Forschungsbericht 2008 - Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft

Aufklärung der Struktur von Metallclustern durch Schwingungsspektroskopie

Autoren
Fielicke, André; Meijer, Gerard
Abteilungen

Molekülphysik (Prof. Dr. Gerard Meijer)
Fritz-Haber-Institut der MPG, Berlin

Zusammenfassung
Eine neue Methode der Infrarot-Spektroskopie erlaubt es, Einblicke in die atomare Struktur von Clustern, bestehend aus nur wenigen Metallatomen, zu gewinnen.

Einleitung

Fein verteilte Materie hat oft überraschende Eigenschaften, die nur wenig mit dem bekannten Verhalten von makroskopischen Stoffen gemeinsam haben. Ein Beispiel ist die rote Farbe von Gold-Rubinglas, die von winzigsten Goldpartikeln hervorgerufen wird. Der Unterschied zum gold-gelben Schein des massiven Metalls wird hier augenscheinlich. Einen Zusammenhang zwischen der Größe, oder besser Winzigkeit, der Metallteilchen und der Färbung folgerte bereits Michael Faraday aus seinen experimentellen Untersuchungen an kolloidalen Lösungen von Gold und anderen Metallen. Eine spätere elektronenmikroskopische Untersuchung offenbarte eine Größe der Goldteilchen von nur wenigen Nanometern in den von Faraday hergestellten Lösungen [1]. Solche Metall-Nanopartikel spielen heute in vielen Fällen eine wichtige Rolle als aktiver Bestandteil heterogener Katalysatoren. Einerseits wird durch die feine Verteilung die für die katalytische Wirkung wesentliche Metalloberfläche extrem vergrößert, andererseits können wiederum neue chemische Eigenschaften beobachtet werden. Auch hier findet man einen krassen Gegensatz zwischen dem eigentlich reaktionsträgen Edelmetall Gold und dessen Verhalten in feinster Verteilung als Gold-Nanopartikel. Diese erweisen sich, in geeigneter Weise auf bestimmten Trägersubstraten (häufig Oxide von Eisen, Titan oder Cer) präpariert, als selektive Katalysatoren für Oxidationsreaktionen [2]. Erstaunlicherweise wirken die Nanogold-Katalysatoren auch bei niedrigen Temperaturen weit unter 0°C, bei denen konventionelle Oxidationskatalysatoren basierend auf z. B. Platin oder Palladium noch nicht aktiv sind. Die beste Aktivität zeigen Proben, welche hauptsächlich Goldpartikel von etwa 3 nm Durchmesser enthalten. Für einen Nanogold-Katalysator auf Eisenoxid als Trägermaterial wurde allerdings kürzlich mittels hochauflösender abberations-korrigierter Rasterelektronenmikroskopie nachgewiesen, dass nicht diese Nanopartikel entscheidend sind, sondern das Vorhandensein noch kleinerer Cluster aus etwa 10 Atomen [3]. Diese liegen nur in geringer Zahl vor und konnten mit den bisher verfügbaren Techniken nicht entdeckt werden. Interessanterweise wurde auch in Experimenten, bei denen gezielt kleine Goldcluster bekannter Größe untersucht wurden, ein starker Anstieg der katalytischen Aktivität ab einer Größe von etwa 8 Goldatomen gefunden [4].
Die genannten Beispiele illustrieren die dramatischen Änderungen von optischen Eigenschaften und chemischem Verhalten beim Erreichen der Nanoskala. Die Eigenschaften unterscheiden sich jedoch nicht nur von denen der ausgedehnten makroskopischen Stoffe, sondern variieren auch stark mit der Größe der Nanopartikel. Insbesondere für kleine Nanopartikel (Cluster), bestehend aus nur wenigen Atomen bis zu einigen Hundert Atomen) können fundamentale Änderungen bereits bei Größenunterschieden von nur einem einzelnen Atom beobachtet werden. Diese größenspezifischen Änderungen der Eigenschaften spiegeln die Entwicklungen in den elektronischen und geometrischen Strukturen beim Wachstum der Cluster wider. Daher liegt ein Schwerpunkt der (experimentellen) Untersuchung von Clustern darin, detaillierte strukturelle Informationen zu gewinnen.

