Origami auf der Samenkapsel

Die Deckel über den Samenbehältern einer Mittagsblume falten sich auf, wenn eine Wabenstruktur auf ihrer Innenseite aufquillt

9. Juni 2011

Manche Pflanzen verbreiten ihre Samen geradezu kunstvoll: Die Samenkapseln der Mittagsblume Delosperma nakurense etwa falten Deckel über den Samenkammern in der Art eines beweglichen Origamis auf, sobald sie von Regen benetzt werden. Das haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und der Technischen Universität Dresden in einer genauen Untersuchung des Öffnungsmechanismus herausgefunden. Die Deckel klappen demnach auf, weil Zellen auf ihrer Innenseite Wasser aufnehmen und ihre Struktur ändern. So stellt die Pflanze, die in sehr trockenen Gegenden wächst, sicher, dass ihre Saat gute Chancen hat aufzugehen. Die Forscher möchten nach diesem Vorbild nun Materialien entwickeln, die sich bewegen, wenn sie feucht werden oder wenn sich ihre Temperatur ändert

Um sich zu regen, brauchen einige Pflanzen keine lebendigen Zellen, die mit ihrem Stoffwechsel eine Bewegung antreiben. Grannen krümmen sich, wenn sie feucht werden, Zapfen öffnen sich, wenn sie an der Luft trocknen. „Doch bei den Samenkapseln Delosperma nakurense haben wir eine ausgesprochen komplexe Bewegung von nicht mehr lebenden Pflanzenmaterial beobachtet“, sagt Ingo Burgert. Der Wissenschaftler leitet am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung eine Arbeitsgruppe in der Abteilung Biomaterialien von Peter Fratzl und hatte gemeinsam mit Christoph Neinhuis von der TU Dresden die Idee, den Öffnungsmechanismus der Samenkapseln von D. nakurense zu erforschen.

Das Forscherteam hat herausgefunden, dass sich die Deckel der Samenkapseln an einer Art Gelenk auffalten, wenn sie feucht werden. Umgekehrt schließen sie sich wieder, sobald sie trocknen. Da sich dabei auch die Krümmung der Klappen verändert, decken diese die Samenkammern bei Trockenheit dicht ab. Die Krümmung verhindert zudem, dass sich ein Verschluss unbeabsichtigt öffnet. „Es handelt sich also um einen koordinierten Faltmechanismus in zwei Richtungen, wie man ihn von beweglichen Origamis kennt“, sagt Matthew Harrington, der diese Bewegung gemeinsam mit seinen Kollegen im Detail analysiert hat. Demnach verformen sich die fünf Deckel der Samenkapsel aufgrund ihrer raffinierten Struktur und einer geschickten Kombination der Eigenschaften verschiedener biologischer Materialien.

Die Deckel besitzen eine dreieckige Form, so dass die Samenkapsel in geöffnetem Zustand an einen fünfzackigen Stern erinnert. Sie tragen ein stark quellbares Gewebe und zwar auf der Seite, die im geschlossenen Zustand nach unten weist und im offenen nach oben. Das Gewebe teilt sich in zwei Hälften und läuft auf den offenen Deckeln – wenn die Kapsel also feucht ist – von innen nach außen. Die beiden Hälften schließen sich dann zu einem schmalen Grat. Bei Trockenheit trennt ein Spalt die beiden Hälften des Gewebes. In diesen Spalten befinden sich im trockenen Zustand die Trennwände der fünf Samenkammern, so dass die Kammern dicht verschlossen sind.

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