An Sprache beteiligtes Gen fördert Verzweigung von Nervenzellen

Max-Planck-Forscher entschlüsseln Funktion von Foxp2

31. August 2011

Welche genetischen Veränderungen ermöglichten die Entwicklung von Sprache? Mit dem Ergebnis ihrer neuen Studie sind Sonja C. Vernes vom Wellcome Trust Centre for Human Genetics der Universität Oxford and Simon E. Fisher vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik der Antwort auf eine der spannendsten Fragen in der Erforschung der menschlichen Evolution ein Stück näher gekommen. Wie sie in PLoS Genetics berichten, spielt das Gen Forkhead-Box P2 (Foxp2) bei der Vernetzung von Neuronen im Rahmen der Entwicklung des Gehirns eine wichtige Rolle.

Dass der Mensch Worte und Sätze bilden kann, verdankt er komplexen Netzwerken aus Nervenzellen in seinem Gehirn, die Worte mit Bedeutungen verknüpfen und Mund, Zunge und Kehlkopf bei der Lautbildung steuern. Das Gen Foxp2 spielt für die korrekte Ausbildung und Funktion dieser Schaltkreise eine wichtige Rolle. Es enthält den Bauplan für ein Protein, das als Transkriptionsfaktor die Ableserate anderer Gene reguliert und somit beeinflusst, welche Proteine die Zelle produziert. Nur wie sich dieser Vorgang im Detail abspielt, war bislang unklar.

Eine Familie im Osten Londons, in der auffällig viele Mitglieder den gleichen Sprachdefekt aufwiesen, hatte vor gut zehn Jahren die Forscher auf seine Spur gebracht. Die Betroffenen - allesamt Abkömmlinge derselben Großmutter - konnten nur mühsam Mund- und Zungenbewegungen kontrollieren und sich entsprechend schlecht mitteilen. Auch mangelte es ihnen am grammatikalischen Verständnis. Wie Fisher und seine Kolleginnen und Kollegen damals herausfanden, ist eine Mutation eines Erbfaktors auf dem Chromosom 7 für diese Störung verantwortlich. Diese Entdeckung war der Anfang einer Dekade intensiver Forschungen an diesem Genabschnitt und entsprechenden Versionen im Erbgut anderer Arten. Zum Beispiel konnte dabei gezeigt werden, dass junge Singvögel mit "stummgeschaltetem" Foxp2, die Gesänge älterer Artgenossen nicht exakt wiedergeben können.

Mit ihrer aktuellen Studie gelang es der Gruppe um Fisher und Vernes jetzt erstmals zu zeigen, wie der Transkriptionsfaktor Foxp2 genau funktioniert. Im Rahmen eines Massenscreenings von embryonalem Hirngewebe von Mäusen hatten sie zunächst in einem ersten Schritt die genetischen Programme untersucht, die Foxp2 nachgeschaltet sind und danach deren Wirkung auf Neuronen analysiert. Dabei fanden sie nicht nur heraus, dass unterschiedliche Konzentrationen des Gens die Länge und Verästelung und somit die Vernetzung der Neuronen im embryonalen Gehirn beeinflussen, sie entdeckten beim Aufschlüsseln seiner Pfade zugleich eine ganze Reihe von Genen, die von ihm reguliert werden. "Interessanterweise war ein Großteil dieser Genziele als wichtige Faktoren für die Verbindungen des Zentralnervensystems bekannt", sagt Fisher.

Mit der Entdeckung der verschiedenen genetischen Mitspieler haben Fisher und Vernes spannende Anhaltspunkte für ganz neue Ansatzpunkte für die funktionelle Genanalyse von Menschen mit Sprachbehinderungen geliefert. Beruhigend klingt auch die Feststellung der Forscher, dass der genetische Entwicklungshelfer auf Chromosom 7 offenbar nicht nur in jüngsten Jahren funktioniert, sondern auch im erwachsenen Gehirnen für Plastizität zwischen den Neuronen sorgt.

BF/HR

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