Fern-Infrarot-Mehrphotonen-Dissoziationsspektroskopie

Infrarot(IR)-Schwingungsspektroskopie ist eine klassische analytische Methode der Strukturbestimmung von Molekülen und kann auch Informationen über die Anordnung der Atome in Clustern sowie über die zwischen den Atomen wirkenden Kräfte liefern. Metallcluster waren für entsprechende Untersuchungen bisher kaum zugänglich, da sie einerseits nur in sehr geringer Zahl in der Gasphase erzeugt werden können, andererseits stets eine Verteilung verschiedener Clustergrößen vorliegt. Die von Mitarbeitern des Fritz-Haber-Instituts angewandte Methode der Fern-Infrarot-Mehrphotonen-Dissoziation erlaubte erstmalig die Bestimmung der spezifischen Fern-IR-Spektren von Metallclustern verschiedener Größe [5]. Der Nachweis des Absorptionsprozesses gelang durch die Untersuchung von Änderungen in der Clusterverteilung bei Bestrahlung mit intensiver IR-Strahlung mittels Massenspektrometrie. Hierzu werden zunächst schwach gebundene Komplexe der Metallcluster mit Edelgasatomen erzeugt. Bei Bestrahlung mit intensiver, monochromatischer IR-Strahlung können Cluster, sofern die Frequenz der Strahlung in Resonanz mit einem IR-aktiven Schwingungsübergang ist, ein oder mehrere IR-Photonen absorbieren. Der Cluster-Edelgas-Komplex heizt sich auf und das Edelgasatom kann abdampfen (Abb. 1 links). Dieser Prozess äußert sich in einer Abnahme der Intensität des Cluster-Komplexes im Massenspektrum und erlaubt die Bestimmung des clustergrößenspezifischen IR-Schwingungsspektrums. Im Idealfall ändert das Edelgasatom die Struktur des Clusters nicht und dient lediglich als Bote für die Absorption. Der Vergleich der experimentell bestimmten Spektren mit durch quantenchemische Methoden für verschiedene Atomanordnungen berechneten Spektren erlaubt die Identifikation der Struktur des Metallclusters (Abb. 1 rechts).

Als Quelle intensiver IR-Strahlung zur Anregung der Metallclusterschwingungen dient der Freie-Elektronen-Laser für Infrarot Experimente „FELIX“ am FOM Institute for Plasma Physics Rijnhuizen in Nieuwegein in den Niederlanden. Dieser erzeugt intensive durchstimmbare IR-Strahlung mit Wellenlängen zwischen etwa 3 µm und 250 µm (Frequenzbereich: 40–3700 cm-1). Kommerzielle Laser mit der nötigen Intensität stehen im Bereich der Metallclusterschwingungen (Fern-IR, 20–200 µm) nicht zur Verfügung. Diese Untersuchungen zur Fern-IR-Mehrphotonen-Dissoziation können daher bisher ausschließlich mit FELIX ausgeführt werden.

