In Japan entsteht ein neues Max Planck Center

28. April 2011

Gemeinsam mit dem japanischen Forschungsinstitut RIKEN hat die Max-Planck-Gesellschaft die Einrichtung eines RIKEN – Max Planck – Joint Research Center for Systems Chemical Biology beschlossen. Beide Forschungseinrichtungen schaffen damit eine Plattform, auf der sie Wissen, Erfahrungen und Infrastruktur sowie neue Methoden und Techniken bündeln.

„Mit der Gründung des RIKEN-Max Planck Centers ist die Kooperation unserer beiden Organisationen auf eine neue Stufe gehoben worden, die der Intensität und dem Umfang unserer 25-jährigen Zusammenarbeit entspricht“, sagt Max-Planck-Präsident Professor Peter Gruss. „Es ist gut zu wissen, dass wir in RIKEN einen vertrauten, verlässlichen und wissenschaftlich hoch kompetenten Partner in Japan haben. Ich sehe eine spannende Zukunft für die Kooperation im Bereich der Chemischen Systembiologie, bei der jede Seite ihre Stärken einbringen kann, zum gemeinsamen Nutzen und Erfolg.“

Professor Ryoji Noyori, Präsident von RIKEN, sieht dies ähnlich: “Es ist eine große Ehre für uns, mit der international so renommierten Max-Planck-Gesellschaft ein gemeinsames Research Center aufzubauen. Ich freue mich sehr, dass unsere zwei Organisationen und zwei Länder dieses Jahr, in dem wir das 150-jährige Jubiläum des Austausches zwischen Japan und Deutschland begehen, auf diese Art und Weise ihre Ressourcen bündeln. Japan hat gerade die verheerendste Naturkatastrophe in seiner Geschichte erlebt. Wenn wir unser Land jetzt wieder aufbauen, müssen wir dafür Sorge tragen, dass nichts dem Fortschritt von Wissenschaft und Technik im Wege steht. Ich hoffe, dass unser gemeinsames Projekt dazu beitragen wird, Wissenschaft und Technik zu stärken, internationale Zusammenarbeit zu intensivieren und die Entwicklung einer neuen Generation von Wissenschaftlern zu fördern.”

Das Gründungsteam des neuen Centers bilden vier Spitzenwissenschaftler, zwei Max-Planck-Direktoren, Herbert Waldmann und Peter Seeberger, sowie zwei Forscher des RIKEN Advanced Science Institute (RIKEN ASI), Hiroyuki Osada und Naoyuki Taniguchi. Ziel ist es, den Austausch unter Experten und dem wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Zwei neue International Max Planck Research Schools (IMPRS), an denen talentierte, junge Wissenschaftler ein strukturiertes Doktorandenprogramm durchlaufen, sollen in die Forschung des Centers eingebunden werden. Weiterhin werden ein regelmäßiger Austausch von Wissenschaftlern und Doktoranden, Praktikumsmöglichkeiten und Symposien die Kommunikation unter Wissenschaftlern fördern.

Um im Bereich der Chemischen Systembiologie umfassend forschen zu können, werden zahlreiche, neue Techniken eingesetzt, die normalerweise nicht an einer Forschungsorganisation zur Verfügung stehen. Einige Forschungsinstitute haben spezielle Kompetenzen auf bestimmten Forschungsfeldern und Techniken entwickelt, benötigen jedoch in jedem Fall Kooperationspartner mit ergänzender Expertise.

Das RIKEN Advanced Science Institute, nördlich von Tokio in Wako gelegen, das Max-Planck-Institut für Molekulare Physiologie in Dortmund und das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam beheimaten jeweils leistungsstarke Abteilungen im Bereich der chemischen Biologie. Durch die Bündelung dieser Kräfte in einer gemeinsamen Forschungsgruppe entsteht eine Einheit, die umfassende Forschungstätigkeiten ermöglicht.

