Forschungsbericht 2006 - MPI für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht

Der deutsche Real Estate Investment Trust (REIT)

Autoren
Wagner, Gunther
Abteilungen

Rechnungslegung und Steuern (Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön)
MPI für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, München

Zusammenfassung
Der Real Estate Investment Trust (REIT) ist ein steuerlich transparentes Produkt der indirekten Immobilienanlage, dessen Einführung in Deutschland von den Akteuren auf den Immobilien- und Finanzmärkten seit längerem gefordert wird. Um Steuerausfälle des deutschen Fiskus zu vermeiden, knüpft der deutsche Gesetzgeber die Einführung dieser Gesellschaftsform an die Bedingung, dass die Besteuerung der Anteilseigner sichergestellt ist. Probleme ergeben sich insbesondere aus den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen und der europäischen Mutter-Tochter-Richtlinie. Aufgabe der Rechtswissenschaft ist, die vorgeschlagenen Lösungsansätze zu diskutieren oder eigene Modellvorschläge vorzulegen, um dem Gesetzgeber eine Hilfestellung für seine weiteren Entscheidungen zu geben.

Real Estate Investment Trust

Die Gesellschaftsform des REIT ist weltweit auf dem Vormarsch und wurde bereits in über zwanzig Ländern eingerichtet. Das älteste Modell eines REIT findet sich in den USA, wo er im Rahmen des REIT Act im Jahr 1960 etabliert wurde. Dieses Konzept hat vielen anderen Ländern als Vorbild gedient. Im asiatischen Raum haben sich Systeme des REIT unter anderem in Australien, Hong Kong, Japan, Malaysia, Singapur, Südkorea und Thailand etabliert. Auch in Europa erfreut sich der REIT großer Beliebtheit und wurde zum Beispiel in Belgien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden und Spanien eingeführt.

Zwar hat sich im Zuge dieser Entwicklung kein einheitliches Gesellschaftsmodell des REIT herauskristallisiert. Doch ist zumindest ein gemeinsames Grundgerüst erkennbar, da die verschiedenen Systeme in fast allen Ländern auf dem amerikanischen REIT beruhen.

Das Grundmodell des REIT stellt eine nicht regulierte, regelmäßig börsennotierte Kapitalgesellschaft dar, die in bestimmter Höhe in Immobilien investieren und gleichzeitig festgelegte jährliche Mindestausschüttungen aus ihren Immobilieneinkünften vornehmen muss. Im Gegenzug findet auf der Ebene der Gesellschaft keine oder nur eine sehr geringe Besteuerung statt, während die Gesellschafter der vollen Besteuerung mit ihrem individuellen Steuersatz unterliegen (Prinzip der steuerlichen Transparenz).

Die Entwicklung in Deutschland

Deutschland besitzt mit einem Immobilienvolumen von knapp sieben Billionen Euro den mit Abstand größten Immobilienmarkt in Europa. Allerdings ist nur ein kleiner Bruchteil dieses Wertes über die in Deutschland bereits existierenden indirekten Immobilienanlageformen (Offener und Geschlossener Immobilienfonds, Immobilienspezialfonds und Immobilienaktiengesellschaft) dem Kapitalmarkt zugänglich. Aus diesem Grund fordern die Akteure auf den Immobilien- und Finanzmärkten seit geraumer Zeit die Einführung des REIT als international anerkanntes Standardprodukt der indirekten Immobilienanlage. Diese Forderung hatte eine langjährige und zum Teil sehr hitzig geführte juristische, ökonomische und politische Diskussion zur Folge.

Im Rahmen dieser Debatte stellt der 11. November 2005 ein einschneidendes Datum dar, da an diesem Tag die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD geschlossen wurde. Hierin trafen die Regierungsparteien die politische Entscheidung, dass sie es prinzipiell befürworten, den REIT in Deutschland einzuführen. Im Koalitionsvertrag heißt es wörtlich: Produktinnovationen und neue Vertriebswege müssen nachdrücklich unterstützt werden. Dazu wollen wir die Rahmenbedingungen für neue Anlageklassen in Deutschland schaffen. Hierzu gehören: Die Einführung von Real Estate Investment Trusts (REITs) unter der Bedingung, dass die verlässliche Besteuerung beim Anleger sichergestellt wird und positive Wirkungen auf Immobilienmarkt und Standortbedingungen zu erwarten sind.“

Das steuerrechtliche Konfliktfeld

Der Wortlaut des Koalitionsvertrages knüpft die Einführung des REIT in Deutschland an die Voraussetzung, dass die Besteuerung beim Anleger sichergestellt ist. Der zentrale Ansatzpunkt für die Rechtswissenschaft ist daher im Bereich des nationalen und internationalen Steuerrechts zu sehen, wobei auch Querverbindungen mit anderen Rechtsgebieten (unter anderem Europa-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht) beachtet werden müssen.

