Forschungsbericht 2007 - Friedrich-Miescher-Laboratorium für biologische Arbeitsgruppen in der Max-Planck-Gesellschaft

Der Wiederaufbau der Kernhülle am Ende der Mitose

Autoren
Antonin, Wolfram
Abteilungen

Dynamik der Kernhülle ()
Friedrich-Miescher-Laboratorium für biologische Arbeitsgruppen in der MPG, Tübingen

Zusammenfassung
Der Zellkern, Steuerzentrum der eukaryontischen Zelle, wird durch die Kernhülle vom Zellplasma abgegrenzt. Wie die Kernhülle am Beginn der Zellteilung zuerst abgebaut und am Ende um das genetische Material, die DNA, wieder aufgebaut wird, ist noch weitestgehend unbekannt. Es ist ein komlexes Zusammenspiel von zellulären Membranen und Proteinen, dessen Regeln Wissenschaftler am Friedrich-Miescher-Laboratorium verstehen wollen.

Der Zellkern in der Interphase

Im Jahre 1835 beobachtete der Tübinger Botaniker Hugo von Mohl zum ersten Mal die Teilung einer Pflanzenzelle unter dem Mikroskop. In der Folgezeit untersuchten zahlreiche Forscher die Vorgänge, die bei der Teilung der Zelle und des Zellkerns (Mitose) ablaufen, sodass heute der gesamte Prozess einigermaßen gut verstanden ist. Weniger gut untersucht sind jedoch die Vorgänge, die zu Beginn und am Ende der Mitose zum Ab- und Wiederaufbau der Kernmembran führen.

Der Zellkern ist ein im Lichtmikroskop leicht zu erkennendes Organell der eukaryontischen Zelle. In Säugetierzellen ist der Zellkern in der Regel 5-15µm groß. Er enthält den größten Teil des genetischen Materials der Zellen, die DNA. Der Zellkern wird durch die Kernhülle begrenzt (Abb. 1), die aus zwei biologischen Membranen, der inneren und äußeren Kernmembran, besteht [1]. Biologische Membranen sind aus einer Doppelschicht von Lipiden aufgebaut und aufgrund ihrer wasserabweisenden Natur undurchlässig für viele Substanzen. Die Kernhülle stellt also somit eine physikalische Barriere zwischen dem Inneren des Zellkerns und dem Zellplasma dar. Diese Barriere verhindert einen unkontrollierten Stoffaustauch zwischen den beiden Zellkompartimenten, wobei dennoch ein effizienter, aber geregelter Transport von Molekülen stattfinden muss. Dieser Transport erfolgt durch so genannte Kernporenkomplexe, die in die beiden Membranen der Kernhülle eingebettet sind und den Austausch von Molekülen zwischen dem Zellkern und dem Zellplasma vermitteln [2].

Um beispielsweise Proteine zu synthetisieren, was nur außerhalb des Zellkerns stattfinden kann, muss die Protein kodierende Information, die in der Kern-DNA gespeichert ist, zuerst noch im Zellkern in eine so genannte Boten-RNA (mRNA) umgeschrieben werden (Transkription). Diese mRNA wird im Zellplasma als Bauanleitung für die Proteinsynthese benötigt und muss deswegen aus dem Zellkern durch die Kernporenkomplexe exportiert werden. Da die Proteinsynthese wie gesagt nur im Zellplasma stattfindet, müssen Proteine, die im Zellkern benötigt werden, aus dem Zellplasma in den Kern ebenfalls durch die Kernporenkomplexe importiert werden. Deswegen findet durch die Kernporen hindurch ein effizienter Transport statt, der auf einige hundert transportierte Moleküle pro Kernpore und Sekunde geschätzt wird.

Mitose

Der eben beschriebene Zustand stellt die Interphase dar, in der sich Zellen die meiste Zeit über befinden. Der Aufbau der Zelle und vor allem das Erscheinungsbild des Zellkerns ändern sich aber dramatisch, wenn die Zelle und der Zellkern sich in einem als Mitose bezeichneten Vorgang teilen. Bei der Mitose muss sichergestellt werden, dass beide entstehenden Tochterzellen die gesamte und gleiche Erbinformation erhalten. Hierzu muss die DNA zuerst im Zellkern kopiert (Replikation) und dann auf die beiden entstehenden Tochterzellen verteilt werden. Dieser Vorgang ist für jede Zelle eine beachtliche, logistische Herausforderung (Abb. 2).

