Genom des Schneckenklees entschlüsselt

Verdopplung des Genoms dient der Pflanze als Sicherheitskopie

17. November 2011

Der Schneckenklee ernährt sich im wahrsten Sinn des Wortes von Luft: Er holt sich mit Hilfe von Bakterien den Stickstoffdünger aus der Atmosphäre. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universität Bonn und des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln hat das Genom dieser Pflanze sequenziert, um die Gene zu finden, die für ihre besondere Fähigkeit verantwortlich sind. Eine Verdopplung des Genoms vor etwa 58 Millionen Jahren scheint entscheidend für die Ausprägung dieser nützlichen Eigenschaft gewesen zu sein.

Der Schneckenklee Medicago truncatula hat wie andere Hülsenfrüchtler eine ganz besondere Fähigkeit: Er holt sich den Stickstoffdünger, den er braucht, aus der Luft. Dabei helfen ihm Bakterien (Rhizobien), die in speziellen Knöllchen an der Pflanzenwurzel leben. „Diese Mikroorganismen haben die Fähigkeit, den Luftstickstoff zu binden und für den Schneckenklee verfügbar zu machen“, sagt Heiko Schoof vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz der Universität Bonn. Der Schneckenklee und die Rhizobien profitieren beide von der Lebensgemeinschaft: Die Pflanze erhält den begehrten Stickstoffdünger und kann dadurch auch auf nährstoffarmen Standorten gedeihen, die Bakterien werden durch Ausscheidungen der Kleewurzel angelockt und ernährt.

Schon seit langem fragt sich die Wissenschaft, warum die meisten Hülsenfrüchtler (Fabaceae) über Stickstoff bindende Wurzelknöllchen verfügen, während die meisten anderen Pflanzenfamilien allein auf die Nährstoffe im Boden angewiesen sind. Ein internationales Team aus 30 Wissenschaftlern unter Beteiligung der Universität Bonn und des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln hat deshalb nun das Erbgut des Schneckenklees genauer untersucht. „Bei der Sequenzierung der Gene von Medicago truncatula entdeckten wir etliche Erbgutabschnitte, die sich sehr ähnlich sind und gleich zweifach vorliegen“, sagt der Bioinformatiker Schoof von der Universität Bonn, der als Gastforscher auch am Max-Planck-Institut in Köln arbeitet. „Wir haben klare Hinweise darauf, dass sich vor etwa 58 Millionen Jahren das Erbgut der Pflanze verdoppelt hat.“ Solche Dopplungen konnten etwa bereits auch bei der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) festgestellt werden. Im Schneckenklee, wie die Forscher nun fanden, stehen aber besonders viele doppelt vorliegende Gene im Zusammenhang mit den Stickstoff bindenden Wurzelbakterien.

Solche Genomduplikationen werden - nicht nur in Pflanzen - häufiger beobachtet. Wie sie genau entstehen, ist noch nicht geklärt. „Was zunächst wie ein Unfall klingt, hat für den Schneckenklee aber klare Vorteile“, sagt der Bioinformatiker. Ein Erbgutsatz steht dann der Evolution zur Verfügung und kann durch Veränderung neue Anpassungen an die Umwelt hervorbringen. Der zweite erfüllt dann quasi die Funktion einer Sicherungskopie. Falls die Veränderung eines Proteins seine ursprüngliche Funktion zerstört, kann diese von der „Sicherungskopie“ weiter erfüllt werden. Das veränderte Protein bleibt dann erhalten, falls seine neue Funktion vorteilhaft ist. Das Team des Bioinformatikers der Universität Bonn, der zuvor am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung eine Nachwuchsgruppe leitete, prognostizierte insbesondere die Funktionen der einzelnen Gene. „Wir vergleichen die Gensequenzen mit bekannten Proteinen“, berichtet Schoof.

Diese Proteine kommen aus verschiedenen Organismen und wurden auf ihre Funktion untersucht. „Ein solches Protein kann zum Beispiel ein Enzym sein, das im Organismus einen ganz bestimmten Stoff umwandelt“, sagt der Bioinformatiker. Mit seiner Gruppe arbeitet er an Methoden, um solche bekannten Proteinfunktionen auf unbekannte Sequenzen zu übertragen. „Im Lauf der Evolution verschwinden viele duplizierte Gene relativ schnell, sie sind nicht notwendig für das Überleben der Pflanze“, berichtet Schoof. „Hauptsächlich Duplikate, die eine neue Funktion oder Rolle entwickeln, bleiben erhalten.“ Die Wissenschaftler fragten sich anhand der vorhergesagten Proteinfunktionen, ob im Schneckenklee bestimmte Proteine bevorzugt verdoppelt vorliegen. Dies kann Hinweise geben, welche Funktionen eine nützliche Anpassung darstellten – so wie beim Schneckenklee die Fähigkeit, Stickstoff bindende Bakterien einzubauen.

„Die Studie gibt uns tiefe Einblicke, wie Pflanzen solche besonderen Eigenschaften erwerben“, sagt der Bioinformatiker. Noch handelt es sich um Grundlagenforschung. „Stickstoff ist von Anfang an ein entscheidender Faktor in der landwirtschaftlichen Nutzung von Pflanzen gewesen“, sagt Schoof. „Für die Steigerung von Erträgen und die Nachhaltigkeit, beispielsweise die Entstehung von klimaschädlichen Gasen, kann die Verbesserung der Effizienz der Stickstofffixierung einen wesentlichen Beitrag leisten.“ Das Erbgut des Schneckenklees stellt dabei eine entscheidende Referenz dar, welche die Forschung in verschiedenen, vor allem auch landwirtschaftlich bedeutenden Hülsenfrüchtlern erleichtert.

JS/HR

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