Die Besonderheit des REIT ist die angestrebte steuerliche Transparenz und die damit verbundene fehlende Besteuerung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft. In Deutschland ist dafür eine Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer erforderlich. Um Steuerausfälle des Fiskus zu vermeiden, sind die politischen Entscheidungsträger daher sehr darauf bedacht, die Besteuerung auf der Ebene des Anteilseigners sicherzustellen.

Unkompliziert ist die Erhebung einer Ertragsteuer gegenüber einem inländischen Gesellschafter eines REIT. Diese erfolgt nach den regulären Besteuerungsgrundsätzen zum individuellen Steuersatz, mit der systemgerechten Ausnahme, dass das Halbeinkünfteverfahren nicht zur Anwendung kommt, da auf der Ebene des REIT keine Besteuerung vorgesehen ist. Probleme ergeben sich bei der Besteuerung von ausländischen REIT-Investoren. Sie resultieren aus der Anwendbarkeit bestehender Doppelbesteuerungsabkommen und der europäischen Mutter-Tochter-Richtlinie.

Der REIT erzielt seine Einkünfte schwerpunktmäßig aus der Vermietung, Verpachtung und dem Verkauf von unbeweglichem Vermögen. Im Fall eines Doppelbesteuerungssachverhalts unterliegen die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen grundsätzlich der ausschließlichen Besteuerung im Quellenstaat. Durch die „Zwischenschaltung“ eines REIT in der Form einer Kapitalgesellschaft kommt es auf der Ebene der Anteilseigner zu einer Dividendenausschüttung. In diesem Fall weisen die Doppelbesteuerungsabkommen dem Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers das Besteuerungsrecht zu. Damit besteht das Risiko, dass der Fiskus das Besteuerungssubstrat für ein von einem REIT gehaltenes Immobilienvermögen gegenüber ausländischen Investoren überwiegend oder vollständig verliert.

Zwar ist es für Deutschland als Quellenstaat grundsätzlich möglich, neben der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters eine Quellensteuer zu erheben. Diese ist allerdings nach den meisten Doppelbesteuerungsabkommen schon im Grundsatz auf 15 Prozent beschränkt. Hinzu kommt, dass die Doppelbesteuerungsabkommen in Fällen einer wesentlichen Beteiligung einer ausländischen juristischen Person regelmäßig nur eine ermäßigte Quellensteuer von 5 Prozent zulassen und teilweise einen Quellensteuerabzug sogar vollständig ausschließen (Schachtelprivileg).

Angesichts der unterschiedlich hohen Quellensteuersätzen in den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen besteht die Gefahr, dass ausländische Investoren das Land, über das sie in deutsche REITs investieren, nach den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen und den enthaltenen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten auswählen (treaty shopping).

Frankreich hat dieses Risiko bewusst in Kauf genommen und bei der Einführung des REIT-Systems unter dem Namen Sociétés d’investissements immobiliers cotées (SIIC) im Jahr 2003 eine Laissez-faire-Strategie verfolgt. Besondere Regelungen zur Vermeidung von Steuerausfällen des französischen Fiskus wurden nicht getroffen. Beispielsweise sieht das von Deutschland und Frankreich geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen vor, dass bei einer Beteiligung von 10 Prozent einer deutschen Kapitalgesellschaft an einer französischen SIIC eine Quellensteuer gegenüber dem deutschen Investor nicht mehr erhoben werden kann. Bei einer 100-prozentigen Beteiligung einer deutschen Kapitalgesellschaft unterliegen demnach die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen weder auf der Ebene der SIIC noch auf Gesellschafterebene der französischen Besteuerung.

Diese steuerliche Problematik wird im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie zusätzlich verschärft. Im Rahmen dieser Richtlinie sind Gewinne von einer Steuererhebung an der Quelle befreit, die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschüttet werden. Um den Status einer Muttergesellschaft im Sinne der Mutter-Tochter-Richtlinie zu erlangen, muss eine Gesellschaft in einer bestimmten Mindesthöhe an der anderen Gesellschaft beteiligt sein. Insofern besteht die Gefahr, dass bei einer entsprechenden Beteiligung von ausländischen Gesellschaften an deutschen REIT-Gesellschaften die Einbehaltung einer Quellensteuer ausgeschlossen ist.

