Forschungsbericht 2009 - Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme

Regelung von Brennstoffzellensystemen

Control of fuel cell systems

Autoren
Mangold, Michael; Kienle, Achim
Abteilungen
Fachgruppe: Prozesssynthese und Prozessdynamik (Prof. Dr. Achim Kienle)
MPI Dynamik komplexer technischer Systeme, Magdeburg
Zusammenfassung
Brennstoffzellen können elektrische Energie mit sehr hohen Wirkungsgraden erzeugen. Sie stellen daher einen wichtigen Baustein für eine zukünftige Energieversorgung dar. Der Betrieb und die Regelung von Brennstoffzellen ist aber anspruchsvoll. In diesem Beitrag werden typische Probleme der Regelung von Brennstoffzellensystemen in unterschiedlichen Leistungsklassen erläutert, und es werden Lösungsansätze aufgezeigt.
Summary
Fuel cells offer a highly efficient way to generate electrical energy. Therefore they may be an important element in a future energy supply structure. However, the operation and control of fuel cell systems is quite demanding. This contribution illustrates typical challenges for control of fuel cell systems in different power ranges and outlines solution approaches.

Brennstoffzellen dienen der Erzeugung elektrischer Energie. Dazu führt man der Brennstoffzelle ein Brenngas, meist Wasserstoff, und Luft oder Sauerstoff in getrennten Gaskanälen zu. Die Gaskanäle sind durch eine ionenleitende, gasdichte Membran miteinander verbunden. Das Brenngas wird in einer elektrochemischen Reaktion oxidiert. Dabei bildet sich an der Membran eine Spannungsdifferenz, die genutzt werden kann, um elektrische Verbraucher zu betreiben. Im Vergleich zur konventionellen Stromerzeugung, die elektrische Energie über eine Verbrennungsmaschine und einen Generator gewinnt, entfallen bei der Brennstoffzelle die Zwischenschritte der Umwandlung von chemischer in mechanische Energie und von mechanischer in elektrische Energie. Die Brennstoffzelle zeichnet sich daher durch einen deutlich höheren Wirkungsgrad aus. Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten mit einem weiten Leistungsspektrum, von kleineren Formaten im Milliwatt- oder Wattbereich, wie z. B. Notebooks oder Mobiltelefone, über Anwendungen für Fahrzeugantriebe bis hin zur stationären dezentralen Energieerzeugung im Bereich von etwa 100 kW bis 1000 kW.

Zahlreiche Forschungsaktivitäten sind derzeit darauf ausgerichtet, der Brennstoffzellentechnologie den Weg in die breite Anwendung zu ebnen. Der Schwerpunkt lag bislang auf materialwissenschaftlichen Fragestellungen wie der Wahl geeigneter Membranen oder Katalysatoren. Inzwischen rücken aber Probleme des Verhaltens des gesamten Systems und der optimalen Fahrweise von Brennstoffzellensystemen in den Mittelpunkt des Interesses. Die Betriebsführung von Brennstoffzellensystemen ist aus verschiedenen Gründen anspruchsvoll. Zum einen ist das Fenster geeigneter Betriebsbedingungen, unter denen eine Brennstoffzelle optimal arbeitet, recht eng. Zum anderen steht häufig eine Vielzahl von Systemparametern zur Verfügung, die geeignet zu wählen sind, wie z. B. Gasmengen, Gaszusammensetzungen oder Kühltemperaturen. Im Folgenden soll anhand von Arbeiten, die am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme entstanden sind, gezeigt werden, welche Herausforderungen sich bei der Regelung von Brennstoffzellensystemen stellen und welche Lösungsansätze vielversprechend sind. Es werden drei Beispiele aus unterschiedlichen Leistungsklassen vorgestellt. Diese sollen illustrieren, welche Prozessführungsaufgaben sich in Abhängigkeit der Größe des Brennstoffzellensystems stellen.