In einem ersten Schritt verdichten sich die einzelnen DNA-Stränge zu Chromosomen, der Transportform der DNA. In Mehrzellern bricht die Kernhülle am Anfang der Mitose zusammen - das bedeutet, dass die Membranen zu kleineren Membranvesikeln zerlegt werden. Die Kernporenkomplexe zerlegen sich in ihre einzelnen Proteinbausteine, die Nukleoporine, die sich im gesamten Zellplasma verteilen. Anschließend werden die Chromosomen durch einen Apparat aus langen Protein-Polymeren (Mikrotubuli), der so genannten mitotischen Spindel, in der Zellmitte gesammelt und im nächsten Schritt auf die beiden Tochterzellen verteilt.

Am Ende der Mitose muss sich in den Tochterzellen wieder eine Kernhülle um die DNA ausbilden. Hierzu dekondensiert die DNA, die Membranvesikel binden an die DNA-Oberfläche und verschmelzen miteinander. Gleichzeitig müssen sich wieder Kernporenkomplexe aufbauen, um den Transport durch die Kernhülle zu gewährleisten. Diese dramatischen, lichtmikroskopisch sichtbaren Vorgänge der Mitose haben seit langer Zeit Zellbiologen fasziniert [3]. Jedoch sind viele Aspekte der Mitose auf molekularer Ebene wenig oder nur unzureichend verstanden.

Aufbau des Zellkerns im Reagenzglas

Der oben geschilderte Prozess des Wiederaufbaus der Kernhülle am Ende der Mitose wird am Friedrich-Miescher-Laboratorium untersucht. Dabei geht es um die Frage, wie die Doppelmembran aus innerer und äußerer Kernhülle entsteht und die DNA umschließt und wie Kernporenkomplexe aufgebaut werden. Es ist immer wieder faszinierend, wie sich ein für zellbiologische Verhältnisse gigantischer Proteinkomplex von 125 MDa (=125000 kDa, das ist etwa die 30fache Masse eines Ribosoms) aus den Einzelbestandteilen, den Nukleoporinen, aufbaut und in die Doppelmembran integriert.

In Extrakten aus Eiern des südafrikanischen Krallenfrosches Xenopus laevis (Abb. 3) lassen sich viele zellbiologische Vorgänge wie DNA-Replikation, Import von Proteinen in den Zellkern, Aufbau der mitotischen Spindel und eben auch der Aufbau der Kernhülle am Ende der Mitose nachstellen und untersuchen. So kann man, wenn man DNA in Eiextrakten inkubiert, Zellkerne im Reagenzglas herstellen.

In solch einer Reaktion binden zuerst Membranvesikel und einige der Nukleoporine an die Peripherie der DNA (Abb. 4). Diese zuerst bindenden Nukleoporine agieren als Kristallisationspunkte für den weiteren Aufbau der Kernporen. Die Membranvesikel verschmelzen miteinander, sodass eine geschlossene innere und äußere Kernmembran entsteht. Zeitgleich binden weitere Nukleoporine an die DNA und bilden intakte Kernporenkomplexe aus. Es wird vermutet, dass der Aufbau der Kernmembranen und der Kernporen nicht nur zeitlich koordiniert, sondern auch mechanistisch verknüpft ist: Um zu verhindern, dass sich eine Kernhülle ohne Kernporen um die DNA ausbildet und somit die Zelle den Zugang zu ihrer Erbinformation verliert, können die Kernmembranen sich nur ausbilden, wenn auch gleichzeitig Kernporen entstehen [4].

Da die Reaktion im Reagenzglas abläuft, ist es relativ einfach, sie zu manipulieren: sie kann zum Beispiel an bestimmten Punkten angehalten, einzelne Proteine können aus dem Zellextrakt entfernt und der Effekt solch einer Depletion beobachtet werden. Solche Experimente ermöglichten es, zu charakterisieren, welche Proteine für welchen Schritt notwendig sind. So wurde in den letzten Jahren untersucht, welche Nukleoporine für den Aufbau der Kernpore notwendig sind und welche Proteine die erste Bindung von Nukleoporinen an die DNA vermitteln [5]. Es konnte außerdem gezeigt werden, dass eine bestimmte Population von Vesikeln notwendig ist, um die Kernhülle auszubilden. Die Eiextrakte enthalten große Mengen von Membranvesikeln, die sehr verschiedene Zellorganellen ausbilden können. Aber nur ein kleiner Bruchteil dieser Membranvesikel ist für den Aufbau der Kernhülle notwendig. Diese binden beim Kernhüllenaufbau sehr früh und mit hoher Spezifität an die DNA [6].

