Forschungsbericht 2007 - Max-Planck-Institut für Chemie

MPI-Datenbanken für Erd- und Umweltwissenschaftler aus aller Welt

Autoren
Jochum, Klaus Peter; Sarbas, Bärbel
Abteilungen

Geochemie (Prof. Dr. Meinrat Andreae)
MPI für Chemie, Mainz

Zusammenfassung
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie haben zwei geochemische Datenbanken, GEOROC und GeoReM, aufgebaut, die von Erd- und Umweltwissenschaftlern weltweit genutzt werden. Die Datenbanken, die über das Internet frei verfügbar sind, enthalten Zehntausende von publizierten chemischen Analysen geologischer und umweltrelevanter Proben sowie nahezu aller (1600) internationaler Referenzmaterialien.

Geochemiker und Umweltwissenschaftler produzieren – wie andere Forscher auch – in immer kürzerer Zeit immer mehr Daten und Zahlen. Um die wachsende Zahlenflut erfassen und auswerten zu können, hat das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz zwei Datenbanken aufgebaut, in der Zehntausende von publizierten chemischen Analysen von geologischen und umweltrelevanten Proben aus aller Welt zusammengestellt und somit über das Internet frei verfügbar sind.

Die eine Datenbank, GEOROC (Geochemistry of Rocks of the Oceans and Continents), enthält chemische Daten und so genannte Metadaten wie Fundort, Probentyp oder Alter von vulkanischen Gesteinen und Mineralen aus aller Welt, während die andere, GeoReM (Geological and Environmental Reference Materials), die Daten von nahezu allen Referenzmaterialien enthält, die für eine gute und zuverlässige chemische Analytik wichtig sind (Abb. 1). Die Nutzer der Datenbanken können die Daten uneingeschränkt lesen, herunterladen, auswerten und vergleichen. Beide Datenbanken sind bislang in ihrem Umfang einzigartig und werden im geowissenschaftlichen und im chemisch-analytischen Bereich von Tausenden Forschern aus aller Welt genutzt.

Wie funktionieren die Datenbanken?

Eine geochemische Datenbank ist eine Sammlung von Informationen wie Fundort der Probe, Probenherstellung, Untersuchungsmethode, chemische Analyse oder Alter, die aus verschiedenen Datenquellen  meist Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften und Büchern, Zertifikate  gewonnen werden. Sie besteht aus zwei Teilen: der Datenbasis, in der die Daten gespeichert werden, und einem Datenbank-Managementsystem, das die gespeicherten Daten verwaltet und gezielte Veränderungen der Datenbank und der darin enthaltenen Daten ermöglicht, etwa durch Eingabe, Auswahl oder Berechnungen.

Zur Datenspeicherung dienen Tabellen, die in einer „relationalen“ Datenbank zusammengestellt sind. Das bedeutet, dass die Daten auf mehrere Tabellen verteilt sind, die über verschiedene, feste Beziehungen („relational“) miteinander verbunden sind. Typische Tabellen sind beispielsweise „Probenname“, „Analysenwerte“, „Autoren“ und „Bibliographie“. Jede Tabelle enthält drei bis elf Spalten, die so genannte normierte Daten enthalten. Bei der Tabelle „Analysenwerte“ sind dies die Identifikationsnummer der Analyse, die Messgröße (Elementname), der Messtyp (z.B. Konzentration, Isotopenverhältnis), der Messwert (Zahlenwert und Einheit) und die analytische Unsicherheit (zum Beispiel Standardabweichung, Konfidenzintervall). Durch die Relationen lassen sich die auf mehrere Tabellen verteilten Informationen speichern und in jeder erdenklichen Form und Kombination wieder abrufen.

Wie erfolgt der Zugriff?

