Elektronenquelle sprudelt im Takt von Attosekunden

Ob ein extrem kurzer Laserpuls aus einer Metallspitze schnelle Elektronen freisetzt, lässt sich auf hundert Attosekunden genau steuern

6. Juli 2011

Elektronik könnte künftig möglicherweise im Tempo einiger zehn Attosekunden arbeiten. Forscher des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching bei München steuerten Elektronen, die aus einer nanometerkleinen Metallspitze quollen, auf 80 Attosekunden genau. Eine Attosekunde dauert nicht länger als den milliardsten Bruchteil einer milliardstel Sekunde – Licht legt in dieser Zeit nur etwa die Strecke eines Atomdurchmessers zurück. In ihrer aktuellen Arbeit kontrollierten die Garchinger auf der Attosekundenskala erstmals Elektronen, die von einem Festkörper mit Hilfe von kurzen Laserpulsen emittiert werden. Bislang ist die Attosekundenphysik nur an gasförmig vorliegenden Atomen und Molekülen betrieben worden. Elektronen aus Metallen attosekundenschnell steuern zu können, ermöglicht es, elektronische Prozesse in Zukunft um Größenordnungen zu beschleunigen.

Physiker können Lichtwellen heute geradezu virtuos kontrollieren. Sie erzeugen nicht nur Lichtpulse, die nur wenige Femtosekunden dauern – also eine Zeitspanne, in der Licht etwa die Strecke eines Chromosom-Durchmessers zurücklegt. Sie können sogar den Femtosekundenpuls nach Wunsch formen. Eine Lichtwelle schwingt derart schnell, dass selbst während der kurzen Dauer eines Femtosekundenpulses mehrere Wellenberge und Wellentäler auftreten. Mit ausgefeilter Lasertechnik, die nicht zuletzt auf der Arbeit des Nobelpreisträgers Theodor W. Hänsch vom Garchinger Max-Planck-Institut beruht, stellen Laserphysiker exakt ein, an welchen Stellen innerhalb des Laserpulses die Wellenkämme und -täler der Lichtwelle liegen. Sie verschieben also die Phase der Lichtwelle innerhalb des Pulses nach Belieben, im Fachjargon: sie kontrollieren die Phasendifferenz zwischen Welle und Puls.

Das Team um den Physiker Peter Hommelhoff vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik hat mit Laserpulsen von sechs Femtosekunden Dauer auf eine Wolfram-Metallspitze, die nur einige Nanometer (millionstel Millimeter) fein ist, gefeuert. Dabei variierten die Forscher von Schuss zu Schuss die Phasendifferenz. Sie kontrollierten also, wann die Wellenberge und –täler eines Pulses auf die Nanospitze trafen, und zwar mit einer Präzision von etwa 80 Attosekunden.

Was sie beobachteten, überraschte die Physiker sehr. Die Phasendifferenz wirkte sich auf den Emissionsprozess von Elektronen mit bestimmten Energiewerten aus - dabei handelte es sich um sehr schnelle Elektronen. Die Anzahl der schnellen Elektronen nahm zu oder ab, wenn die Physiker das Eintreffen der Wellenberge und –täler des Pulses in Schritten von 160 Attosekunden verschoben.

„Wir können also den nur rund 450 Attosekunden dauernden Emissionsprozess der schnellen Elektronen mit Hilfe der Phasendifferenz kontrollieren“, resümiert Hommelhoff. Dies sei ein wichtiger Schritt in Richtung eines Feldeffekttransistors, mit dessen Hilfe sich Strom innerhalb von Attosekunden an- und abschalten ließe. Das entspräche einer Frequenz mehrerer hundert Terahertz, also rund 10000 Mal schneller als die Feldeffekttransistoren, die in heutigen Computerchips Daten verarbeiten.

Ein Ping-Pong-Effekt beschleunigt das Elektron

Hommelhoff sieht aber auch unmittelbarere Anwendungsmöglichkeiten des Experimentes. Da die feine Metallspitze das elektrische Feld des Lichtes enorm verstärkt, muss der Laserpuls nicht besonders intensiv sein. „Es reicht ein einfacher Laseroszillator aus“, sagt Hommelhoff. Daher sei der Aufbau relativ einfach. Er stelle daher eine günstige Alternative dar, um in Laserlabors die Phasendifferenz zwischen Puls und Welle zu messen, was heute mit Interferometern geschieht, die bis zu 25 000 Euro verschlingen.