Regelung eines Mikrobrennstoffzellenstacks

Das erste Beispiel ist ein Miniatur-Brennstoffzellensystem mit einer elektrischen Leistung von ca. 10 W, das am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration entwickelt wird und für das am Max-Planck-Institut in Magdeburg ein Regelungskonzept entworfen wurde [1], gezeigt in Abbildung 1(a). Das Mikrobrennstoffzellensystem soll klein, leicht und kostengünstig zu fertigen sein. Dementsprechend eingeschränkt sind die Ressourcen, die für die Systemregelung zur Verfügung stehen. Die einzige Stellgröße, über die auf das System Einfluss genommen werden kann, ist die elektrische Leistung eines Lüfters, der die Brennstoffzelle mit Sauerstoff versorgt, sie gleichzeitig kühlt und Produktwasser aus der Zelle entfernt. Die Lüfterleistung ist stets so zu wählen, dass die Zelle eine geeignete Betriebstemperatur annimmt und der Wassergehalt in der Zelle auf einem günstigen Niveau liegt. Eine zu trockene Zelle besitzt eine schlechte elektrische Leitfähigkeit, in einer zu feuchten Zelle bildet sich Kondenswasser, das den Transport der gasförmigen Reaktanden behindert. Diese Problemstellung mit einer Stellgröße (der Lüfterleistung) und zwei Regelgrößen (Temperatur und Wassergehalt) ist nicht im Einklang mit den Prämissen der klassischen Regelungstechnik. Die klassischen Ansätze fordern eine identische Anzahl von Stell- und Regelgrößen, sodass hier neue Herangehensweisen notwendig sind. Zudem steht für die Implementierung des Reglers nur ein Microcontroller mit beschränkter Rechenleistung zur Verfügung, sodass komplizierte Regelalgorithmen nicht in Frage kommen.

Zur Lösung des Regelungsproblems wurde zunächst ein einfaches dynamisches Modell der Brennstoffzelle entwickelt, das das qualitative Systemverhalten korrekt wiedergibt. Das Modell besitzt nur zwei Variablen, nämlich die Zelltemperatur und die mittlere Wasserkonzentration, sodass sich sein Verhalten anschaulich in einem Phasendiagramm wie in Abbildung 1(b) darstellen lässt. Jeder Punkt in dem Diagramm steht für einen möglichen Zustand der Brennstoffzelle, aus dem der Regler das System in den gewünschten Zustand bringen soll. Der blau markierte Bereich steht für Betriebszustände, in denen Kondensation auftritt und die daher vermieden werden müssen. Die grünen fächerartigen Kreissegmente in den einzelnen Punkten des Diagramms geben an, in welche Richtungen man den Zustand der Brennstoffzelle prinzipiell bewegen kann, wenn man den verfügbaren Stellbereich der Lüfterleistung voll ausnutzt. Auf Basis der in dem Diagramm enthaltenen Informationen kann nun ein einfacher Regler konstruiert werden. Man sieht aus dem Verhalten der geregelten Brennstoffzelle in Abbildung 1(c), dass der Regler in der Lage ist, die Brennstoffzelle aus beliebigen Anfangszuständen in den gewünschten Betriebszustand zu überführen.

Regelung eines Brennstoffzellenstacks bei Lastwechseln mithilfe einer Ljapunow-Funktion

Als zweites Beispiel dient ein Niedertemperatur-Brennstoffzellenstack, der bei ca. 80°C arbeitet und starken Lastwechseln unterliegt. Diese Situation ist typisch für Brennstoffzellen im mittleren Leistungsbereich, wie sie z. B. in Fahrzeugantrieben zum Einsatz kommen. Derzeit wird die Wirkung von Lastwechseln auf die Brennstoffzelle dadurch abgemildert, dass zwischen Antriebsmotor des Fahrzeugs und Brennstoffzellenstapel eine Pufferbatterie geschaltet wird. Das erhöht aber das Gesamtgewicht des Fahrzeugs und die Kosten.

Eine elegantere Lösung besteht in einem Regelungskonzept, das die Brennstoffzelle in die Lage versetzt, raschen Lastwechseln zu folgen. Ein solches Konzept wurde am Max-Planck-Institut in Magdeburg entwickelt [2]. Die Grundidee des Reglers ist physikalisch motiviert: Es wird eine verallgemeinerte Energiefunktion, eine sogenannte Ljapunow-Funktion definiert, die den Abstand des Systems vom Sollzustand bewertet und am Sollzustand minimal wird. Der Regler wählt die verfügbaren Stellgrößen, in diesem Fall Gasströme, Gaszusammensetzungen und Kühlmitteltemperatur so, dass die Ljapunow-Funktion über der Zeit stets abnimmt, bis schließlich der Sollzustand am Minimalwert der Ljapunow-Funktion erreicht ist. Die Herausforderung bei diesem Konzept besteht in der Wahl einer geeigneten Ljapunow-Funktion. Dabei fließen thermodynamische und regelungstechnische Überlegungen ein. Abbildung 2 zeigt Ergebnisse einer Computersimulation zum Verhalten des geregelten Systems. Die Regelungsaufgabe besteht darin, die Brennstoffzelle von einem Arbeitspunkt 1 mit geringer Leistung zu einem Arbeitspunkt 2 mit hoher Leistung und wieder zurück zu führen. Ohne Regler gelingt das nicht: Ein einfaches Umschalten zwischen den Betriebsbedingungen an Punkt 1 und denen an Punkt 2 führt dazu, dass der Wassergehalt in der Zelle nach kurzer Zeit so stark ansteigt, dass die Brennstoffzelle geflutet wird und die erforderliche Leistung nicht mehr erbringen kann. Das geregelte System ist dagegen in der Lage, den geforderten Leistungssprung problemlos zu vollziehen.