Der Zugriff auf die GEOROC- und GeoReM-Datenbanken kann von jedem Punkt der Erde über das Internet erfolgen. Eine Webschnittstelle verbindet den Internet-Browser mit den Datenbanken. Die Serververwaltung für beide Datenbanken übernimmt die Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen (GWDG), die ein Rechen- und Kompetenzzentrum für die Max-Planck-Gesellschaft ist. In einer Abfolge von Webseiten kann der Nutzer Kriterien für die Datenselektion setzen. Das Ergebnis der Auswahl kann zur weiteren Bearbeitung auf dem eigenen Rechner gespeichert werden.

Um den Nutzern das Arbeiten mit beiden Datenbanken zu erleichtern, wurden GEOROC und GeoReM kürzlich miteinander verbunden. Mit einem einzigen Klick kann man nun sowohl aus GEOROC als auch aus GeoReM zu den entsprechenden weiterführenden Informationen in der anderen Datenbank gelangen.

Was kann man mit GEOROC machen?

GEOROC ist eine geochemische Datenbank, die insbesondere für Erdwissenschaftler von großem Nutzen ist, deren wissenschaftliche Aussagen über die Zusammensetzung und Entwicklung der Erde auf der chemischen und isotopischen Zusammensetzung von Gesteinen und Mineralen basieren. Sie enthält die Daten von Vulkangesteinen von Ozeaninseln (wie zum Beispiel Hawaii und Samoa), Inselbögen (wie Japan und die Antillen), archaischen Kratonen (wie diejenigen in Westaustralien, Nordchina), Riftzonen (wie das Ostafrikanische Rift) und intrakontinentalen Vulkangebieten (wie die Eifel oder das Französische Zentralmassiv). Zurzeit enthält GEOROC Analysendaten von ca. 180000 Gesteinen und 130000 Mineralen und Einschlüssen. Diese Daten wurden von dem Datenbankteam des Max-Planck-Instituts für Chemie aus 8000 wissenschaftlichen Artikeln, die von 1884 bis 2007 veröffentlicht wurden, in die Datenbank eingegeben. Zusammen mit den zwei amerikanischen geochemischen Datenbanken PetDB und NAVDAT, die Daten von Ozeanbodenproben bzw. von Vulkangesteinen aus Nordwestamerika (Abb. 2) enthalten, hat sich GEOROC zu einem großen Datenbankverbund (http://www.earthchem.org/EarthChemWeb/index.jsp) zusammengeschlossen.

Durch die große Anzahl von Hauptelement-, Spurenelement- und Isotopendaten, die in GEOROC gespeichert sind, kann der Wissenschaftler weitaus bessere Aussagen über die Entstehung und den Chemismus von vulkanischen Gesteinen machen als dies früher der Fall war. Mithilfe der Datenbank vergleicht er etwa die chemische Zusammensetzung junger Basalte, die durch Eruption heute aktiver Vulkane entstanden sind (wie der Vulkan Kilauea auf Hawaii oder Inselbögenvulkane im pazifischen Raum), mit derjenigen sehr alter Basalte, die vor einigen Milliarden Jahren gebildet wurden (solche Basalte findet man z.B. in Kanada). Ähnliche Elementkonzentrationen oder Elementverhältnisse können als Hinweis auf ein gleiches oder ähnliches geologisches Bildungsmilieu gewertet werden.

Ferner machen Erdwissenschaftler mithilfe von GEOROC Aussagen über die Entstehung und den Chemismus von Ozeaninseln. Die variable geochemische Signatur von Schmelzen, aus denen Ozeaninselbasalte entstehen, wird durch die Mischung von verschiedenen Mantelkomponenten erklärt. Diese Mantelkomponenten unterscheiden sich in den Isotopenverhältnissen Neodym-143 zu Neodym-144 und Strontium-87 zu Strontium-86. Trägt man diese an Proben unterschiedlicher Ozeaninseln gemessenen und in GEOROC zusammengestellten Isotopenverhältnisse in einem x-y-Diagramm gegeneinander auf, lassen sich klare Rückschlüsse auf die Herkunft des Magmas ziehen. Es werden mit GEOROC auch Berechnungen wie die Ermittlung von durchschnittlichen Zusammensetzungen von Gesteinen bestimmter geografischer Regionen oder bestimmter geologischer Einheiten (zum Beispiel obere Erdkruste) durchgeführt.

