Forschungsbericht 2005 - Max-Planck-Institut für Chemie

Modellierung der tropischen Troposphärenchemie

Modelling of Tropical Tropospheric Chemistry

Autoren
Lawrence, Mark G.
Abteilungen

SAPHIRE (BMBF-Programm AFO2000) (Dr. Mark Lawrence)
MPI für Chemie, Mainz

Zusammenfassung
Die Nachwuchsgruppe des MPI Chemie hat verschiedene Aspekte der tropischen Troposphärenchemie unter Anwendung von zwei 3D-Modellen untersucht. Dieser Bericht gibt einen Überblick über einige Schlüsselergebnisse, wobei das Augenmerk besonders auf zwei Hauptthemen liegt: 1) dem Ausstoß von Schadstoffen aus Südasien und dem Einfluss verschiedener Faktoren auf die Verschmutzung über dem Indischen Ozean; 2) der Bedeutung der hochreichenden Konvektion für die Troposphärenchemie, vor allem in den Tropen und deren Betrachtung in wolkenauflösenden und globalen Modellen.
Summary
The junior research group has been examining several aspects of tropical tropospheric chemistry using two 3D models. Here an overview of the results is given, focusing particularly on two central activities of the group: 1) the outflow of pollutants from southern Asia and the factors controlling pollution over the Indian Ocean; 2) the role of deep convection in tropospheric chemistry, especially in the tropics, and its treatment in cloud-resolving and global models.

Die Tropen spielen eine entscheidende Rolle für die Chemie und das Klima der globalen Atmosphäre. Ein Grund hierfür ist das starke Sonnenlicht, welches schnelle photochemische Reaktionen und die Entstehung von hochreichenden Kumulus-Konvektionswolken hervorruft. Ein weiterer Grund sind die starken Emissionen, z.B. durch die sehr schnell anwachsende Bevölkerung Asiens. In den Jahren 2000 bis 2005 förderte das BMBF-Atmosphärenforschungsprogramm AFO2000 ein Nachwuchsgruppen-Projekt mit dem Namen „SAPHIRE“ (Southern Asian Photochemistry and Impacts of the Redistribution of Emissions, http://www.mpch-mainz.mpg.de/~saphire) am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Das SAPHIRE-Projekt untersuchte verschiedene Aspekte der tropischen Troposphärenchemie unter Anwendung von zwei 3D-Modellen: einem globalen Modell namens MATCH-MPIC (Model of Atmospheric Transport and Chemistry - Max Planck Institute for Chemistry version) und einem wolkenauflösenden Modell namens WRF (Weather Research and Forecast Model). Dieser Bericht gibt einen Überblick über wesentliche Ergebnisse des Projekts.

Charakteristisch für die südasiatische Meteorologie ist eine Monsunzirkulation. Während des Winter- (oder Nordost-) Monsuns transportieren starke, kontinuierliche Winde Schadstoffe vom Kontinent über den Ozean zur innertropischen Konvergenzzone (ITCZ), die sich während dieser Jahreszeit bei ungefähr 5 – 10 °S befindet. Während des Sommer- (oder Südwest-) Monsuns bewegt sich die ITCZ über den indischen Subkontinent in Richtung Norden. Hieraus resultieren eine starke auflandige Strömung und der bekannte Monsunregen. Unsere Arbeit bezüglich der Charakteristika der regionalen Atmosphärenchemie begann mit Analysen der Beobachtungen der internationalen Messkampagne „Indian Ocean Experiment“ (INDOEX, Januar bis April 1999). Den hohen Konzentrationen von Schadstoffen wie Kohlenmonoxid (CO) in der nördlichen Hemisphäre (NH) steht die relativ reine südliche Hemisphäre (SH) gegenüber (Abb. 1). Mit MATCH-MPIC war es möglich Berechnungen und sogar Vorhersagen bezüglich der CO- und O3-Mischungsverhältnisse zu machen, die den Beobachtungen z.B. auf Forschungsschiffen während der INDOEX-Kampagne sehr ähnlich waren, vor allem in Bezug auf den großen Unterschied zwischen der sauberen Luft in der SH und der verschmutzten Luft in der NH nahe der ITCZ. Das Modell konnte auch die beobachteten hohen Ozon-Konzentrationen in der marinen Grenzschicht nahe der indischen Westküste reproduzieren. Hier waren die O3-Konzentrationen höher als in der Nähe von großen Küstenstädten und dies scheint eine signifikante photochemische O3-Produktion in den Abwindfahnen aus städtischen Gebieten anzudeuten. In den Städten halten hohe Stickoxid (NOx)-Konzentrationen die O3-Konzentration gering. Wir vermuteten daraufhin, dass eine solche O3-Produktion auch über ländlichen Regionen Indiens entstehen würde. Diese Hypothese wurde danach durch Beobachtungen von ländlichen Gebieten an der Westküste Indiens unterstützt.

