Furioses Finale

Eine Supernova ist kein neuer Stern, wie der Name suggeriert. Vielmehr verbirgt sich hinter einer solchen Explosion eine Sonne, die schon länger existierte. Je nach zeitlicher Entwicklung der Helligkeit und den spektralen Eigenschaften unterscheiden die Astrophysiker zwischen mehreren Arten von Supernovae. Und auch die Mechanismen der Explosionen sind verschieden, im Detail jedoch noch nicht verstanden.

Am Garchinger Max-Planck-Institut für Astrophysik arbeitet die Gruppe um Direktor Wolfgang Hillebrandt, Hans-Thomas Janka und Friedrich Röpke daran, die Hintergründe solcher kosmischen Katastrophen aufzuklären. Grob lassen sich die Szenarien folgendermaßen beschreiben:

Bei den Supernovae vom Typ Ia kreisen zwei Sterne eng umeinander: Ein weißer Zwerg, die Leiche eines alten Sterns, zieht in einem Doppelsystem von seinem Partner gierig Materie ab. Die Zufuhr dieser „Kraftnahrung“ erweckt den weißen Zwerg wieder zum Leben. Ist er überfüttert, erreicht er eine kritische Masse (Chandrasekhar-Grenze). Jetzt wird er instabil und beginnt, sich zusammenzuziehen. Diese Kontraktion setzt gravitative Energie frei, die den Stern erhitzt. Als Folge zünden in seinem Innern Kohlenstoff und Sauerstoff, in nuklearen Brennreaktionen entstehen Silizium und Nickel. Schließlich durchläuft eine Verbrennungswelle als Detonations- oder Deflagrationsfront die Gaskugel – der Stern „geht hoch“.

Hinter den anderen Arten von Supernovae, die häufigsten gehören zum Typ II, steckt die Explosion eines Einzelsterns von mindestens acht Sonnenmassen. Nachdem dieser Stern am Ende seines Lebens den zentralen Vorrat an Wasserstoff und Helium verbraucht hat, zündet in seinem Kern Kohlenstoff – die Asche des Heliumfeuers. Die Temperaturen klettern auf eine Milliarde Grad Celsius. Neutrinos entstehen in großer Zahl. Schließlich produziert der Stern im Zeitraum von wenigen Jahren immer schwerere Elemente: Neon, Sauerstoff, Silizium und schließlich Eisen. Dann ist Schluss, denn Eisenatome lassen sich nicht weiter fusionieren. Der Reaktor erlischt.

Der Kern des Sterns besitzt mittlerweile eine Masse nahe der Chandrasekhar-Grenze, seine Dichte ist auf 10000 Tonnen pro Kubikzentimeter gestiegen. Elektronen werden in die Protonen gequetscht und bilden Neutronen. Dadurch sinkt der Druck im Innern des Kerns, der dadurch im Bruchteil einer Sekunde zu einem noch 10000-fach dichteren Objekt kollabiert: einem Neutronenstern. Die Materie in dessen Zentrum setzt dem weiteren Zusammendrücken einen hohen Widerstand entgegen. Auf diesen harten Neutronenstern prallt mit Überschallgeschwindigkeit die von weiter außen nachfallende Sternmaterie – was nicht lange gut geht: Eine Stoßwelle läuft von innen nach außen und reißt die Gashülle mit sich. Der Stern birst und leuchtet plötzlich milliardenfach heller als zuvor.

In der ausgeschleuderten Materie entstehen durch Atomkernreaktionen große Mengen radioaktiven Materials (hauptsächlich Nickel), aber auch Isotope von Kobalt und Titan. Außerdem herrschen in der Supernovaexplosion extreme Bedingungen, bei denen aus Atomkernen der Eisengruppe durch sukzessiven Einfang von Alphateilchen (Heliumkernen) sowie freien Neutronen und Protonen schwere Elemente wie Gold, Blei oder Uran hervorgehen. Wegen der extrem schnellen Anlagerung von Nukleonen an bestehende Atomkerne heißen diese Wege der Nukleosynthese r-Prozess (von englisch rapid, schnell) beim Neutroneneinfang und rp-Prozess beim Protoneneinfang.

Tief im Innern einer Supernova sitzt der Neutronenstern: ein kompaktes Objekt mit nur 20 bis 30 Kilometer Durchmesser und der eineinhalbfachen Masse unserer Sonne. Weil beim Kollaps des rotierenden stellaren Kerns der Drehimpuls erhalten bleibt, dreht sich der Neutronenstern rasend schnell. Ständig verlassen Teilchen seine Oberfläche und werden in seinem starken Magnetfeld beschleunigt. Dabei senden sie in zwei Kegeln sogenannte Synchrotronstrahlung aus. Überstreicht dieser kosmische Leuchtturm die Erde, blinkt der Stern im Rhythmus von Millisekunden bis Sekunden – die Astronomen beobachten einen Pulsar.

Der Tod eines Sterns mit mehr als 30 Sonnenmassen hinterlässt ein noch extremeres Objekt. Der stellare Kern ist so massereich, dass sich der Kollaps nicht mehr aufhalten lässt: Die ausgebrannte Neutronenkugel kann nicht stabilisiert werden und stürzt unter der eigenen Schwerkraft in sich zusammen. Ein solches Gebilde besitzt eine derart gewaltige Gravitation, dass nicht einmal Licht es zu verlassen vermag: Ein schwarzes Loch ist entstanden.

Die Explosionstrümmer von Supernovae formen im Weltall leuchtende, teilweise bizarre Gasnebel, die mit schweren Elementen angereichert sind. Im Lauf der Zeit vermischen sie sich mit der interstellaren Materie – aus der wieder neue Sterne entstehen können: Der Kreislauf der Elemente beginnt von vorn.

Helmut Hornung

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