Wozu braucht man GeoReM?

Genaue und richtige Analysenwerte sind Voraussetzung für fundierte wissenschaftliche Aussagen im Bereich der Erd- und Umweltwissenschaften. Die meisten analytischen Verfahren, wie Röntgenfluoreszenz, Massenspektrometrie oder Neutronenaktivierung, verwenden Referenzmaterialien zur Kalibrierung. Referenzmaterialien werden auch zur Qualitätskontrolle herangezogen. Das Max-Planck-Institut für Chemie hat daher die Datenbank GeoReM geschaffen, die fast alle (ca. 1600) Referenzmaterialien von geologischem und umweltrelevantem Interesse beinhaltet. Zu diesen Materialien gehören homogene Pulver fast aller Gesteinstypen (z.B. Basalte, Sandstein), pulverisierte und feste Minerale (z.B. Quarz, Zirkon), homogene Gläser (Gesteinsgläser, technische Gläser), Wasserproben (z.B. Meer- und Flusswasser, Regenwasser), aber auch biologische Proben (Tomatenblätter, Leber, Muscheln) und Umweltproben (Straßenstaub, Müll). GeoReM enthält nahezu alle in den letzten 8 Jahren veröffentlichten Daten über Referenzmaterialien; dies sind ca. 15000 Analysen, die aus über 2600 wissenschaftlichen Artikeln stammen.

Ein Geo- oder Umweltanalytiker kann nun sehr leicht seine Messdaten von Referenzproben mit den Ergebnissen anderer Autoren vergleichen (Abb. 3). Er erkennt auf diese Weise mögliche Messfehler und kann somit seine Analysenmethode verbessern. Um diesen Vergleich einfacher zu gestalten, hat das GeoReM-Team die „wahren“ Referenzwerte für die am häufigsten benutzten Proben vorgeschlagen, die durch sorgfältige Auswertung der Literaturergebnisse gewonnen wurden.

Bei der Entwicklung neuer chemischer Verfahren ist oft nicht bekannt, welche Referenzmaterialien vorhanden sind und von welcher Institution sie vertrieben werden. GeoReM hilft bei der Suche: Mit sehr einfachen Suchkriterien (physikalische Form, Matrix, Chemismus) können Wissenschaftler die geeigneten Referenzmaterialien, die optimalen analytischen Methoden und die entsprechenden Institutionen für ihre Forschung finden.

Die bibliographische Recherche ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil von GeoReM. Mit Suchwörtern (Elementname, Verfahren) können entsprechende Veröffentlichungen gefunden werden. Die am häufigsten angeklickten Publikationen und Referenzmaterialien werden in der Datenbank dargestellt.

Das Max-Planck-Institut für Chemie benutzt im Bereich der Erdwissenschaften 13 verschiedene analytische Methoden und gehört damit zu den Instituten, die die größte Anzahl von analytischen Verfahren auf diesem Gebiet anwendet. In Zusammenarbeit mit dem Geologen Don Dingwell leisteten die Geochemiker des Instituts einen wertvollen Beitrag mit der Entwicklung von acht „MPI-DING-Gläsern“. Die kürzlich zertifizierten Referenzwerte dieser durch Schmelzen von verschiedenem Gesteinsmaterial hergestellten Gläser stehen jetzt in GeoReM zur Verfügung. Zahlreiche Laboratorien weltweit benutzen die MPI-DING-Gläser als Referenzproben, zum Beispiel für die Analyse geologischer und extraterrestrischer Proben, wie Ozeanbodengläser und Marsmeteorite, für die mikroanalytische Spurenelement- und Isotopenuntersuchungen von Schmelzeinschlüssen, Mineralen, Glasschwämmen und Dinosaurierknochen sowie für die Herkunftsbestimmung archäologischer Proben.

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