Forschungsbericht 2005 - Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht

Japanisches Recht

Autoren
Baum, Harald
Abteilungen

Japan-Referat; Zeitschrift für Japanisches Recht / Journal of Japanese Law

Zusammenfassung
Ungeachtet der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung Japans sind die Kenntnisse über das japanische Recht in Deutschland und Europa vor allem wegen der Sprachbarriere nach wie vor unbefriedigend. Das MPI für ausländisches und internationales Privatrecht leistet Wissensvermittlung über dieses Recht seit längerem gestellt und betreibt intensiv Rechtsvergleichung mit Japan. Einer Zeitschrift für japanisches Recht wird herausgegeben. Die Zeitschrift dokumentiert und analysiert die vielfältigen Entwicklungslinien dieser Rechtsordnung.

Zur Bedeutung Japans

In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stand Japan aus Sicht etlicher westlicher Beobachter kurz davor, die Weltwirtschaft zu übernehmen. Nach dem spektakulären Zusammenbruch seiner spekulativ überhitzten Wirtschaft Anfang der neunziger Jahre und der sich anschließenden strukturell bedingten Rezession, die knapp anderthalb Jahrzehnte dauerte, war davon nicht mehr die Rede. Vielmehr wurde Japan rasch völlig abgeschrieben. Die eine Sichtweise war so falsch wie die andere, weder stellte Japan jemals eine Bedrohung für die Weltwirtschaft dar, noch konnten an der fortdauernden internationalen Marktführerschaft zahlreicher japanischer Unternehmen ernsthafte Zweifel bestehen. Die wirtschaftliche und zum Teil auch gesellschaftliche Krise ist inzwischen überwunden. Die zunächst äußerst zögerlichen, dann aber zunehmend energischer umgesetzten Reformen haben gegriffen, und heute steht das Land verschlankt und schlagkräftiger denn je dar. Seine Wirtschaft ist nach wie vor die zweitgrößte der Welt, und in Asien hat es, ungeachtet der verbreiteten Spekulationen über die künftige Rolle anderer asiatischer Volkswirtschaften, derzeit eine eindeutige wirtschaftliche Vormachtstellung inne.

Die Bedeutung Japans und damit implizit auch die seiner Rechtsordnung sollte mithin außer Frage stehen, doch sind die Kenntnisse des japanischen Rechts in Deutschland und in Europa noch immer wesentlich geringer als etwa die des US-amerikanischen Rechts. Dies hat verschiedene Ursachen, nicht zuletzt erweist sich die Sprachbarriere als ein gravierendes Hindernis. Dies ist umso bedauerlicher als die Rechtsvergleichung mit Japan von besonderem Reiz ist. Denn als Ergebnis einer vielschichtigen Rezeptionsgeschichte findet sich im heutigen Japan eine Gemengelage aus Rechtsfiguren des europäischen Rechts (vor allem des deutschen, aber auch des französischen). In weiten Bereichen, namentlich im Handels- und Wirtschaftsrecht, wird diese von Institutionen des später übernommenen US-amerikanischen Rechts überlagert. Diese Mischung ist ihrerseits in eine andere Rechtstradition und Rechtsmentalität eingebettet.

Das Hamburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, zu dessen Forschungsfeldern die Arbeit mit schwer zugänglichen Rechtsordnungen zählt, hat sich der Aufgabe der Wissensvermittlung über Japan seit längerem gestellt und betreibt intensiv Rechtsvergleichung und Auslandsrechtsforschung über dieses Land. Der Schwerpunkt liegt dabei im Bereich des Handels- und Wirtschaftsrechts. Ein Blick auf die vielfältigen auf Japan bezogenen Aktivitäten des Instituts vermittelt zugleich einen Eindruck vom Stand der einschlägigen Forschung, denn die Japanrechtsvergleichung ist in Deutschland zunehmend auf die in Hamburg geleistete Arbeit konzentriert.

