Forschungsbericht 2007 - MPI für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht

Der Schutz geistigen Eigentums durch völkerrechtliche Investitionsverträge

Autoren
Klopschinski, Simon
Abteilungen

Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht (Prof. Dr. Dres. h.c. Joseph Straus)
MPI für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, München

Zusammenfassung
Im herkömmlichen Völkerrecht können Unternehmen nicht Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten sein. Dagegen erlauben es völkerrechtliche Investitionsabkommen einer ausländischen Firma, den Gaststaat vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen. Da auch geistiges Eigentum in den Anwendungsbereich völkerrechtlicher Investitionsverträge fällt, bieten diese Verträge Unternehmen einen Rechtsschutz, der ihnen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) nicht zusteht.

Welche Rechtsschutzmöglichkeiten stehen Unternehmen im Ausland zu?

Wird ein Unternehmen im Ausland aktiv, ist es grundsätzlich den dort geltenden Gesetzen unterworfen. Was das für Konsequenzen haben kann, musste vor Kurzem das schweizerische Pharmaunternehmen Novartis erfahren, das zurzeit mit dem indischen Staat einen Streit um sein Krebsmedikament Glivec führt, da es das indische Patentamt abgelehnt hat, für dieses Medikament ein Patent zu erteilen. Novartis ist der Auffassung, die Entscheidung der indischen Behörden widerspreche den völkerrechtlichen Verpflichtungen Indiens aus dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPs, Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights), das im Rahmen der WTO abgeschlossen wurde. Momentan ist nicht zu erwarten, dass die Schweiz Novartis Anliegen in der WTO aufgreifen würde. So bleibt der schweizerische Pharmahersteller weiterhin auf den indischen Rechtsschutz beschränkt und kann sich nicht in einem externen Forum gegen die Maßnahmen des indischen Staates wenden.

Mehr Glück als Novartis hatte das niederländische Elektronikunternehmen Philips. Im Jahr 2004 erließ das taiwanesische Patentamt Zwangslizenzen für Patente, die Philips in Taiwan auf Erfindungen für Compact Discs besitzt. Das TRIPs enthält ausführliche Bestimmungen, die die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung von Zwangslizenzen regeln. Philips ist der Ansicht, Taiwans Verhalten verstoße in seinem Fall gegen diese Bestimmungen. Das Unternehmen hat sich daher mit seinem Anliegen an die Europäische Kommission gewandt, die die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in den Gremien der WTO vertritt, so wie es die gemeinsame europäische Außenhandelspolitik vorsieht. Die Kommission sah die Vorwürfe gegen Taiwan als so schwerwiegend an, dass sie Anfang 2007 ein sogenanntes Untersuchungsverfahren nach der europäischen Handelshemmnisverordnung eingeleitet hat, das am Ende in ein Streitbeilegungsverfahren vor der WTO münden kann.

Können Unternehmen auf der internationalen Ebene auch selbst die Initiative ergreifen?

Diese Fälle zeigen, dass ein Unternehmen grundsätzlich auf die Hilfe seines Heimatstaates angewiesen ist, wenn es im Ausland durch das Verhalten des Gaststaates einen Schaden erleidet und Rechtsschutz jenseits der Behörden und Gerichte des Gaststaates sucht. Denn die die WTO und das TRIPs sind Teil der völkerrechtlichen Rechtsordnung, die sich grundsätzlich nur an die Staaten wendet und in der Individuen und private Unternehmen nicht Träger von Rechten und Pflichten sein können. Erleidet ein Unternehmen im Ausland einen Schaden, etwa weil der Gaststaat gegen das TRIPs verstößt, hat der Gaststaat aus völkerrechtlicher Perspektive keine Pflichten gegenüber dem privaten Unternehmen verletzt. Er ist nur gegenüber den übrigen Mitgliedstaaten verantwortlich, die ihn vor den Streitbeilegungsorganen der WTO zur Verantwortung ziehen können. Im Gegensatz dazu ist das Unternehmen grundsätzlich auf die nationalen Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkt. Dabei besteht nicht nur die Gefahr, dass die Gerichte dem ausländischen Investor gegenüber voreingenommen sind. Für ein Unternehmen kann es auch unmöglich sein, sich vor den Gerichten des Gaststaates auf TRIPs zu berufen. Außerdem können nationale Gesetze – anders als das TRIPs – jederzeit durch einen einseitigen Akt des Gaststaates zulasten des ausländischen Unternehmens geändert werden.

Dass Individuen und private Unternehmen nicht Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten sein können, ist allerdings keine absolute Regel; es gibt einige Fälle, in denen Staaten von diesem Prinzip abgewichen sind. Diese Situation ist dann gegeben, wenn zwei Staaten in einem völkerrechtlichen Abkommen vereinbaren, dass ein Individuum oder ein Unternehmen von einem der Vertragsstaaten ein konkretes Verhalten verlangen kann und einer der Akteure diese Verpflichtung in einem völkerrechtlichen Verfahren gegenüber dem verpflichteten Staat durchsetzen kann.