Die Gruppe um Hiroyuki Osada am RIKEN ASI ist besonders erfolgreich in der Isolierung und Charakterisierung von Naturstoffen und ihrer Verwendung in der chemischen Biologie. Der Gruppe ist es gelungen, eine leistungsstarke Proteomik-Plattform aufzubauen, die es ermöglicht, chemische Angriffspunkte an Proteinen zu identifizieren. Die Technologie, leistungsstarke kleine Moleküle aus Naturstoffen zu isolieren, steht derzeit an keinem Max-Planck-Institut zur Verfügung.

Die Abteilung von Herbert Waldmann am Max-Planck-Institut in Dortmund verfügt über umfangreiche Kenntnisse und Erfahrung beim Design und der Synthese von Substanzverbindungen, die aus Naturstoffen abgeleitet werden sowie ihrer Verwendung in biochemischen und zellbasierten Tests und der Identifizierung ihrer biologischen Zielmoleküle. Die Gruppe hat eine von Naturstoffen abgeleitete und inspirierte Sammlung von etwa 10.000 wirkstoffartigen Molekülen aufgebaut. Diese Sammlung soll in Zukunft auf über 100.000 Substanzen ausgebaut werden und in biologischen Screens, die RIKEN ASI und die Max-Planck-Gesellschaft durchführen, untersucht werden. Dies eröffnet den Partnerorganisationen neue Möglichkeiten. So können die Substanzen parallel und äußerst effektiv in Hochdurchsatzexperimenten auf  eine Vielzahl von Zielproteinen oder  Reaktionsnetzwerken von Interesse getestet werden. Der Nutzen wäre dabei nicht nur auf die Grundlagenforschung beschränkt. Die Arbeiten werden  in hohem Maße dazu beitragen, die Ergebnisse der Forschung in die medizinische Anwendung zu übertragen, um somit zu völlig neuen und vielversprechenden therapeutischen Ansätzen zu gelangen.

Die System-Glykobiologie beschäftigt sich mit der Struktur, Synthese und Biologie von Zuckerketten, die vielerlei biologische Prozesse beeinflussen. Dieses Forschungsgebiet verspricht so unter anderem ein verbessertes Verständnis von Krankheiten, neue Diagnostika und Therapeutika, wie zum Beispiel die Entwicklung von Impfstoffen gegen Malaria oder Krankenhauskeime. Ein ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet ist Peter Seeberger vom Max-Planck-Institut für Kolloid-und Grenzflächenforschung in Potsdam. Die für die System-Glykobiologie nötigen Verbindungssammlungen und Techniken wie automatisierte Synthese, Kohlenhydrat-Mikroarrays, Sequenzierung und Bioinformatik stehen derzeit nirgendwo in der Welt kombiniert in einer Einrichtung nur in Potsdam zur Verfügung.

Die Gruppe von Naoyuki Taniguchi am RIKEN ASI hat sich im Bereich der Glykomik auf die Therapie von Krankheiten spezialisiert und sich in der Glykometabolomik und der strukturellen Mikrobiologie eine starke Position erarbeitet. Die Gruppe ist besonders erfahren in Bereichen, die an der Abteilung Seeberger bisher noch nicht entwickelt wurden, insbesondere den Tiermodellen und der strukturellen Glykobiologie. Während die Seeberger Gruppe definierte Oligosaccharide und daraus entstehende Werkzeuge wie Glycan-Arrays beisteuert, ist das Taniguchi-Team Experte auf dem Gebiet der Glykomik für die Therapie von Krankheiten. Die Max-Planck-Technologien sind der Schlüssel für die angewandte medizinische Forschung, an der man in Japan arbeitet. Die Zusammenlegung beider Forschungsaktivitäten wird es ermöglichen, eine miteinander verzahnte Fachgruppe zu schaffen, die die Vorteile grundlegender Techniken in der Erforschung krankheitsrelevanter Fragen einsetzen kann.

Das RIKEN – Max Planck – Joint Research Center for Systems Chemical Biology ist das sechste Max Planck Center, den die Max-Planck-Gesellschaft mit einem Partner im Ausland eröffnet.

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