Forschungsbericht 2006 - Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht

Erste Max Planck Postdoktoranden-Konferenz zum europäischen Privatrecht

First Max Planck Postdoc Conference on European Private Law

Autoren
Bischoff, Jan
Abteilungen

Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht
MPI für ausländ. und internat. Privatrecht, Hamburg

Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung
MPI für ausländ. und internat. Privatrecht, Hamburg

Zusammenfassung
Im Juni 2006 fand im Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht die First Max Planck Postdoc Conference on European Private Law statt. Achtzehn Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus ganz Europa waren eingeladen, um ihre Forschungsarbeiten zu präsentieren und zu diskutieren. Das Themenspektrum reichte von der rechtsvergleichenden Bearbeitung schuldrechtlicher Fragen über das internationale Privatrecht sowie das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht bis hin zum Zivilverfahrens-, Arbeits- und Umweltschutzrecht.
Summary
In June 2006, the Max Planck Institute for Comparative and International Private Law has held the First Max Planck Postdoc Conference on European Private Law where 18 young scholars from various European countries presented and discussed the propositions of their respective Ph.D. thesis. The subjects ranged from the law of obligations to private international law and company law to civil procedure, labor and environmental law. This conference has carried forward the successful series of the “Habilitandenkolloquien”, organized by the institute since 1999 and expanded the group of participants to young scholars from across Europe.

Am 27. und 28. Juni 2006 lud das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht achtzehn Nachwuchswissenschaftler aus ganz Europa zur First Max Planck Postdoc Conference on European Private Law ein. Die Konferenz setzte die seit 1999 durchgeführte Veranstaltungsreihe der Habilitandenkolloquien fort. Ziel war, den Austausch und die Vernetzung unter den jungen Wissenschaftlern zu fördern und die Arbeit und die Bibliothek des Instituts bekanntzumachen.

Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

Einen ersten Themenschwerpunkt bildete das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. „Codes of Conduct in the Financial Sector: Legal Nature and Function“ war das Thema des Vortrags von Christina Livada von der Universität Athen. Codes of conduct, gemeinsame Werte und Verhaltensregeln, seien von immer stärkerer Bedeutung für den Finanzsektor. Im Gegensatz zu den traditionellen codes of conduct als reinem soft law seien gerade im Bereich der Investmentdienstleistungen codes of conduct in Form bindenden Rechts zu beobachten. Daher müssten aber eigene Konzepte für ihre Analyse gefunden werden.

Eine verhaltensökonomische Analyse des Rechts lieferte Geert Raaijmakers von der Universität Maastricht in seinem Bericht zum Thema „The Effectiveness of Rules and Regulations in Company and Securities Law“. Raaijmakers forderte im Hinblick auf die im Gesellschaftsrecht zunehmenden gesetzlichen Verhaltensregeln für Vorstände und Finanzdienstleister, der Gesetzgeber solle die darin verfolgten Zielsetzungen klarer formulieren. So ließen sich erwünschte Folgen von unerwünschten Nebenfolgen trennen und somit die Gesetze effizienter zu machen.

Pierre-Henri Conac von der Universität Paris I (Panthéon-Sorbonne) betrachtete in seinem Beitrag zum Thema „The Influence of American Law on French Corporate and Securities Law“ den in den letzten zehn Jahren zunehmenden Einfluss des amerikanischen Rechts auf das französische Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Gründe für diese Entwicklung sieht Conac einerseits in den europäischen Richtlinien, die nach amerikanischem Vorbild geschaffen wurden, zum anderen im Bestreben weltweit tätiger Unternehmen, amerikanische Standards zu erfüllen.

Eine rechtsvergleichende Untersuchung des Übernahmerechts in Großbritannien und Frankreich lieferte Ferna Ipekel im Vortrag zum Thema „Takeover Regulation in the UK and France“. Die von der Yeditepe-Universität Istanbul stammende Wissenschaftlerin analysierte die Übernahmerichtlinie 2004/25/EG und ihre Umsetzung in Frankreich und Großbritannien. Besonders interessant sei die unterschiedliche Struktur der Verteilung des Aktienbesitzes in beiden Ländern und auch der Einfluss des britischen Rechts auf die Richtlinie.