Lösungsansätze

Die steuerliche Transparenz des REIT ist für einen Großteil der Lösungsansätze der Anknüpfungspunkt, um die Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie zu vermeiden. Nach dem Wortlaut der Richtlinie muss eine deutsche Tochtergesellschaft in Deutschland der Körperschaftsteuer oder irgendeiner Steuer, die diese Steuer ersetzt, unterliegen, ohne davon befreit zu sein. Um die gewünschte steuerliche Transparenz des REIT zu erzielen, ist in Deutschland vorgesehen, dass die Kapitalgesellschaft von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit wird und auch keiner vergleichbaren Steuer auf der Ebene der Gesellschaft unterliegt (persönliche Steuerbefreiung). Aufgrund dieser Steuerbefreiung handelt es sich bei der REIT-Gesellschaft nicht um eine Tochtergesellschaft, sodass die Mutter-Tochter-Richtlinie nicht greift.

Probleme ergeben sich hingegen bei vereinzelt vertretenen Lösungsvorschlägen, die den REIT auf der Gesellschaftsebene nicht vollständig von der Steuer befreien wollen, sodass auf der Ebene des REIT allenfalls eine sachliche Steuerbefreiung erzielt werden kann. Ob dies genügt, um aus dem Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie herauszufallen, ist umstritten.

Die Modellvorschläge für den deutschen REIT lassen sich in zwei Gruppen aufteilen, soweit sie die Vermeidung von Steuerausfällen im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen betreffen. Ein Teil der Experten versucht, die Anwendung des Dividendenartikels in den Doppelbesteuerungsabkommen vollständig auszuschließen und begründet dies damit, dass der REIT den Großteil seiner Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen bezieht. Daher soll es sich bei den Ausschüttungen des REIT um Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen handeln, sodass dem Quellenstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht zusteht. Dieses Ziel lässt sich allerdings nur durch sehr komplizierte Gesellschaftskonstruktionen verwirklichen. Es ist daher zweifelhaft, ob diese vom ausländischen Staat als Vertragspartner des Doppelbesteuerungsabkommens anerkannt werden. Wird den Gestaltungen die Zustimmung des ausländischen Vertragspartners verweigert, besteht die Gefahr, dass die Ausschüttungen des REIT einer doppelten Besteuerung unterliegen. Der deutsche Gesetzgeber war bislang nicht gewillt, dieses Risiko einzugehen.

Die übrigen Lösungsansätze erkennen hingegen an, dass es sich bei den Ausschüttungen des REIT um Dividenden handelt, die im Ansässigkeitsstaat des Empfängers zu besteuern sind, während Deutschland nur einen Anspruch auf eine reduzierte Quellensteuer in Höhe von 15 Prozent hat. Eine weitergehende Reduzierung der Quellensteuer durch die Anwendung des Schachtelprivilegs soll jedoch ausgeschlossen werden. Das in Deutschland und Großbritannien favorisierte Modell schlägt dafür vor, die Höhe der Beteiligung eines Gesellschafters an der Kapitalgesellschaft REIT zu begrenzen. Auf diese Weise kann die erforderliche Beteiligungshöhe für die Anwendbarkeit des Schachtelprivilegs nicht mehr erreicht werden.

Insbesondere dieses Modell, aber auch die anderen Entwürfe begegnen in der Rechtswissenschaft zahlreichen Bedenken. Sie gründen einerseits in den weiterhin bestehenden Steuerausfällen, da gegenüber der regulären Besteuerung nur ein Quellensteuersatz von 15 Prozent einbehalten werden kann. Andererseits ist eine Änderung des innerstaatlichen Steuerrechts erforderlich; diese birgt jedoch die Gefahr, dass die Regelungen in Widerspruch zu den geltenden Doppelbesteuerungsabkommen geraten (treaty override) und die Vertragspartner zur Kündigung der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen berechtigen. Außerdem ist zu befürchten, dass der vorgeschlagene Lösungsansatz gegen Grundfreiheiten des EG-Vertrages verstößt.

Fazit

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt arbeitet der deutsche Gesetzgeber mit Nachdruck auf die Einführung des REIT in Deutschland hin. Bislang wurde jedoch noch kein Modell gefunden, das Steuerausfälle vermeidet sowie mit dem europäischen Recht und den bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen vereinbar ist. Aufgabe der Rechtwissenschaft wird es sein, die bestehenden Modelle zu sondieren und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse entweder ein brauchbares Modell zu entwickeln oder die Einführung des REIT vom rechtlichen Standpunkt aus zu hinterfragen.

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