3,4 Millionen Euro für Konfliktlösung

Das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte profitiert von der hessischen Forschungsinitiative LOEWE

5. Juli 2011

Große Freude am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte: Zusammen mit der Goethe-Universität Frankfurt als Antragsteller haben die zwei Projektpartner Ende Juni die Zusage für 3,4 Millionen Euro Fördergeld bekommen. Es wurde im Rahmen der hessischen Forschungsinitiative LOEWE (Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz) bewilligt und wird dazu dienen, den Forschungsschwerpunkt "Außergerichtliche und gerichtliche Konfliktlösung" einzurichten.

In der globalen Welt, in der es unabgestimmte Geltungsansprüche von Normen, einander überlagernde Kompetenzen der Jurisdiktion und einen Pluralismus an Recht und Normen gibt, müssen neue Formen der Konfliktlösung gefunden werden. „Die Rechtshistoriker können Brücken schlagen – von Modellen, wie in der Vergangenheit Konflikte gelöst wurden, ohne überhöhte Erwartungen an den Staat zu stellen, bis zu den Erfordernissen der Weltgesellschaft des 21. Jahrhunderts“, sagt Thomas Duve, seit 2009 Direktor des Max-Planck-Instituts. Die weltweit anerkannte und renommierte außereuropäische Forschungseinrichtung und das größte rechtshistorische Institut einer deutschen Universität haben sich zusammengetan und bündeln nun die interdisziplinäre, interkulturelle und komparativ ausgerichtete Forschung zur Konfliktlösung am Standort Frankfurt.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen in ihren Forschungsarbeiten verschiedene Modelle, Typen und Prinzipien von Konflikten und deren Lösungen herausarbeiten, indem sie diese zu verschiedensten Zeiten und in unterschiedlichen Ländern in den Blick nehmen. Anschließend wollen sie diese in den Diskurs um die Zukunft der Entscheidungssysteme einbringen. Er soll außerdem ein Modell des Dialogs zwischen Grundlagenforschung und Praxis etablieren, das unter anderem Forscher und Politiker in ein Gespräch bringt.

Beteiligt sind neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität und des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte auch Kolleginnen und Kollegen der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung und der Fachhochschule  Frankfurt, die von rechtswissenschaftlicher, historischer und sinologischer Perspektive aus zu Formen der Konfliktlösung in der Vergangenheit und Gegenwart forschen. Der Förderzeitraum erstreckt sich von 2012 bis 2014.

Bisher wurden Modi der Konfliktlösung wie Vermittlung durch Dritte, Verträge, Gesetzgebung und sonstige rechtliche Formen außerhalb von Gerichten und deren jeweiligen Funktionen selten umfassend untersucht; der neue LOEWE-Schwerpunkt spannt den Bogen darum weit. So wird der Rechtshistoriker Thomas Duve beispielsweise Konfliktlösung durch kirchliche Autoritäten in der Neuen Welt im 16. Jahrhundert erforschen. Anhand von bisher erst ansatzweise erschlossenem Archivmaterial aus dem Umfeld der Provinzialkonzilien des 16. Jahrhunderts aus Mexiko und Peru sollen Praktiken der Konfliktlösung durch kirchliche Institutionen, Fälle der Nutzung der kirchlichen Jurisdiktion und deren enge Verwobenheit mit der weltlichen sowie mögliche Gründe für die Beilegung der Konflikte rekonstruiert werden.

Max-Planck-Kollege Miloš Vec interessiert sich dagegen für Konfliktlösung im Völkerrecht, in dem seit jeher eigene Wege gegangen werden, weil traditionell keine Richter über den Staaten stehen. Selbsthilfe (bis zum Krieg und der bewaffneten Intervention) und Schiedsverfahren sollten Staatenstreitigkeiten dort lösen, wo die Diplomatie nicht mehr hinreichte. Im 19. und 20. Jahrhundert ist eine Tendenz nicht nur zur Verrechtlichung von völkerrechtlicher Konfliktlösung, sondern auch zur Verstetigung und sektoriellen Institutionalisierung internationaler Gerichtshöfe zu beobachten. Diese Entwicklungslinien nachzuzeichnen und zu einer historischen Typologie der völkerrechtlichen Konfliktlösungsmechanismen zu gelangen, hat sich Vec vorgenommen.

Eine Forschungslücke schließen will Peter Collin vom Max-Planck-Institut mit der Untersuchung staatlich-privater Interessenaustarierung durch Schiedsinstitutionen im Deutschland des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Er möchte herausfinden, wie diese beispielsweise bei den Berufskammern, bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften oder bei Mieteinigungsämtern angesiedelten Institutionen als Alternativmodell zum staatlichen Rechtsprechungsmonopol und auch zum administrativen staatlichen Entscheidungsmonopol fungierten.

Den Transfer in die Praxis haben die Frankfurter Forscher stets vor Augen. „Bereits in der Antragsphase haben wir eng mit Praktikern und ausgewiesenen Experten auf dem Gebiet der Mediation zusammengearbeitet“, sagt Thomas Duve und verweist auf den Workshop ‚Gericht – oder nicht’, der bereits im September 2010 stattfand. In Kooperation mit der Fachhochschule Frankfurt sollen zudem Lehrprogramme für Studierende beider Hochschulen entwickelt werden, um wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Anwendung von Mediationsmethoden miteinander zu verbinden. Entwickeln könnte sich langfristig ein Frankfurter Streitschlichtungszentrum von internationaler Strahlkraft.

SB

Zur Redakteursansicht