Modellgestützte Messung bei einem Hochtemperatur-Brennstoffzellensystem

Das dritte Beispiel ist ein stationäres Schmelzkarbonat-Brennstoffzellensystem. Solche Systeme werden bei ca. 650°C betrieben und liefern eine elektrische Leistung von mehreren hundert Kilowatt. Sie besitzen den Vorteil, dass sie nicht mit Wasserstoff, sondern auch mit Erdgas betrieben werden können, und eignen sich daher besonders gut für die dezentrale Energieversorgung. Die Hauptschwierigkeit beim Betrieb von Hochtemperatur-Brennstoffzellen besteht im Temperaturmanagement. Die Temperatur im Brennstoffzellenstack darf vom Nominalwert weder nach oben noch nach unten deutlich abweichen, weil dies den Wirkungsgrad des Systems verschlechtert bzw. das Katalysatormaterial schädigt. Zudem dürfen auf der gesamten 1 bis 2 m² großen Elektrodenfläche keine starken örtlichen Temperaturgradienten auftreten, weil das zu thermischen Spannungen führen würde. Das Problem des Temperaturmanagements wird dadurch noch vergrößert, dass es recht schwer ist, die Temperatur im Innern des Stacks im laufenden Betrieb zu messen. Das liegt daran, dass sich im Stack eine hoch korrosive Salzschmelze befindet, die Temperaturfühler nach kurzer Zeit zerstört. Gemessen werden können nur Temperaturen am Austritt der Brennstoffzelle und die Zellspannung.

Dieses Problem kann durch eine modellgestützte Messung oder Zustandsschätzung gelöst werden [3]. Dabei wird eine Prozesssimulation derart mit den verfügbaren Messdaten verknüpft, dass Unsicherheiten im Modell mithilfe der Messungen kompensiert werden. Simulierte, aber nicht direkt messbare Größen können dann als realistische Schätzungen für die wahren Werte dienen. Abbildung 3 zeigt einen Test des Zustandsschätzers für das Hochtemperatur-Brennstoffzellensystem. Um beurteilen zu können, wie gut die Schätzungen tatsächlich sind, wurden zusätzliche Kontrollmessungen der Gaszusammensetzung am Brennstoffzellenaustritt vorgenommen, die im normalen Betrieb nicht zur Verfügung stehen. Es zeigt sich, dass diese Schätzungen in guter Genauigkeit mit den tatsächlichen Werten übereinstimmen. Die Ergebnisse der Zustandsschätzung können nun als Eingangssignale für einen Regler verwendet werden, der die Maximaltemperatur im Stack und die maximalen Temperaturgradienten auf einem gewünschten Wert hält [4]. Mithilfe einer solchen modellgestützten Regelung kann man die Kapazitäten des Brennstoffzellensystems besser nutzen und die erzielbare Leistungsdichte erhöhen.

Fazit

Erkenntnisse in der Regelungstechnik sind unverzichtbar beim Erschließen neuer Techniken für die Energiegewinnung. Brennstoffzellen bieten hier aufgrund ihres nichtlinearen Systemverhaltens eine Vielzahl von Herausforderungen. Je nach Einsatzbereich variieren die Anforderungen an die Prozessführung stark. In diesem Beitrag wurde die Regelung von Einzelsystemen diskutiert. Zukünftige regelungstechnische Herausforderungen betreffen die Vernetzung von Brennstoffzellensystemen untereinander sowie mit anderen elektrischen Energiequellen und Energiespeichern.

Originalveröffentlichungen

C. Kunde:
Modellierung und Regelung eines Mikrobrennstoffzellenstacks.
Diplomarbeit, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (2010).
M. Mangold, A. Bück, R. Hanke-Rauschenbach:
Passivity based control of a distributed PEM fuel cell model.
Journal of Process Control 20, 292-313 (2010).
M. Grötsch, M. Gundermann, M. Mangold, A. Kienle, K. Sundmacher:
Development and experimental investigation of an extended Kalman filter for a molten carbonate fuel cell system.
Journal of Process Control 16, 985-992 (2006).
M. Sheng, M. Mangold, A. Kienle:
A strategy for the spatial temperature control of a molten carbonate fuel cell system.
Journal of Power Sources 162, 1213-1219 (2006).
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