Metallcluster

Mit der beschriebenen Methode konnten z. B. die Strukturen von kleinen Clustern der Übergangsmetalle Vanadium, Niob und Tantal bestimmt werden. Diese drei Metalle bilden im Periodensystem der Elemente eine gemeinsame Gruppe und ähneln sich in vielen ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften. Es ist daher nicht überraschend, dass sich auch die aus ihnen gebildeten Metallcluster sehr ähnlich sehen [5-7]. Kleine Goldcluster bevorzugen allerdings grundlegend andere Geometrien und die eingangs beschriebenen, interessanten katalytischen Eigenschaften könnten durch ihre spezielle Struktur hervorgerufen werden. Zum Beispiel konnte gezeigt werden, dass in positiv geladenen Goldclustern nur solche Goldatome mit Kohlenstoffmonoxid reagieren, die eine besonders geringe Anzahl von Nachbaratomen im Cluster haben [8]. In „normalen“ Goldoberflächen fehlen derartige Atome, sie reagieren mit Kohlenstoffmonoxid nicht. Mittels Fern-Infrarot-Mehrphotonen-Dissoziationsspektroskopie konnten nun erstmals Einblicke in die Struktur neutraler, d. h. nicht elektrisch geladener, Goldcluster gewonnen werden. Beispiele für die Strukturen und den Einfluss der elektrischen Ladung zeigt Abbildung 2. Cluster aus sieben Goldatomen sind 2-dimensional flach, unabhängig vom Ladungszustand. Das Kation, also der einfach positiv geladene Cluster, bildet ein kompaktes Sechseck. Der neutrale Cluster wird aus einem Dreieck aus sechs Atomen mit einer zusätzlichen Ecke geformt. Das Anion, der negativ geladene Cluster, ähnelt einem vierzähnigen Stern dem eine Ecke fehlt. Mit Zunahme der Elektronendichte am Cluster, also vom Kation über den neutralen Cluster hin zum Anion, verringert sich die mittlere Zahl der nächsten Nachbarn eines Atoms; die Struktur wird offener. Bei größeren Clustern beginnt das Wachstum in die dritte Raumdimension. Für Cluster aus 19 und 20 Goldatomen erweisen sich die experimentellen IR-Spektren als besonders einfach, was auf das Vorliegen von hochsymmetrischen Strukturen hindeutet. Tatsächlich bildet Au20 ein perfektes Tetraeder, dem in Au19 lediglich eine Spitze fehlt. Beide Strukturen gleichen schon fast Ausschnitten aus dem Kristallgitter von Gold [9].

Cluster-Carbonyl-Verbindungen

Die IR-Mehrphotonen-Dissoziationsspektroskopie kann auch angewandt werden, um die Wechselwirkung von Molekülen mit Metallclustern zu untersuchen und dadurch Informationen über das chemische Verhalten zu gewinnen. Hierzu werden durch IR-Strahlung Schwingungen angeregt, welche charakteristisch für die chemisch gebundenen Spezies sind. Häufig sind das interne Molekülschwingungen, beim Kohlenstoffmonoxid (CO) z. B. die C–O-Streckschwingung. Der Nachweis einer solchen Schwingung in einem Reaktionsprodukt aus Metallcluster und CO lässt auf das Vorliegen einer intakten CO-Einheit schließen. Ein Fehlen ist Indiz für einen Bruch der C–O-Bindung, d. h. es liegen nur isolierte Kohlenstoff- und Sauerstoffatome auf der Clusteroberfläche vor. Im Fall des CO-Moleküls liefert die Lage der C–O-Streckschwingung im IR-Spektrum auch Einblicke in die Bindungsgeometrie. Bei Bindung des CO-Moleküls zu mehr als einem Metallatom wird die C–O-Bindung zunehmend geschwächt, entsprechend verschiebt sich die C–O-Streckschwingung zu niedrigeren Frequenzen. Für Rhodiumcluster können so, je nach deren Größe, verschiedene CO-Bindungstypen identifiziert werden (Abb. 3 links). Die Informationen über die CO-Bindungsgeometrien dienten zusammen mit weiteren spektroskopischen Details zur Aufklärung der Struktur von mit CO-Molekülen abgesättigten Metallclustern. Viele dieser relativ stabilen Cluster-Carbonyl-Verbindungen sind seit langem bekannt, allerdings gewöhnlich nur als neutrale Spezies. In den durchgeführten Experimenten wurden diese Cluster-Carbonyle als Kationen erzeugt. Abbildung 3 (rechts) zeigt zwei Beispiele für deren IR-Spektren und die abgeleiteten Strukturen. Rh6(CO)16+ ähnelt in der Struktur stark seiner gut bekannten neutralen Form mit vier den Metallkern überkappenden CO-Molekülen und zwölf weiteren, welche jeweils nur an ein einzelnes Metallatom gebunden sind. Rh3(CO)9+ ist in der neutralen Form nicht bekannt und hat eine ungewöhnliche propellerförmige Struktur [10].