Die Zeitschrift für Japanisches Recht

Im Zentrum der Aktivitäten steht die editorische Betreuung der Zeitschrift für Japanisches Recht / Journal of Japanese Law [1] (Abb. 1), die vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Japanischen Juristenvereinigung herausgegeben wird. Seit einiger Zeit besteht dabei eine editorische Kooperation mit dem Australian Network of Japanese Law. Die im Jahr 1996 gegründete Zeitschrift erscheint zweimal jährlich mit einem Umfang von rund dreihundert Seiten pro Ausgabe. Sie versteht sich als internationales Periodikum für in- und ausländische Wissenschaftler und Praktiker mit Interesse am japanischen Recht und hat sich zum Ziel gesetzt, in einem methodisch wie formal breit gefächerten Ansatz alle Bereiche dieser Rechtsordnung publizistisch zugänglich zu machen. Ferner soll für Nachwuchswissenschaftler, die sich mit Japan beschäftigen, eine Möglichkeit geschaffen werden, die Ergebnisse ihrer Arbeiten unter fachkundiger editorischer Betreuung vorstellen zu können. Die für die Zeitschrift entwickelten Regeln für den (schwierigen) Umgang mit japanischen Rechtsquellen haben sich inzwischen weitgehend als deutscher Standard für einschlägige Publikationen durchgesetzt.

Die Beiträge sind etwa hälftig in Deutsch und in Englisch abgefasst. Ausführliche Zusammenfassungen in der jeweils anderen Sprache tragen der internationalen Verbreitung der Zeitschrift Rechnung. Sie ist derzeit die weltweit einzige Publikation, die fokussiert und nach einem konsistenten Konzept die vielfältigen Entwicklungslinien des japanischen Rechts fortlaufend in westlichen Sprachen dokumentiert und analysiert. Die Zeitschrift hat zwei Themenschwerpunkte: Ergebnisse der Grundlagenforschung zum japanischen Recht unter Einschluss rechtssoziologischer und kulturanthropologischer Arbeiten werden präsentiert und sämtliche wichtige legislative Reformen in Japan werden publizistisch begleitet. Neue Gesetzgebung wird kommentiert, und oftmals werden die Kommentare durch Übersetzungen der einschlägigen Vorschriften ergänzt. Ferner berichtet die Zeitschrift durchgängig über wichtige obergerichtliche Entscheidungen wie auch über die aktuelle rechtspolitische Diskussion in Japan. Ausführliche Rezensionen westlicher Publikationen zum japanischen Recht und Informationen über Veranstaltungen und Ausbildungsmöglichkeiten runden das Bild ab.

Konferenzen mit Bezug zum japanischen Recht

Das Institut richtet in regelmäßigen Abständen, teils selbstständig, teils in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, Konferenzen zu Aspekten des japanischen Rechts aus.

Im Herbst 2004 organisierte das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht gemeinsam mit dem Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin ein internationales und interdisziplinäres Symposium zum Thema „Corporate Governance in Context: Corporations, State, and Markets in Europe, Japan and the US“. Im Kern ging es um den seit einiger Zeit in zahlreichen entwickelten Volkswirtschaften trotz erheblicher institutioneller Unterschiede zu beobachtenden strukturellen Wandel der „Governance“ vom Staat zum Markt. Stichwörter waren die Privatisierungen von staatlichen Unternehmen und Aufgaben, der Wechsel von einer verwaltungsgesteuerten Ex-ante-Kontrolle hin zu einer verstärkten gerichtlichen Ex-post-Überprüfung oder die zumindest partielle Ersetzung hoheitlicher Rechtsdurchsetzung durch privatrechtliche Mechanismen wie etwa Schadensersatzklagen wegen der Verletzung von Informationspflichten. Die Entwicklung in Japan erfuhr dabei besondere Beachtung. [2, 3]

Im März 2005 war das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht an der Organisation einer deutsch-japanischen Konferenz beteiligt, die in Zusammenarbeit mit Toshiyuki Kono von der Universität Kyûshû auf Naoshima (Japan) stattfand. Eine Gruppe von deutschen und japanischen Wissenschaftlern widmete sich einem Thema, das bisher kaum Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion war: der ökonomischen Analyse des Internationalen Privatrechts. Gegenstand der Vorträge und Diskussionen waren die Implikationen wirtschaftswissenschaftlicher Theorien für das internationale Privatrecht im Allgemeinen und für das internationale Vertrags-, Gesellschafts- und Deliktsrechts im Besonderen.

