Bleichmittel im Weltall

Astronomen finden mit dem APEX-Teleskop in Chile das Schlüsselmolekül Wasserstoffperoxid

6. Juli 2011

Rho Ophiuchi wäre eine Goldgrube für Friseure: In dem 400 Lichtjahre entfernten Sternentstehungsgebiet haben Astronomen jetzt erstmals Moleküle von Wasserstoffperoxid nachgewiesen. Diese Flüssigverbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff wird zum Bleichen von Haaren benutzt. Die Forscher interessiert allerdings etwas anderes: Wie hat sich Wasser, das wohl wichtigste Molekül für die Entstehung von Leben, im Universum gebildet?

Wasserstoffperoxid mit dem Symbol H2O2 ist eine vertraute Substanz für Chemiker, aber aufgrund seiner Wirkung ebenso für Reinigungskräfte oder Friseure. Und nun ist dieses aseptisch wirkende Bleichmittel inmitten einer ganzen Reihe von Molekülen zu finden, die man nicht nur auf der Erde, sondern auch im Weltraum nachgewiesen hat. Für seine Beobachtungen nutzte das internationale Team das Submillimeterteleskop APEX (Atacama Pathfinder Experiment), das gemeinsam vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, dem schwedischen Onsala Space Observatory und der Europäischen Südsternwarte in 5100 Metern Höhe auf der Chajnantor-Ebene in den chilenischen Anden betrieben wird.

In der durchsuchten Region in der Nähe des Sterns Rho Ophiuchi im Sternbild Schlangenträger befinden sich extrem kalte (minus 250 Grad Celsius) und dichte Gas- und Staubwolken, in denen neue Sterne geboren werden. Diese Wolken bestehen überwiegend aus Wasserstoff; darin befinden sich aber auch Spuren anderer chemischer Stoffe. Dadurch sind sie erstklassige Zielorte bei der Jagd nach Molekülen im interstellaren Raum.

Während ihrer Suche in dem Gebiet haben die Astronomen in der Radiostrahlung die charakteristische Signatur von Wasserstoffperoxid identifiziert. „Dieser Nachweis ist ein aufregendes Ergebnis“, sagt Per Bergman, Astronom am schwedischen Onsala Space Observatory. „Wir wussten von Laborexperimenten bereits genau, bei welcher Wellenlänge wir danach suchen mussten, aber die Häufigkeit dieses Moleküls liegt nur bei einem Zehnmilliardstel jener von Wasserstoffmolekülen. Für die Entdeckung solch geringer Spuren waren sehr sorgfältige Messungen erforderlich.“

Wasserstoffperoxid (H2O2) ist ein Schlüsselmolekül sowohl für Astronomen wie auch für Chemiker. Seine Entstehung steht in enger Verbindung mit zwei sehr vertrauten Molekülen: Sauerstoff und Wasser. Beide stellen unverzichtbare Voraussetzungen dar für Leben, wie wir es auf der Erde kennen. Da ein überwiegender Anteil des Wassers auf unserer Erde vermutlich im Weltall entstanden ist, sind die Wissenschaftler sehr daran interessiert, zu verstehen, wie dieser Prozess ablief.

Man nimmt an, dass sich Wasserstoffperoxid im Universum auf den Oberflächen von kosmischen Staubkörnern bildet – sehr feinen Partikeln, die Sand oder Ruß ähneln. Dabei wird atomarer Wasserstoff (H) zu Sauerstoffmolekülen (O2) hinzugefügt. Eine weitere chemische Reaktion des Wasserstoffperoxids mit Wasserstoff kann dann zur Entstehung von Wasser führen (H2O).

„Wir wissen im Moment noch nicht, wie einige der wichtigsten Molekülarten hier auf der Erde im Weltraum gebildet werden“, sagt Bérengère Parise, die Leiterin der Emmy-Noether-Forschungsgruppe zur Sternentstehung und Astrochemie am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Aber unsere Entdeckung von Wasserstoffperoxid dürfte belegen, dass kosmischer Staub die bisher fehlende Zutat in diesem Prozess darstellt.“

Die Ausarbeitung, wie genau die Prozesse zur Entstehung dieser wichtigen Moleküle miteinander in Verbindung gebracht werden können, erfordert weitere Beobachtungen von Rho Ophiuchi und anderen Sternentstehungsgebieten mit zukünftigen Teleskopen wie etwa ALMA (Atacama Large Millimetre Array), das zurzeit ebenfalls auf der Chajnantorebene gebaut wird – und die Unterstützung durch Chemiker in irdischen Laboratorien.

 

NJ / HOR

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Die Teammitglieder waren Per Bergman (Onsala Space Observatory, Chalmers University of Technology, Onsala, Schweden), Bérengère Parise (Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn), Robert Liseau (Chalmers University of Technology, Onsala, Schweden), Bengt Larsson (Stockholm University, Schweden), Hans Olofsson (Onsala Space Observatory, Chalmers University of Technology, Onsala, Schweden), Karl M. Menten und Rolf Güsten (beide Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn).

Das Atacama Pathfinder Experiment (APEX) ist ein gemeinsames Projekt des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) mit dem Onsala Space Observatory (OSO) und der Europäischen Südsternwarte (ESO). Es dient dem Bau und Betrieb einer modifizierten Prototyp-Antenne von ALMA (Atacama Large Millimetre Array) als Einzelteleskop auf einem in 5100 Metern Höhe über dem Meeresspiegel gelegenen Standort in der Chajnantor-Ebene (Atacama-Wüste, Chile). Das Teleskop wurde von der VERTEX-Antennentechnik in Duisburg gebaut. Der Betrieb des Teleskops erfolgt durch die ESO.

Das Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) möchte jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern einen Weg zu früher wissenschaftlicher Selbstständigkeit eröffnen. Promovierte Forscherinnen und Forscher erwerben durch eine in der Regel fünfjährige Förderung die Befähigung zum Hochschullehrer durch die Leitung einer eigenen Nachwuchsgruppe.

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