Bakterium im Raupendarm besitzt molekularen Eisenspeicher

Max-Planck-Forscher analysieren Struktur eines Proteins, das in seinem Innern Eisen speichern kann

1. September 2011

In fast allen Lebensformen auf dieser Erde spielt Eisen eine wichtige Rolle. Zu wenig Eisen führt zu Mangelerscheinungen, zu viel Eisen wiederum ist gefährlich unter anderem für das Erbmolekül DNA. Max-Planck-Wissenschaftler aus Jena und Tübingen haben jetzt die räumliche Struktur eines bakteriellen Enzyms aus Microbacterium arborescens aufgeklärt, das mehrere hundert Eisenionen in seinem Zentrum anreichern kann, und zwar je nach Lage der Eisenversorgung in seiner Umgebung: zum Beispiel dem Raupendarm der Zuckerrübeneule (Spodoptera exigua). Das Enzym verhindert durch seine zusätzliche Peroxidase-Aktivität auch das Auftreten von zellschädigenden Sauerstoffradikalen. Überdies katalysiert es die Hydrolyse und Bildung von N-Acylglutaminen, Verbindungen der Aminosäure Glutamin mit Fettsäuren. Anhand dieser Verbindungen erkennt die Pflanze den Raupenschädling und startet ihre chemische Abwehr gegen den Eindringling. In zahlreichen anderen Bakterienarten werden sehr ähnliche Enzyme als Schutzproteine für DNA produziert.

Mikroben sind allgegenwärtig auf dieser Erde. Nicht nur freilebend, sondern auch in Gemeinschaft mit anderen, höheren Organismen werden sie gefunden. Dank moderner biologischer Verfahren kommt man heute diesen "mikrobiellen Mitbewohnern" auf die Spur und ihre Rolle innerhalb der Lebensgemeinschaft kann genau studiert werden.

Microbacterium arborescens ist ein Bakterium, das sich unter anderem in den Därmen von pflanzenfressenden Raupen aufhält. Die Abteilung Bioorganische Chemie des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena erforscht die Wechselwirkungen zwischen Insekten und Mikroben, die mit oder in ihnen leben. Worin besteht der Vorteil für beide? Wie stark hängen beide voneinander ab? Haben die Mikroben eine Funktion bei der Interaktion zwischen Fraßinsekt und Wirtspflanze? Im Verlauf von Experimenten zur Beantwortung solcher Fragen stießen die Wissenschaftler auf ein Enzym, das sie aus M. arborescens gewonnen hatten - einem Darmbewohner der Zuckerrübeneule Spodoptera exigua. Es wurde aufgrund seiner katalytischen Eigenschaften als N-Acyl-Aminosäure-Hydrolase (AAH) bezeichnet, weil es die Synthese/Hydrolyse von Amino-/Fettsäureverbindungen betreibt, die über den Speichel und Darminhalt der Raupe in die befallene Pflanze gelangen und dort deren Abwehrmechanismen auslösen.

Die Klonierung und Sequenzierung des AAH-kodierenden Gens führte zu einem interessanten Ergebnis: AAH ist eng verwandt mit Proteinen aus anderen Mikroorganismen, und zwar den "DNA protection during starvation (DPS)" Proteinen, die an das Erbmolekül binden und durch Kristallisation schützen, sobald Mikroben in einen Mangelzustand verfallen. Jelena Pesek, Doktorandin in der Abteilung Bioorganische Chemie des Instituts, war jedoch erstaunt, dass sich das Enzym AAH aus M. arborescens von den DPS-Enzymen anderer Mikroben dahingehend unterscheidet, dass es im Darm die Konzentration der für die Pflanze-Insekt Interaktion wichtigen N-Acylglutamine regulieren kann. Weiterhin kann das Enzym in seinem Inneren Eisenionen speichern. Ist freies zweiwertiges Eisen (Fe(II)) im Überschuss vorhanden, entstehen aus Wasserstoffperoxid (H2O2), das von den Darmzellen des Insekts zur Abwehr von Mikroorganismen gebildet wird, für die Zelle gefährliche Sauerstoffverbindungen in Form von Hydroxylradikalen durch einen als Fenton-Reaktion bezeichneten Vorgang:

Fe2+ + H2O2 →   Fe3+ + OH- + ·HO (Fenton-Reaktion)

Das sehr reaktionsfreudige Hydroxylradikal ·HO schädigt vor allem die DNA und verursacht so gefährliche Mutationen im Erbgut. In Zusammenarbeit mit Kornelius Zeth vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen gelangen den Wissenschaftlern schließlich die Kristallisation und die Röntgenstrukturaufklärung und damit auch die Analyse des Eisentransportmechanismus des Enzyms.

Das Protein besteht aus 12 identischen Untereinheiten und weist eine Molekülmasse von insgesamt 204 Kilodalton auf - eine für ein Enzym beachtliche Größenordnung. Das Homooligomer ist rund und im Inneren hohl. In diesem Hohlraum können 500 Eisenatome als dreiwertiges Eisen (überwiegend in Form von Fe2O3) gespeichert werden. Dabei bietet der Transport des Eisens in diesen Hohlraum eine Besonderheit: Das kugelförmige Protein besitzt vier selektive Poren, die nur zweiwertige Eisenionen mitsamt ihrer Hydrathülle aus sechs Wassermolekülen durchtreten lassen. Im Innern der Hohlkugel werden die Eisenionen an Ferroxidase-Zentren zu dreiwertigem Eisen umgewandelt, wodurch das gefährliche H2O2 unschädlich gemacht wird, indem daraus Wasser (H2O) gebildet wird.

Die Wissenschaftler vermuten, dass N-Acyl-Aminosäure-Hydrolase das Überleben von M. arborescens unter den harschen und je nach Nahrungsqualität wechselnden Bedingungen im Darm der Raupe sicherstellt. Das Enzym schützt vor oxidativem Stress, indem es durch Speicherung die Konzentration an freiem Fe(II) reduziert und gleichzeitig H2O2 als Quelle für zellschädigende Radikale unwirksam macht. In welchem evolutionären Zusammenhang die durch die AAH ebenfalls katalysierte Bildung und Hydrolyse der N-Acylglutamine steht, ist unklar. Solche Verbindungen könnten der Raupe den Vorteil verschaffen, ihre Blattnahrung besser zu verdauen. Im Verlauf der Evolution haben die attackierten Wirtspflanzen dann "gelernt", diese Verbindungen, die beim Raupenfraß in ihre Blätter eindringen, als chemisches Warnsignal zu verwerten, um ihre Abwehr gegen den Schädling gezielt zu mobilisieren.

JWK

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