Internationales Privatrecht

Den zweiten Schwerpunkt bildete das internationale Privatrecht. Stéphanie Francq von der Katholischen Universität Louvain-la-Neuve berichtete aus ihrer Dissertation „The Scope of Secondary Community Law in the Light of the Methods of Private International Law – or the other way around?“ und untersuchte dabei den Anwendungsbereich der Verbraucherschutzrichtlinien im Hinblick auf die zwei Grundkonzeptionen des internationalen Privatrechts: die unilaterale und die heute vorherrschende plurilaterale Konzeption. Verbraucherschutzrichtlinien bestimmten ihren Anwendungsbereich selbst, seien aber keine lois de police. Daher müsse man diese Normen unilateral erklären.

„The Influence of the Rome Convention 1980 on the Law Applicable to Contractual Obligations on Russian Private International Law“ war Gegenstand des Vortrags von Anton Asoskov von der Lomonosov Universität Moskau. Das Römer Schuldvertragsabkommen von 1980 habe bei der Formulierung des russischen Zivilgesetzbuches von 2001 einen erheblichen Einfluss gehabt. Die Neuerungen in der Rom-I-Verordnung würden den russischen Gesetzgeber nun erneut unter Handlungsdruck setzen.

Eine methodische Untersuchung des internationalen Privatrechts lieferte Didier Boden in seinem Vortrag „L’ordre public, limite et condition de la tolérance“. Der Wissenschaftler von der Universität Paris I (Panthéon-Sorbonne) führte eine Vielzahl von dogmatischen Problemen des internationalen Privatrechts auf eine methodische Vermischung der Grundkonzepte zurück. Bei der Idee des ordre public handele es sich um ein typisch unilateral-pluralistisches Instrument, das mit Begriffen des bilateral-monistischen Ansatzes methodisch nicht erklärt werden dürfe.

Ulla Liukkunen von der Universität Helsinki erläuterte in ihrem Beitrag „The Role of Mandatory Rules in International Labour Law – a Comparative Study in the Conflict of Laws“ die Schwierigkeiten bei der inhaltlichen Bestimmung des Begriffs der zwingenden Regeln im internationalen Arbeitsrecht. Dabei könne die Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern trotz der uneinheitlichen Umsetzung in den skandinavischen Ländern hilfreich sein.

Alex Mills von der University of Cambridge zeigte in seinem Referat „International Norms in Private International Law“ den historischen Zusammenhang zwischen dem internationalen Privatrecht und dem Völkerrecht auf. Mills plädierte dafür, das Völkerrecht wieder stärker als einen Rahmen für das internationale Privatrecht zu betrachten, der bei der Problemlösung mit Wertungen behilflich sein könne. Er verwies dabei auf das nationale Recht, in dem das Verfassungsrecht einen Rahmen für das Privatrecht bilde.

Vertragsrechtsvergleichung und -vereinheitlichung

Die Vertragsrechtsvergleichung wie -vereinheitlichung bildete den dritten Schwerpunkt. In seinem Bericht „Reliance and Expectation Damages in Precontractual Relations“ führte Giorgio Afferni von der Universität Genua die vorvertragliche Haftung im europäischen Privatrecht auf eine verschuldensabhängige Konzeption als culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss) oder verschuldensunabhängige unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium (Zuwiderhandlung gegen das eigene frühere Verhalten) zurück. Die Kompensation hänge davon ab, ob ein Vertrag nicht oder zu anderen Bedingungen als gewollt geschlossen worden ist.

Attila Menyhárd von der Universität Budapest analysierte in seinem Vortrag „Immoral Contracts in Modern Contract Law“ am Beispiel des ungarischen Zivilgesetzbuches die Entwicklung gesetzlicher Bestimmungen, die Verträge wider die guten Sitten für nichtig erklären. Mittlerweile würden auch Verhaltensweisen, die im Sinne einer public policy sozial und wirtschaftlich unerwünscht seien, als Verstoß gegen die guten Sitten gewertet.