Während des Sommermonsuns befördert die hochreichende Konvektion Schadstoffe von der Erdoberfläche bis in die obere Troposphäre, wo sie mit der östlichen Tropenströmung in Richtung Westen transportiert werden (Abb. 2). Diese Abwindfahne ist sehr variabel, trat aber im Laufe jedes von uns simulierten Jahres (1993 bis 2005) auf. Die Beobachtung dieser Abwindfahne war eines der Hauptziele der Feldmesskampagne namens MINOS (Mediterranean Intensive Oxidants Study), welche im August 2001 von Kreta aus durchgeführt wurde. Im Verlauf dieser Kampagne gelang es bei drei Flügen bedeutende Anstiege von CO, die in Verbindung mit den Emissionen aus Asien stehen, in der oberen Troposphäre zu beobachten. Diese Flüge wurden mithilfe von globalen „chemischen Wettervorhersagen“ durch MATCH-MPIC geplant, wodurch bestimmt werden konnte, wo die Abwindfahnen höchstwahrscheinlich zu finden waren. Ein Prototyp dieses Vorhersagesystems wurde während der INDOEX-Kampagne entwickelt. Das war das erste Mal, dass globale chemische Wettervorhersagen für die Planung einer Feldkampagne eingesetzt wurden. Zahlreiche Feldkampagnen wurden seit Juni 2001 durch routinemäßige Vorhersagen durch MATCH-MPIC unterstützt.

Zwischen Sommer- und Wintermonsunen liegen die so genannten „Monsunübergangszeiten“. In dieser Zeit wandert die ITCZ nach Norden oder Süden, die meridionalen Winde werden schwächer und die zonalen Passatwinde über dem Indischen Ozean erstarken. Wir haben herausgefunden, dass während dieser Zeitspannen, in etwa im Mai und September, große Abwindfahnen von Schadstoffen über den zentralen Indischen Ozean ziehen. Diese kommen aus Afrika und Indonesien und entstehen hauptsächlich durch Biomassen-Verbrennung. Diese Abwindfahnen sind in Satellitenberechnungen von NO2 auffindbar und werden von MATCH-MPIC simuliert (Abb. 3b). Nach den Berechnungen findet der Transport vor allem in einer Höhe von 3 bis 10 Kilometern statt. Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass der zentrale Indische Ozean nicht immer so rein ist wie während des Wintermonsuns. Es ist vor allem interessant, dass während dieser Zeitspanne die Verschmutzung südlich von 10 °S sogar höher ist als über dem nördlichen Indischen Ozean. Dies stellt einen interessanten Kontrast dar zu dem, was während INDOEX beobachtet wurde (vergleiche Abb. 3b mit Abb. 1 und 3a).

Einer der komplexesten und wichtigsten atmosphärischen Prozesse, die die Schadstoffkonzentrationen über Südasien und anderen Regionen beeinflussen, ist der vertikale Transport in hochreichenden konvektiven Wolken. Die Netto-Auswirkung hochreicheneder Konvektion auf troposphärisches O3 wird seit mehr als einem Jahrzehnt diskutiert. Wir verwendeten MATCH-MPIC, um die Bedeutung des konvektiven Transports auf den O3-Haushalt detailliert zu untersuchen und haben hierbei berechnet, dass der konvektive Transport von Ozon selbst eine beträchtliche Verringerung der troposphärischen O3-Lebenszeit und der O3-Säule (Abb. 4a) hervorruft. Andererseits führt der konvektive Transport von O3-Vorläufergasen wie NOx zu einer Erhöhung der O3-Produktion, die stärker ist als der Verlust durch die konvektive Vermischung von O3 selbst. Insgesamt stellt die Netto-Auswirkung der Konvektion auf das globale O3 also fast überall auf der Welt einen beträchtlichen Anstieg in der troposphärischen O3-Säule dar (Abb. 4b).

