Wenn die Lunge unter Druck steht

Weg zur Behandlung des arteriellen Lungenhochdrucks gefunden

3. Mai 2011

Patienten mit arteriellem Lungenhochdruck haben mit drastischen Symptomen zu kämpfen. Diese können unter anderem in Kurzatmigkeit, Mattigkeit und fehlende Leistungsfähigkeit sein. Die häufiger bei Frauen auftretende Erkrankung endet zudem nicht selten innerhalb weniger Jahre tödlich. Mit den heutigen Therapieverfahren kann das Fortschreiten der Erkrankung zwar verlangsamt und symptomatisch gebessert werden, eine Heilung ist jedoch bisher nicht möglich. Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung und der Universität Gießen ist es nun im Tiermodell erstmals gelungen, mit Hilfe einer Inhalationstherapie den Krankheitsverlauf nicht nur zu stoppen, sondern ihn sogar umzukehren.

Bereits in einer frühen Phase der Lungenhochdruckerkrankung kommt es zu einer Fehlfunktion des Gefäßendothels. Beim Endothel handelt es sich um die innerste Schicht der Blutgefäße, die für eine möglichst glatte Oberfläche und damit für einen reibungsarmen Blutfluss sorgt. Darüber hinaus reguliert das Endothel den Durchmesser der Gefäße und passt die Blutverteilung somit den funktionellen Notwendigkeiten an. Auch das Wachstum der Blutgefäße wird vom Endothel kontrolliert. Beim Lungenhochdruck führt die dann eintretende Fehlfunktion dazu, dass die Gefäße sich zusammenziehen und sich so verengen. Zusätzlich verdicken sich die Gefäßwände durch eine krankhafte Teilungsaktivität der Wandzellen, was zu einer weiteren Behinderung des Blutflusses führt. Gegen diesen Widerstand muss das Herz verstärkt anpumpen, wodurch in der Folge auch noch krankhafte Veränderungen in der rechten Herzkammer ausgelöst werden, die schließlich zum so genannten Rechtsherzversagen führen.

Unter normalen Umständen wird das gesamte System von nur wenigen Faktoren in der Balance gehalten. Von zentraler Bedeutung ist vor allem das Stickstoffmonoxid. „Die herausragende Bedeutung dieses Gases für die Funktionalität von Blutgefäßen ist seit einigen Jahren bekannt. Es stellt eine der Komponenten dar, welche die Weite der Blutgefäße und die Zellteilungsaktivität reguliert“, erläutert Ralph Schermuly, Arbeitsgruppenleiter am MPI. Für die Entstehung der Lungenhochdruckerkrankung spiele eine wichtige Rolle, dass das Endothel plötzlich weniger Stickstoffmonoxid produziere. Das führe dann zu den bereits erwähnten Folgen für die Gefäßfunktion.

Die Produktion von Stickstoffmonoxid läuft über verschiedene, äußerst komplex regulierte biochemische Reaktionswege ab. Mit einer Substanz namens Tolafentrin versuchten die Bad Nauheimer Wissenschaftler zusammen mit ihren Gießener Kollegen, an einer Schlüsselstelle in dieses System einzugreifen. Dazu ließen sie Ratten, bei denen der Lungenhochdruck zuvor experimentell ausgelöst worden war, ein Nasenspray mit dem Wirkstoff über einen Zeitraum von vier Wochen wiederholt inhalieren. „Der Effekt war beeindruckend. Das Fortschreiten der Erkrankung wurde nicht nur gestoppt, sondern wir konnten eine deutliche Verbesserung in allen Bereichen feststellen“, schildert Soni Pullamsetti, Erstautorin der Studie. So hat das Endothel seine normale Funktion wieder hergestellt, die Zellteilungen in der Gefäßwand sind stark zurückgegangen und die Verengung der Blutgefäße hat sich aufgelöst. In der Summe habe dies zu einer Verminderung des arteriellen Hochdrucks geführt, so Pullamsetti weiter.

Die Wissenschaftler wollen nun das therapeutische Potenzial weiter erforschen. Werner Seeger, Direktor der Abteilung Entwicklung und Umbau der Lunge am MPI und Direktor des Zentrums für Innere Medizin an der Universität Gießen, sagt über das Potenzial der Studie: „Erstmals ist es mit einer lokal verabreichten Substanz gelungen, den Erkrankungsverlauf nicht nur aufzuhalten, sondern die strukturellen Gefäßveränderungen umzukehren.“ Durch die Gabe als Nasenspray wäre eine Therapie mit wenig Aufwand möglich. Zudem hätte die lokale Verabreichung der Substanz zur Folge, dass die sonst auftretenden starken Nebenwirkungen entfielen, schildert Seeger weiter. Weitere Studien müssten allerdings noch zeigen, ob die im Tiermodell gezeigten Resultate auch für den Patienten gelten. Die Wissenschaftler hoffen, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre die Grundlagen für eine Anwendung in der Klinik geschaffen sind.

MH/HR

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