Forschungsbericht 2007 - Max-Planck-Institut für Astrophysik

Rekombinationslinien des kosmologischen Wasserstoffs von Rotverschiebungen z~1400

Autoren
Sunyaev, Rashid; Chluba, Jens
Abteilungen

Hochenergie-Astrophysik (Prof. Dr. Rashid Sunyaev)
MPI für Astrophysik, Garching

Zusammenfassung
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik haben detailierte Berechnungen der bei der Rekombination des kosmologischen Wasserstoffs freigesetzten Strahlung durchgeführt. Die großen Fortschritte in der Radiodetektortechnologie könnten eine Beobachtung dieser kleinen Abweichungen des Spektrums der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung (engl. Cosmic Microwave Background Radiation) von dem eines perfekten schwarzen Körpers möglich machen. Dies würde eine komplementäre Methode zur Bestimmung der Temperatur des kosmischen Mikrowellenhintergrunds sowie der spezifischen Entropie des Universums liefern. Darüber hinaus würde man so einen direkten Beleg dafür erhalten, wie unser Universum einst für Photonen durchsichtig wurde.

Ungefähr 260.000 Jahre nach dem Urknall war das zu Beginn vollständig ionisierte Plasma ausreichend abgekühlt, um die Bildung neutraler Wasserstoffatome zu erlauben. Zu diesem Zeitpunkt war die Temperatur der annähernd isotropen Schwarzkörperstrahlung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds, welche das Universum erfüllt, bereits auf etwa 3800 K gesunken (Rotvershiebung z~1400). Die Rekombination ist mit der Freisetzung mehrerer Photonen verknüpft, die bei dem Übergang von Elektronen aus stark angeregten atomaren Zuständen in den Grundzustand emittiert werden. Schon seit etwa 40 Jahren ist bekannt, dass die Kinetik der kosmologischen Rekombination extrem ungewöhnlich ist: Aufgrund der niedrigen Expansionsrate des Universums wird das Entweichen der Photonen von der Lyman-alpha- Resonanz extrem erschwert. Dadurch kommt dem sehr unwahrscheinlichen Zwei-Photonen-Übergang von dem metastabilen 2s-Niveaus in den Grundzustand eine entscheidende Rolle für die Rekombination zu. Im Gegensatz zu normalen Dipol-Übergangen werden hierbei gleichzeitig zwei Photonen emittiert. Etwa 57% aller Elektronen in neutralen Wasserstoffatomen haben den Grundzustand über den 2s-1s Zwei-Photonen-Zerfall erreicht. Als Folge ist die Rekombination stark verzögert und wird nicht durch die Gleichungen wiedergegeben, welche ein kühlendes Plasma im Saha-Gleichgewicht beschreiben. Außerdem wird aufgrund der extrem großen Entropie des Universums (mit etwa 2x109 Photonen pro Baryon) das primordiale Plasma von Photonen dominiert. Dadurch spielen Stöße von Atomen mit freien Elektronen und Ionen eine vernachlässigbare Rolle, und die Besetzung der hoch angeregten Atomniveaus wird vollständig durch Strahlungsübergänge, einschließlich stimulierter Rekombination und induzierter Emission, bestimmt.

Detailierte Rechnungen haben es jetzt erlaubt, das genaue Spektrum dieser Rekombinationsstrahlung zu ermitteln. Hierbei wurden alle möglichen Übergänge für Elektronen in angeregten Zuständen des Wasserstoffatoms mit Hauptquantenzahlen bis zu n=100 berücksichtigt. Das berechnete Spektrum ist aufgrund der Expansion des Universums mehr als 1000fach rotverschoben, und ursprüngliche ultraviolett Photonen erreichen den Beobachter heute im sub-mm-Bereich des elektromagnetischen Spektrums. Übergänge zwischen stark angeregten Zuständen führen daher zu Photonen die heute bei Radiofrequenzen beobachtbar sein sollten. Gerade in diesem Frequenzband hat die experimentelle Technik im Zusammenhang mit den extrem erfolgreichen Untersuchungen der richtungsabhängigen Variationen in der Temperatur des kosmischen Mikrowellenhintergrunds unübertroffene Empfindlichkeit erreicht.