Es ist allerdings sehr schwierig die hochreichende Konvektion akkurat in globalen Chemie-Transport-Modellen zu simulieren, da die meiste Konvektion in einer horizontalen Skala von 1 Kilometer auftritt. Die horizontale Auflösung der momentan verfügbaren globalen Chemie-Transport-Modelle ist aber im besten Fall 100 km x 100 km. Dadurch müssen die Interaktionen zwischen den aufgelösten Skalen und Prozessen, die kleiner als diese Skalierung sind, durch Parametrisierungen berechnet werden. Dies bringt eine Unsicherheit in unsere Ergebnisse aus MATCH-MPIC und allen anderen globalen Chemie-Transport-Modellen. Um die Einzelheiten des konvektiven Transports von Spurengasen besser verstehen zu können und um unsere Parametrisierungen in MATCH-MPIC auswerten und verbessern zu können, haben wir einerseits an der Entwicklung verbesserter Parameterisierungen von Spurenstofftransporten durch hochreichende Konvektion gearbeitet und andererseits auch mit einem „wolkenauflösenden Modell“ namens WRF. Dieses hat eine Rasterauflösung von ungefähr 1 Kilometer. Wir haben die Gasphasen-Chemie aus MATCH-MPIC in WRF eingearbeitet und konnten es somit verwenden, um die Bedeutung hochreichender Konvektion für O3 und andere Gase zu untersuchen. Dabei lag unser Augenmerk zunächst auf der so genannten „Warm Pool“-Region des Pazifiks. Wir haben uns zuerst um die Behandlung der horizontalen Grenzbedingungen und um die Tendenzen der großskaligen vertikalen Advektion, die für mehrtägige Atmosphärenchemie-Simulationen in einem gebietsbegrenzten Modell wie WRF sehr wichtig sind, gekümmert. Diese Konfiguration des Modells haben wir dann benutzt, um eine Reihe von Prozessen, die mit Konvektion verbunden sind, wie z.B. starke Aufwinde, Blitze, Niederschlag und Auswaschen von Spurenstoffen, und deren Einflüsse auf O3 und andere Spurengase zu untersuchen.

Die Nachwuchsgruppe hat sich auch bei vielen anderen Projekten, die in Verbindung mit der tropischen Troposphärenchemie stehen, engagiert, wie zum Beispiel:

  • Modellevaluierung durch umfangreiches Vergleichen mit experimentellen Daten;

  • Analyse der Bedeutung der durchschnittlichen globalen OH-Konzentration und deren Abhängigkeit von der Berechnungsart;

  • Einbindung eines vereinfachten Mechanismus bezüglich der Oxidation von Isopren (C5H8) und anderen Nichtmethankohlenwasserstoffen (NMHCs) in MATCH-MPIC und der Untersuchung der Auswirkung auf das troposphärische O3;

  • Einbindung eines Schemas für die Oxidation von Monoterpenen (C10H16) in MATCH-MPIC und Aufzeigen, dass Hydroperoxide, die während der Monterpen-Oxidation gebildet werden, offensichtlich eine führende Rolle bei der Bildung von sekundären organischen Aerosolen spielen, obwohl ihre Beteiligung in der Vergangenheit generell vernachlässigt wurde;

  • Analyse des globalen troposphärischen Stickstoffzyklus und der Stickstoffdeposition, zusammen mit vorhergesagten Veränderungen im Laufe des nächsten Jahrhunderts;

  • Untersuchung der NOx-Produktion durch Blitze (einer der unsichersten aller wichtigen NOx-Quellen) und ihres bedeutenden Einflusses auf die troposphärische Oxidationseffizienz.
  • eine detaillierte Auswertung des hydrologischen Zyklus in MATCH und der Bedeutung von Verdunstung für Wasserdampfsimulationen.

Danksagung: Wir danken dem BMBF für die Förderung dieses Projektes sowie dem Max-Planck-Institut für Chemie, insbesondere der Abteilung Luftchemie und der Verwaltung, für die Zusammenarbeit und Unterstützung bei der Durchführung des Projektes.

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