Die Zähmung des Lichts

Weiße Laserpulse mit gezielt gesteuertem Wellenverlauf ermöglichen in Zukunft eine umfangreiche Kontrolle von Elektronen im Mikrokosmos

8. September 2011

Wer auf Entdeckungstour in Atomen gehen will, muss schnell sein und sehr genau: Im Mikrokosmos bewegen sich Elektronen mit atemberaubenden Geschwindigkeiten und auf die Teilchen wirken zudem enorme Kräfte. Um Elektronen zu beobachten, sind daher ultrakurze Lichtpulse nötig. Will man die Teilchen zudem kontrollieren, muss man die Pulsstruktur manipulieren. Eine solche Manipulation hat jetzt erstmals ein Physiker-Team um Eleftherios Goulielmakis und Ferenc Krausz vom Labor für Attosekundenphysik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität München in Garching bewerkstelligt. Beteiligt an dem Projekt waren auch Wissenschaftler vom Center for Free-Electron Laser Science (DESY, Hamburg) und der King-Saud-Universität (Saudi-Arabien). Dabei verkürzten die Forscher unter anderem die Laserpulse im sichtbaren Licht zu Subzykluspulsen, die aus weniger als einer kompletten optischen Schwingung bestehen. Die Technik verspricht eine präzise Beobachtung und Steuerung von Elektronenbewegungen in Atomen und Moleküle.

Bewegungen von Elektronen gehen innerhalb von Attosekunden über die Bühne. Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer milliardstel Sekunde. Auf diesen Zeitskalen kann nur noch Licht mithalten. Aufgrund der schnellen Schwingung seines elektromagnetischen Feldes wirkt es wie eine Art Pinzette auf Elektronen und deren Bewegung und beeinflusst so deren Zusammenspiel. Die Zeit, in der das Licht moderner Laserquellen genau eine Schwingung aus einem Wellenberg und ein Wellental vollführt, beläuft sich auf rund 2,6 Femtosekunden. Eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer milliardstel Sekunde.

Aus diesem Grund ist Licht ein vielversprechender Kandidat für die Kontrolle von Bewegungen im Mikrokosmos. Aber bevor es soweit ist, müssen die Lichtfelder gezähmt werden, das heißt ihr Feld muss auf einer Zeitskala eines so genannten Subzyklus, der kürzer als eine komplette Schwingung ist, genau kontrolliert werden. Man muss die außergewöhnliche Pinzette also erst gezielt formen, damit sie sich für die Manipulation von Elektronen eignet.

Ein internationales Team um Eleftherios Goulielmakis und Ferenc Krausz am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) ist diesem Ziel nun einen Schritt näher zu kommen. Das Forscherteam baute in die Wellenform weißer Laserpulse kleinste Abweichungen des typischen Licht-Schwingungsverhaltens ein. Auf diese Weise haben die Wissenschaftler im sichtbaren Spektrum des Lichts erstmals so genannte isolierte Subzykluspulse erzeugt, die kürzer sind als eine vollständige Schwingung der Lichtwelle.

Extrem kurze, intensive Pulse mit neuer Wellenform

Um Lichtpulse auf einer Subzykus-Zeitskala zu kontrollieren, benötigt man weißes Laserlicht, das über alle Wellenlängen (Lichtfarben) vom nahen ultravioletten, über den sichtbaren bis hin zum nahen infraroten Anteil verfügt. Die Physiker erzeugten diese Lichtpulse erstmals und sendeten sie anschließend in einen neu entwickelten, so genannten Lichtfeldsynthetisator. Während ein Synthesizer, wie wir ihn aus der Musik kennen, akustische Wellen unterschiedlicher Töne generiert und diese überlagert, arbeitet der Lichtfeldsynthetisator mit optischen Lichtwellen. Der Apparat spaltet das einfallende weiße Laserlicht zunächst in einen roten, gelben und blauen Farbanteil auf. Anschließend setzen die Wissenschaftler die einzelnen farbigen Bestandteile des Lichts mit diesem Apparat wieder beliebig zusammen. Einige Komponenten des neuen Forschungsgerätes, wie Spiegel und ausgeklügelte Strahlteiler, wurden im Servicezentrum des Munich Centre for Advanced Photonics an der LMU entwickelt.

Mit dieser Technik haben die Wissenschaftler völlig neue Wellenverläufe in den einzelnen Pulsen generiert. Zudem haben sie die bis heute kürzesten Pulse im sichtbaren Bereich des Lichts erzeugt. Sie dauern nur 2,1 Femtosekunden. Zudem sind die Pulse intensiver als bisherige Femtosekunden-Lichtpulse im sichtbaren Spektrum, denn nun ballt sich die gesamte Energie des elektromagnetischen Feldes in einem winzigen zeitlichen Fenster. Damit wachsen aber auch die elektromagnetischen Kräfte der Pulse.

Es sind genau diese starken, spezifisch geformten, elektromagnetischen Kräfte, die man benötigt, um Elektronen zu kontrollieren. Sie gleichen denen, die in Atomen oder Molekülen herrschen. Doch wo starke Kräfte walten, ist auch Genauigkeit gefragt. Diese Präzision garantieren die kontrollierten Wellenverläufe der Lichtpulse. Sie greifen in die Elektronenbewegungen ähnlich wie mit einer feinen Pinzette ein.

Mit Lichtwellen gesteuerte Elektronik wird greifbar

Mit ihren Ergebnissen sind die Wissenschaftler der Kontrolle des Mikrokosmos einen großen Schritt näher gekommen. „Mit den neuen Werkzeugen sind wir in der Lage, sehr genau inneratomare Vorgänge auszulösen, zu steuern und besser zu verstehen“, erklärt Adrian Wirth, Postdoc im Team um Eleftherios Goulielmakis, dem Leiter der ERC-Forschungsgruppe „Attoelectronics“. „Wir bewerkstelligen mit dem Gerät die Feinstrukturierung von ultrakurzen Lichtfeldern und vermessen das neu geformte Lichtfeld verlässlich.“

Die neue Technik haben die Physiker bereits angewandt. Sie haben die Lichtpulse auf Kryptonatome geschossen. Die Lichtpulse schlugen aus den Atomen das äußerste Elektron innerhalb von weniger als 700 Attosekunden heraus. Dies ist der schnellste elektronische Vorgang, der bis heute mit optisch sichtbarem Licht initiiert wurde. „Ähnliche Prozesse können wir sicherlich auch in komplexeren Strukturen wie Molekülen, Festkörpern oder Nanopartikeln anstoßen“, sagt Eleftherios Goulielmakis.

Die neue Lasertechnik macht eine Elektronik greifbar, die mit Lichtwellen gesteuert wird. „Lichtfelder werden Elektronen nicht nur in Atomen oder isolierten Molekülen mit beispielloser Geschwindigkeit steuern, sondern sogar in mikroskopisch kleinen elektrischen Schaltungen“, meint Eleftherios Goulielmakis. Sein Team erkundet derzeit die Prinzipien der elektronischen Steuerung in diesen extremen Bereichen. „Wir verstehen die Gesetzmäßigkeiten des Mikrokosmos immer besser und lernen auch ihn zu beherrschen“, sagt Ferenc Krausz.

TN / PH

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