Das resultierende Spektrum ist in Abbildung 1 gezeigt. Für Experimentatoren ist das Verhältnis des berechneten Signals zur Schwarzkörperstrahlung des kosmischen Mikrowellenhintergrunds entscheidend (vgl. Abb. 2). Vermutlich ist es am besten bei niedrigen Frequenzen, direkt oberhalb von 1.4 GHz, nach dem Rekombinationssignal zu suchen. Dort gibt es keine Linienemission von entfernten Galaxien, insbesondere in Verbindung mit der 21 cm Linie des neutralen Wasserstoffs. Die eingefügte Abbildung zeigt die Frequenzabhängigkeit des Rekombinationssignals. Es hat ein besonderes „Muster“, welches nicht leicht mit dem anderer astrophysikalischer Quellen verwechselt werden kann. Daher könnten Beobachter dieses „spektrale Template“ benutzen, um das Rekombinationssignal von anderen Signalen zu trennen.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik schlagen deshalb eine neue Art von Experiment vor: Statt den Himmel bei fester Frequenz nach winzigen, richtungsabhängigen Variationen in der Temperatur des kosmischen Mikrowellenhintergrunds abzusuchen, sollte man die Strahlung von einem großen Bereich des Himmels bei verschiedenen Frequenzen beobachten, und nach der vorhergesagten, charakteristischen spektralen Variabilität suchen (Abb. 3). Experimente, die momentan in den USA zur Vermessung der richtungsabhängigen Fluktuation in der Temperatur des kosmischen Mikrowellenhintergrunds vorgeschlagen sind, könnten bereits eine Empfindlichkeit von 10 nK erreichen. Das Rekombinationssignal hingegen hat eine Amplitude von 50 bis 100 nK. Zudem ist das diskutierte Spektrum der Rekombinationsstrahlung in allen Richtungen des Himmels gleich, sodass es schon ein relativ kleines Experiment erlauben könnte, diese Signale zu messen. Hierbei ist nur wichtig, dass die Detektoren die Strahlung gleichzeitig von einem großen Bereich es Himmels sammeln.

Die Position der Maxima und Minima im Rekombinationsspektrum hängt direkt von der Temperatur des kosmischen Mikrowellenhintergrunds ab (Abb. 4). Die bisher genauste Messung der Temperatur des kosmischen Mikrowellenhintergrunds mithilfe der COBE-Raumsonde wurde 2006 mit dem Nobelpreis für Physik gewürdigt. Es ist hilfreich, neue, unabhängige Methoden zur Bestimmung der Temperatur des kosmischen Mikrowellenhintergrunds zu entwickeln, und die hier diskutierten Rekombinationslinien könnten dafür eine Möglichkeit bieten. Außerdem hängt die Intensität des Rekombinationsspektrums direkt von der Gesamtmenge der Wasserstoffatome im Universum ab, ist jedoch weitgehend unabhängig von den anderen kosmologischen Parametern. Daher sollte es die Beobachtung der Rekombinationslinien erlauben, direkt die spezifische Entropie des Universums zu bestimmen. Im Prinzip könnte es auch möglich sein, das primordiale Mengenverhältnis von Helium und Wasserstoff, weit vor dem Entstehen der ersten Sterne, zu messen, und darüber hinaus den genauen zeitlichen Verlauf der Rekombinationsgeschichte zu rekonstruieren.

In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass die Photonen, welche das Rekombinationssignal bilden, hauptsächlich bei Rotverschiebungen z~1300 und 1400 emittiert wurden, also vor dem Zeitpunkt, an dem das Universum aufgrund der Rekombination durchsichtig wurde und die letzte Streuung der Photonen des Mikrowellenhintergrunds stattfand. Gerade diese letzte Streuung spielt aber für die beobachteten richtungsabhängigen Variationen in der Temperatur des Mikrowellenhintergrunds eine sehr wichtige Rolle. Zurzeit wird am Max-Planck-Institut für Astrophysik und dem Instituto de Astrofisica de Canarias an einem vollständigem spektralem Template der kosmologischen Rekombinationsstrahlung gearbeitet, welches auch die Beiträge von Helium berücksichtigt. Die Rekombination von Helium geschieht in zwei Stufen, eine bei z~6000, die zweite bei z~1800. Eine Beobachtung dieser Strahlung, ermöglicht es daher, das Universum in sehr frühen Phasen zu untersuchen. Das berechnete spektrale Template könnte dann bei der Suche nach den hier diskutierten Signalen benutzt werden. Die Existenz der Rekombinationslinien im Spektrum des kosmischen Mikrowellenhintergrunds würde ferner den endgültigen Beweis dafür liefern, dass die Rekombination des Universums so stattgefunden hat, wie es aus theoretischer Sicht erwartet wird.

Originalveröffentlichungen

Chluba, J. and R. Sunyaev:
Free-bound emission from cosmological hydrogen recombination
Astronomy and Astrophysics 458, L29-32 (2006).
Rubino-Martin, J.A., J. Chluba and R. Sunyaev:
Lines in the cosmic microwave background spectrum from the epoch of cosmological hydrogen recombination
Monthly Notes Royal Astronomical Society 371, 1939-1952 (2006).
Chluba, J. and R. Sunyaev
Is there a need and another way to measure the cosmic microwave background temperature more accurately?
Astronomy and Astrophysics 478, L27-30 (2008).
Mather, J.C., D. J. Fixsen, R. A. Shafer, C. Mosier and D. T. Wilkinson
Calibrator Design for the COBE Far-Infrared Absolute Spectrophotometer (FIRAS)
Aplied Journal 512, 511-520 (1999).
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