Membranen und Proteine

Wissenschaftler am Friedrich-Miescher-Laboratorium wollen nun verstehen, was diese besonderen Membranvesikel auszeichnet. Hierzu werden die Membranvesikel isoliert und auf ihre Proteinzusammensetzung hin untersucht. Dadurch erhoffen sich die Wissenschaftler Aufschluss darüber, welche Proteine auf den Vesikeln die Bindung an die DNA vermitteln sowie eine Antwortung auf die Frage, ob bestimmte Proteine auf diesen Membranen beim Aufbau der Kernhülle essenziell sind und, wenn ja, welche.

Darüber hinaus soll die Lipidzusammensetzung der Vesikel geklärt werden. Lipide sind die Grundbausteine von biologischen Membranen und definieren deren Eigenschaften. So soll geklärt werden, welche speziellen Lipide in der Kernhülle zu finden sind und ob diese eine besondere, für die Kernhülle spezifische Funktion erfüllen.

Um zu verstehen, wie Kernporenkomplexe aus den Nukleoporinen aufgebaut werden, wird versucht, die Problemstellung zu vereinfachen. Statt intakte Kernporenkomplexe zu untersuchen, schauen sich die Wissenschaftler den schrittweisen Aufbau der Kernporenkomplexe am Ende der Mitose an. Dabei soll zuerst geklärt werden, wie die einzelnen Nukleoporine aneinander binden und größere Einheiten bilden, die dann wiederum als Module für den Kernporenaufbau fungieren. Da die einzelnen Module zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit der DNA-Peripherie und untereinander interagieren, wollen die Wissenschaftler erforschen, welche Module wann und woran binden, um so zu verstehen, wie der Bauplan für die Kernporenkomplexes aussieht.

Ausblick

Der Wiederaufbau der Kernhülle am Ende der Mitose ist ein faszinierendes Beispiel für die molekulare Selbstorganisation zellulärer Prozesse und Strukturen. Proteine und Lipidmembranen müssen zusammenspielen. Einige strukturelle Bausteine sind bekannt, andere warten noch auf ihre Entdeckung und Charakterisierung. Weitgehend unbekannt ist bislang, wie die Prozesse gesteuert und reguliert werden. Es reicht nicht, die einzelnen Bausteine für den Bau einer Maschine zu kennen. Man muss auch wissen, wie und wann man sie einsetzt. Wie das die Zelle bewerkstelligt, ist bis heute unklar.

Originalveröffentlichungen

M. Hetzer, T.C. Walther, I.W. Mattaj:
Pushing the Envelope: Structure, Function, and Dynamics of the Nuclear Periphery.
Annual Reviews in Cell and Devopemental Biology 21, 347-380 (2005).
E.J. Tran, S.R. Wente:
Dynamic nuclear pore complexes: life on the edge.
Cell 125, 1041-53 (2006).
W. Flemming:
Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung.
Verlag F.C.W. Vogel, Leipzig (1882).
W. Antonin, C. Franz, U. Haselmann, C. Antony, I.W. Mattaj:
The integral membrane nucleoporin pom121 functionally links nuclear pore complex assembly and nuclear envelope formation.
Molecular Cell 17, 83-92 (2005).
C. Franz, R. Walczak, S. Yavuz, R. Santarella, M. Gentzel, P. Askjaer, V. Galy, M. Hetzer, I.W. Mattaj, W. Antonin:
MEL-28/ELYS is required for the recruitment of nucleoporins to chromatin and postmitotic nuclear pore complex assembly.
EMBO Reports 8, 165-172 (2007).
J. Mansfeld, S. Guttinger, L.A. Hawryluk-Gara, N. Pante, M. Mall, V. Galy, U. Haselmann, P. Muhlhausser, R.W. Wozniak, I.W. Mattaj, U. Kutay, W. Antonin:
The conserved transmembrane nucleoporin NDC1 is required for nuclear pore complex assembly in vertebrate cell.
Molecular Cell 22, 93-103 (2006).
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