Im September 2005 beteiligte sich das Institut aktiv an der rechtsvergleichenden Tagung „Globalisierung und Recht – Beiträge Japans und Deutschlands zu einer internationalen Rechtsordnung im 21. Jahrhundert“, die im Deutschen Kulturzentrum in Tokyo stattfand. Rund 270 namhafte Wissenschaftler und Praktiker aus Deutschland, Japan und weiteren Ländern nahmen teil. Ziel der Veranstaltung, die einen wichtigen Beitrag zum „Deutschland in Japan“-Jahr 2005/2006 bildete, war das Bemühen, in Japan rechtswissenschaftliches Profil zu zeigen und durch hochkarätige Vorträge Werbung für das deutsche Recht und den Wissenschaftsstandort Deutschland zu machen. [4, 5]

Forschungsvorhaben zum japanischen Recht

Ein Forschungsprojekt zum Thema „Aktionärsrechte und Aktionärsklage in Japan“ befasste sich mit der Frage, welche Auswirkungen die Mitte der 1990er Jahre erfolgte Erleichterung der Aktionärsklage auf die Corporate Governance japanischer Unternehmen gehabt hat. Im Forschungsprojekt „Holdinggesellschaften in Japan“ wurde die wechselvolle rechtliche und tatsächliche Entwicklung nachgezeichnet, die diese Rechtsfigur im Lauf des 20. Jahrhunderts in Japan durchlaufen hat. Die Wiederzulassung der Holdinggesellschaft im Jahr 1997 nach einem fünfzigjährigen Verbot wird als eines der zentralen Instrumente für die aktuelle Umstrukturierung der japanischen Unternehmenslandschaft gewertet. Im Forschungsprojekt „Die Spaltung im japanischen Gesellschaftsrecht“ wurde das novellierte Spaltungsrecht einschließlich der flankierenden arbeits- und steuerrechtlichen Regeln erstmals einer umfassenden rechtsvergleichenden Analyse unterzogen. Hunderte japanischer Unternehmen haben das neue Instrument bereits genutzt, um ihre Organisationsstruktur den veränderten Anforderungen des globalen Wettbewerbs anzupassen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Im Jahr 2002 hat das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht eine Übersetzung des japanischen Handelsgesetzes – und damit zugleich des gesamten japanischen Aktienrechts – sowie des Rechnungsprüfungsgesetzes vorgelegt. Die Übersetzung gilt als das deutsche Standardwerk [6].

Im Forschungsprojekt „Die Einschränkung der Vertragsfreiheit zum Schutze des Verbrauchers im japanischen Recht“ wurde das Gesamtsystem des modernen Verbraucherschutzes in Japan untersucht. Die Ergebnisse werden erstmals in einer westlichen Sprache veröffentlicht. Die verschiedensten Rechtsmechanismen sowohl des öffentlichen Rechts als auch des Privatrechts werden umfassend erläutert. Im Ergebnis zeigt sich, dass das japanische Verbraucherrecht einen sehr ambivalenten Charakter aufweist. Einerseits zeichnet es sich durch eine im Vergleich zum deutschen Recht deutlich höhere Regelungsdichte aus. Andererseits kann daraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass auch das Verbraucherschutzniveau entsprechend hoch ist.

Originalveröffentlichungen

C. Kumpan:
Tagungsbericht.
Zeitschrift für Japanisches Recht / Journal of Japanese Law 18, 233ff. (2004).
K. J. Hopt, H. Baum:
Corporate Governance in Context: Corporations, State, and Markets in Europe, Japan, and the US.
Oxford: Oxford University Press, 2005.
E. Schwittek:
Tagungsbericht.
Zeitschrift für Japanisches Recht / Journal of Japanese Law 20, 259 ff. (2005).
O. Kliesow, U. Eisele, M. Bälz:
Das japanische Handelsgesetz.
Köln: Heymanns, 2002.
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