen.

Vom theoretischen Standpunkt aus hat schon der russische Astrophysiker Iosif Shklovsky im Jahre 1964 argumentiert, dass solche Jets in mächtigen Radiogalaxien, welche die großräumigen Doppelstrukturen („radio lobes“) in Quellen wie Cygnus A oder Virgo A füttern, wahrscheinlich intrinsisch zweiseitig sind. Shklovsky schlug vor, dass das Auftreten von oft einseitig beobachteten Jets auf relativistische Dopplerverstärkung zurückzuführen ist. Diese verstärkt die Leuchtkraft des auf den Beobachter zugerichteten Jets. Die neuen Beobachtungen von M87 bestätigen in der Tat die Existenz einer schwächeren Gegenjet-Struktur und liefern daher einen Beweis für Shklovsky's theoretische Annahme.

Der nächste Schritt in der neuen Studie wird für 2008 erwartet, wo sehr „tiefe“ VLBI-Beobachtungen des Jets in M87 mit der Beteiligung des MPI 100-m Radioteleskopes in Effelsberg geplant sind. Diese Beobachtungen werden transatlantische Basislinien zu den VLBA-Teleskopen bereitstellen und sowohl die räumliche Auflösung, als auch die Empfindlichkeit erhöhen. Dadurch wird eine noch detailliertere Radiokarte von M87 erwartet.

Originalveröffentlichungen

Kovalev, Y.Y., M. L. Lister, D. C. Homan and K. I. Kellermann:
The Inner Jet of the Radio Galaxy M87
Astrophysical Journal Letters 668, 27-30 (2007).
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