Mit der vorgestellten IR-Mehrphotonen-Dissoziationsspektroskopie verfügen wir über eine vielseitige Methode zur Bestimmung der Struktur von Metallclustern und deren Komplexen mit kleinen Molekülen. Dadurch konnten in den letzten Jahren detaillierte Einsichten in die Wachstumsprozesse von Clustern sowie in chemische Reaktionen auf deren Oberfläche gewonnen werden. Da Metallcluster Modellcharakter für Reaktionszentren von heterogenen Katalysatoren haben, ist eine wichtige Motivation für die Untersuchungen, ein generelles Verständnis der Zusammenhänge zwischen der Struktur der Metallcluster und ihrem chemischen Verhalten zu erlangen. Man kann davon ausgehen, dass der für die Forschung am Fritz-Haber-Institut geplante, neu zu errichtende Infrarot-Freie-Elektronen-Laser zukünftig viele neue Impulse für dieses Forschungsgebiet liefert.

Weitere Informationen über den Freie-Elektronen-Laser FELIX finden sich unter:
www.rijnhuizen.nl/research/guthz/felix_felice

Originalveröffentlichungen

P.P. Edwards, J.M. Thomas:
Gold in a Metallic Divided State – From Faraday to Present-Day Nanoscience.
Angewandte Chemie International Edition 46, 5480-5486 (2007).
M. Haruta, T. Kobayashi, H. Sano, N. Yamada:
Novel Gold Catalysts for the Oxidation of Carbon Monoxide at a Temperature far Below 0°C.
Chemistry Letters 16, 405-408 (1987).
A.A. Herzing, C.J. Kiely, A.F. Carley, P. Landon, G.J. Hutchings:
Identification of Active Gold Nanoclusters on Iron Oxide Supports for CO Oxidation.
Science 321, 1331-1335 (2008).
A. Sanchez, S. Abbet, U. Heiz, W.-D. Schneider, H. Häkkinen, R.N. Barnett, U. Landman:
When Gold Is Not Noble: Nanoscale Gold Catalysts.
Jounal of Physical Chemistry A 103, 9573-9578 (1999).
A. Fielicke, A. Kirilyuk, C. Ratsch, J. Behler, M. Scheffler, G. von Helden, G. Meijer:
Structure determination of isolated metal clusters via far-infrared spectroscopy.
Physical Review Letters 93, 023401 (2004).
A. Fielicke, C. Ratsch, G. von Helden, G. Meijer:
The far-infrared spectra of neutral and cationic niobium clusters: Nb50/+ to Nb90/+.
The Journal of Chemical Physics 127, 234306 (2007).
P. Gruene, A. Fielicke, G. Meijer:
Experimental vibrational spectra of gas-phase tantalum cluster cations.
The Journal of Chemical Physics 127, 234307 (2007).
A. Fielicke, G. von Helden, G. Meijer, D.B. Pedersen, B. Simard, D.M. Rayner:
Gold cluster carbonyls: saturated adsorption of CO on gold cluster cations, vibrational spectroscopy and implications for their structures.
Journal of the American Chemical Society 127, 8416-8423 (2005).
P. Gruene, D.M. Rayner, B. Redlich, A.F.G. van der Meer, J.T. Lyon, G. Meijer, A. Fielicke:
Structures of Neutral Au7 , Au19, and Au20 Clusters in the Gas Phase.
Science 321, 674-676 (2008).
I. Swart, F.M.F. de Groot, B.M. Weckhuysen, D.M. Rayner, G. Meijer, A. Fielicke:
The Effect of Charge on CO Binding in Rhodium Carbonyls: From Bridging to Terminal CO.
Journal of the American Chemical Society 130, 2126-2127 (2005).
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