Ein bekanntes Beispiel für eine solche Vereinbarung sind völkerrechtliche Investitionsverträge. Darin verpflichten sich die Vertragsstaaten, private Investoren aus dem anderen Vertragsstaat und ihre Investitionen angemessen zu behandeln. Verstößt der Gaststaat gegen diese Verpflichtungen, sehen viele völkerrechtliche Investitionsverträge einen Streitbeilegungsmechanismus vor. Dieser erlaubt es dem privaten Investor den Gaststaat unter Berufung auf den völkerrechtlichen Investitionsvertrag vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen, ohne auf die Mithilfe seines Heimatstaates angewiesen zu sein. Im Gegensatz zur nationalen Rechtsordnung des Gaststaates kann der Investitionsvertrag nur im Einverständnis mit dem anderen Vertragsstaat abgeändert werden. Daher steht dem privaten Investor nicht nur ein exterritoriales Schiedsgericht für sein Anliegen zur Verfügung; er kann sich außerdem auf Rechtsvorschriften berufen, die dem einseitigen Zugriff des Gaststaates entzogen sind.

Der erste völkerrechtliche Investitionsvertrag wurde 1959 zwischen Deutschland und Pakistan abgeschlossen. Während in der Zeit des Ost-West-Konflikts nur wenige neue Abkommen hinzukamen, stieg die Zahl nach 1990 explosionsartig an und belief sich im Jahr 2005 auf 2.495 Verträge weltweit.

In was für einem Verhältnis stehen völkerrechtliche Investitionsverträge und Rechte des geistigen Eigentums?

Vergleicht man das TRIPs mit einem völkerrechtlichen Investitionsvertrag, stellt man fest, dass beide Abkommen vollkommen unterschiedlichen Regelungsansätzen folgen. Das TRIPs enthält detaillierte Regelungen, die die Mitgliedstaaten verpflichten, ihre nationalen Immaterialgüterrechtsordnungen auf eine bestimmte Weise auszugestalten. Dagegen schreibt ein Investitionsvertrag in einigen allgemein gehaltenen Artikeln dem Gaststaat vor, wie er Investoren aus dem anderen Vertragsstaat und deren Investitionen zu behandeln hat. Eine wichtige Regelung ist unter anderem das Recht des Investors auf adäquate, sofortige und effektive Entschädigung für den Fall der Enteignung. Verstößt der Gaststaat gegen diese Regelung, kann ihn der ausländische Investor vor einem internationalen Schiedsgericht verklagen.

Der Überschneidungspunkt zwischen völkerrechtlichen Investitionsverträgen und Rechten des geistigen Eigentums ist der in den investitionsrechtlichen Abkommen benutzte Begriff der Investition. Er definiert den sachlichen Anwendungsbereich dieser Verträge und erfasst in der Regel auch Rechte des geistigen Eigentums. Spricht der völkerrechtliche Investitionsvertrag von Patenten, Urheberrechten und Marken, meint er grundsätzlich die durch das nationale Recht geschaffenen Ausschließlichkeitsrechte. Denn das Völkerrecht kennt keine selbstständige Eigentumsordnung und kann daher nicht herangezogen werden, wenn es darum geht, einem Individuum ein Ausschließlichkeitsrecht an einem Gegenstand zuzubilligen.

Definiert ein völkerrechtlicher Investitionsvertrag Rechte des geistigen Eigentums als Investition, sind auch die oben erwähnten Verpflichtungen des Vertrages auf diese Rechte anwendbar. In diesem Fall darf ein Patent nur gegen adäquate, sofortige und effektive Entschädigung enteignet werden. Dabei erfasst der Begriff der Enteignung nicht nur eine unmittelbare Titelübertragung vom enteigneten Inhaber auf den Staat oder einen Dritten. Es kann sich auch um Maßnahmen des Gaststaates handeln, bei denen der Titel beim ursprünglichen Eigentümer verbleibt, die getroffenen Maßnahmen aber zu einer Situation führen, die einer Enteignung gleichkommt. So könnte Philips die Zwangslizenzen der taiwanesischen Regierung kraft eines völkerrechtlichen Investitionsvertrages der Kontrolle eines internationalen Schiedsgerichts unterwerfen.

Die Frage, in welchem Verhältnis völkerrechtliche Investitionsverträge zu TRIPs und vergleichbaren Abkommen stehen, ist Teil der völkerrechtlichen Diskussion über die „Fragmentierung des internationalen Rechts“, zu der sich kürzlich die International Law Commission der UNO geäußert hat. Zwei Normen sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Zum einen gestattet es Art. 1 Abs. 1 Satz 2 TRIPs den Mitgliedstaaten, einen über TRIPs hinausgehenden Schutz zu gewähren, solange dieser Schutz nicht gegen die Vertragsbestimmungen des TRIPs verstößt. Andererseits sind gemäß Art. 31 Abs. 3 lit. c) der Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969, die den Abschluss und die Auslegung völkerrechtlicher Verträge regelt, völkerrechtliche Bestimmungen nach den übrigen Völkerrechtssätzen auszulegen, die zwischen den Vertragsparteien gelten.

Bisher ist noch keine schiedsgerichtliche Entscheidung aufgrund eines völkerrechtlichen Investitionsvertrages zum geistigen Eigentum ergangen. Dies mag mit der generellen Rechtsunsicherheit zusammenhängen, die dem noch sehr jungen Rechtsgebiet des internationalen Investitionsschutzes anhaftet. Allerdings existieren bereits einige Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, in denen sich der Gerichtshof zur Bedeutung der Eigentumsfreiheit für Immaterialgüterrechte äußert, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistet sind. Da sowohl die Europäische Menschenrechtskonvention als auch völkerrechtliche Investitionsverträge Individuen und Unternehmen als Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten anerkennen, können die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Eigentumsfreiheit zumindest als Anhaltspunkte bei der Anwendung völkerrechtlicher Investitionsverträge dienen.

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