Die United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG) stand im Mittelpunkt der nächsten Beiträge. Sonja Kruisinga von der Universität Utrecht untersuchte in ihrem Vortrag „Non-Conformity in CISG: A Uniform Concept?“ Aspekte der vertragsgemäßen Leistung nach dem CISG. Mangels einer zentralen Rechtsprechungsinstanz sei eine einheitliche Begriffsbildung in Einklang mit Art. 7 CISG problematisch. Dennoch würden die Gerichte in Anwendung des CISG die Rechtsprechung anderer Länder berücksichtigen. „The Principle of Good Faith in CISG“ war Gegenstand des Berichts von Mateusz Pilich von der Universität Warschau. Trotz der Bedeutung des Begriffs von Treu und Glauben im europäischen Privatrecht hätte bei der Schaffung des CISG dem Art. 7 Abs. 1 kein einheitliches Verständnis zugrunde gelegen. In gewissen Grenzen könne aber Treu und Glauben als ein allgemeines Rechtsprinzip des CISG betrachtet werden. Im Übrigen sei aber das Kriterium der reasonableness im CISG ein funktionelles Äquivalent hierzu.

Schadensersatzrecht

Eine umfassende Betrachtung des Schadensersatzrechts bildete den letzten Schwerpunkt der Konferenz. In ihrem Vortrag „Le dommage écologique: la réparation des atteintes au milieu naturel par les mécanismes du droit de la responsabilité civile“ plädierte Anne-Sylvie Dupont aus Genf dafür, die Wertungen des Gesetzes zur Haftung für genetisch veränderte Organismen auf Fälle von Umweltschäden zu übertragen. Jeder, der in seinen Interessen verletzt worden ist, solle nach geltendem Recht – trotz der in der Schweiz maßgeblichen Differenzhypothese – umfassend entschädigt werden.

Welche völkerrechtlichen Grenzen bei der Regulierung der Umweltverschmutzung durch Schiffe bestehen, stellte Lorenzo Schiano di Pepe von der Universität Genua dar. In seinem Bericht „International and European Regulation of Ship-Source Pollution from the Perspective of the Coastal State“ diskutierte er, welche Möglichkeiten ein Küstenstaat hat, regulierend tätig zu werden und international anerkannte Regeln und Standards durchzusetzen. Auch die Europäische Union als Vertragspartei der UNCLOS (United Nations Convention on the Law of the Sea) sei hierzu aufgerufen.

Das Produkthaftungsrecht war Gegenstand der Vorträge von Monika Jagielska, Schlesische Universität Kattowitz, und von Jean-Sébastien Borghetti, Universität Nantes. Jagielska untersuchte in ihrem Bericht „Product Liability in European Private Law“ die unterschiedliche Ausgestaltung der Produkthaftung im europäischen Privatrecht. Die Produkthaftung sei Gegenstand allgemeiner Haftungsregelungen, aber auch speziell für die Produkthaftung geschaffener Normen. Die Produkthaftungsrichtlinie sei oftmals Anlass für besondere Regelungen gewesen, ihre Umsetzung konnte aber die grundsätzlichen Unterschiede als Risiko- oder Verschuldenshaftung nicht beseitigen. Borghetti nahm eine rechtsvergleichende Betrachtung des Produkthaftungsrechts vor. In dem Vortrag „La Responsabilité du Fait des Produits: Étude de Droit Comparé“ führte er in seiner historischen Entwicklung das Produkthaftungsrecht in Europa auf das deutsche Modell der deliktischen und auf das französische Modell der vertraglichen Haftung zurück. Dennoch seien Ergebnisse und Wertungen der Rechtsprechung vergleichbar, sodass bereits vor der Produkthaftungsrichtlinie eine hohe Konvergenz bestand.

Methodenlehre

Den Abschluss der Konferenz bildete der methodologische Vortrag von Zdenek Kühn von der Karlsuniversität in Prag zum Thema „The Methodological Problems of the Application of Private Law in Post-Communism“. Kühn bemängelte die unzureichende methodische Schulung der in der kommunistischen Ära ausgebildeten Richter, die zu einer geradezu orthodoxen Haftung am Wortlaut des Gesetzes und zu wenig nachvollziehbaren, zufälligen Ergebnissen führe.

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