Was die Garchinger beinahe noch mehr überraschte als ihr Forschungsergebnis selbst, ist, dass sie es mit einem relativ einfachen theoretischen Modell erklären können. Demnach zieht das elektrische Feld des Laserpulses dann ein Elektron aus der Wolframspitze heraus, wenn es maximal ist und seine Polung in die Spitze hinein weist. Das freigesetzte Elektron wird vom elektrischen Feld von der Spitze weggezogen und dabei beschleunigt. Nach einigen hundert Attosekunden kehrt sich das elektrische Feld der Lichtwelle in die entgegengesetzte Richtung, ebenso wie eine Wasserwelle erst ansteigt und dann wieder abfällt. Das umgekehrte Feld schleudert das Elektron zur Spitze zurück. Das Elementarteilchen prallt elastisch von der Spitze ab wie ein Tischtennisball vom Schläger. Inzwischen hat sich das elektrische Feld des Lichtes erneut umgepolt und beschleunigt das Elektron weiter in die Richtung von der Spitze weg. Dabei sammelt es so viel Energie, dass es aus der Umgebung der Nadel entkommt.

Bei bestimmten Phasendifferenzen werden innerhalb des Femtosekundenpulses nacheinander zwei Elektronen von der Spitze freigesetzt und machen beide das Hin- und Herschleudern mit. Quantenphysikalisch betrachtet, handelt es sich bei den beiden Elektronen um Materiewellen. Diese können sich überlagern und gegenseitig verstärken wie herkömmliche Wellen. Dadurch erhöht sich am Detektor der gemessene elektrische Strom. Dies funktioniert in verblüffender Weise auch mit einem einzelnen Elektron, dessen Materiewelle zu zwei Zeitpunkten emittiert wird. Dabei zerfällt das Wellenpaket des Elektrons quasi in zwei Teile. Diese zerfließen langsam und überlagern sich, während sie von der Spitze wegfliegen. „Mit dem Modell konnten wir die experimentellen Ergebnisse qualitativ sehr gut beschreiben“, sagt Hommelhoff.

Der nächste Schritt zum attosekundenschnellen Transistor ist geplant

Der Mechanismus ist von ähnlichen Experimenten mit Gasen aus Atomen und Molekülen her bekannt. „Wir haben ihn erstmals an einem Festkörper beobachtet“, sagt Hommelhoff. Beim Garchinger Experiment seien zwei besondere Hürden zu überwinden gewesen, sagt der Physiker. Zum einen die Messung der Energie der freigesetzten Elektronen. Zum anderen das Sauberhalten der Wolframspitze während der Messungen. „Schon der Aufbau einer einzigen Schicht von Fremdatomen auf der Spitze hätte die Ergebnisse entscheidend verfälscht“, sagt Hommelhoff. Die Spitze müsse daher in einem empfindlichen Ultrahochvakuum gehalten werden.

Nach dem aktuellen Durchbruch bleiben einige Fragen offen, die das Garchinger Team in weiteren Arbeiten klären möchte. „Wir wissen nicht, durch exakt welchen Mechanismus die Elektronen von der Spitze freigesetzt werden“, sagt Hommelhoff. Das könne ein so genannter Multiphotoneneffekt sein, bei dem die Energie mehrerer Lichtteilchen aus dem Laserpuls auf ein Elektron übertragen wird, sodass es dem Metall entkommen kann. Es könne aber auch sein, dass das elektrische Feld des Lichtes das elektrische Potenzial des Metalls so beeinflusse, dass die Elektronen durch den so genannten quantenmechanischen Tunneleffekt freikommen.

Um dem attosekundenschnellen Transistor einen weiteren Schritt näherzukommen will Hommelhoff mit seinem Team ein Experiment aufbauen, bei dem die Elektronen, durch Laserlicht gesteuert, von einer Metallspitze zu einer anderen übertragen würden. Dies wäre ein elektrischer Schalter, der durch die Phase einer Lichtwelle gesteuert würde.

 

CM/PH

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