Forschungsbericht 2006 - Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Standort Stuttgart

Nanoteilchen für Supermagnete und Datenspeicher höchster Speicherdichte

Autoren
Goll, Dagmar
Abteilungen

Moderne magnetische Materialien (Prof. Dr. Gisela Schütz)
MPI für Metallforschung, Stuttgart

Zusammenfassung
Nanoteilchen sind die unabdingbare Voraussetzung für die Realisierung von superstarken Dauermagneten und Datenspeichern ultrahöchster Speicherdichte und damit für den Bau der neuerdings interessant gewordenen Hybridmotoren und die Entwicklung von kleinen leistungsstarken Computern.

Die Eigenschaften magnetischer Materialien faszinieren die Menschheit schon seit der Antike bis in die jüngste Gegenwart. Mittlerweile spielen magnetische Materialien in vielen Bereichen unserer automatisierten Welt eine zentrale Rolle und sind damit ein unverzichtbarer Bestandteil unseres täglichen Lebens. Die wichtigsten Einsatzbereiche sind: Transformatoren für den Energietransport, Hochleistungs-Elektromotoren und -Generatoren, Computerfestplatten zum Speichern von Daten, Telekommunikation, Navigation, Lautsprecher und Mikrofone, Sensoren (z.B. ABS), Strahlführungssysteme (z.B. Teilchenbeschleuniger), zerstörungsfreie Werkstoffprüfung, mikromechanische Automation (z.B. Haften, Heben, Separieren), Medizintechnik (z.B. Tomographie) sowie in der Biologie zum Transport von Medikamenten im menschlichen Körper durch kleine mit Gold beschichtete magnetische Partikel.

Eine besonders herausragende Rolle spielen neuerdings nanokristalline und nanostrukturierte magnetische Systeme, die aus vielen kleinen Teilchen aufgebaut sind, deren Größe nur wenige Nanometer betragen kann (1 Nanometer (nm) verhält sich zu 1 Meter (m) wie der Durchmesser einer Haselnuss zu dem der Erde). Dies ist zum einen herstellungsbedingt, da Magnete in der Regel durch Sintern oder Rascherstarren aus der Schmelze hergestellt werden, zum anderen führt genau dies zu optimalen magnetischen Eigenschaften. Im Folgenden werden die magnetischen Eigenschaften von nanokristallinen und nanostrukturierten Supermagneten und die Besonderheiten kleiner magnetischer Teilchen vorgestellt. Kleine magnetische Teilchen, die zu periodischen Nanostrukturen angeordnet sind, bilden die Grundlage moderner Datenspeicher.

Grundlage aller magnetischen Materialien ist die allbekannte Hystereseschleife, die nach Abbildung 1a durch zwei wesentliche Parameter charakterisiert ist: Die Remanenz JR als so genannte remanente Polarisation, die sich nach Sättigung der Probe bei Magnetfeld Null einstellt und ein Magnetfeld verursacht und die Koerzitivfeldstärke HC, die benötigt wird, um durch ein Gegenfeld die Polarisation Null zu erzeugen. Im Falle kleiner Teilchen tritt unterhalb einer kritischen Teilchengröße der Sonderfall ein, dass das Teilchen nur die zwei Zustände mit positiver und negativer Remanenz einnehmen kann, da es sich um ein so genanntes Eindomänenteilchen handelt. Eine weitere wichtige Kenngröße magnetischer Materialien ist das so genannte maximale Energieprodukt (BH)max, das angibt, welche maximale Energie ein Magnet außerhalb seines Volumens speichern kann. Entsprechend Abbildung 1a ist diese Energie seit dem letzten Jahrhundert um einen Faktor 50 angewachsen und beträgt heute bei den stärksten Dauermagneten (Supermagnete) ca. 500 kJ/m3. Der maximale, hypothetische Wert liegt bei ca. 1000 kJ/m3. Ihn zu erreichen erfordert die Entwicklung von FeCo-Legierungen, die durch geeignete Additive magnetisch gehärtet werden müssen und dadurch eine Koerzitivfeldstärke von mindestens 1,2 Tesla besitzen. Supermagnete führen wegen ihrer großen (BH)max-Werte bei vielen Anwendungen zu einer Miniaturisierung oder ermöglichen neue Anwendungsfelder wie z.B. Hybridmotoren oder Führungssysteme für Magnetschwebebahnen. Ähnlich wie beim maximalen Energieprodukt liegen die Verhältnisse gemäß Abbildung 1b bei der Datenspeicherdichte magnetischer Festplatten. Diese hat über die letzten 20 Jahre kontinuierlich zugenommen und ist gegenwärtig 20 (100)-mal größer als bei den optischen Speichermedien DVD (CD). Die zurzeit angestrebte magnetische Speicherdichte beträgt 1 TBit/inch2 bzw. 100 Mrd. Bits/cm2.

Nanokristalline und nanostrukturierte Supermagnete

Als Supermagnete unschlagbar sind gegenwärtig bei Raumtemperatur Magnetwerkstoffe auf der Basis von (Nd,Pr)2Fe14B. Diese intermetallischen Seltenerdmetall-Übergangsmetallverbindungen besitzen eine komplexe, aber geordnete atomare Struktur, bei der Schichten aus Nd- bzw. Pr-Atomen periodisch mit Schichten abwechseln, die Fe-Atome enthalten. Bor dient zur Stabilisierung der Struktur. Die herausragenden magnetischen Eigenschaften dieser Verbindung haben eine atomistische Ursache. Zum einen machen die Fe-Atome mit ihrem großen magnetischen Moment die große Remanenz, zum anderen sorgen die stark anisotropen Ladungswolken der 4f-Elektronen der Nd- und Pr-Atome dafür, dass sich die Magnetisierung bevorzugt entlang einer Vorzugsachse orientiert. In einem Nanoteilchen sind etwa 1000 Einheitszellen aneinandergereiht und die Magnetisierung ist daher über das ganze Teilchen homogen in Richtung der Vorzugsrichtung orientiert. Erst bei Anlegen des (großen) Koerzitivfeldes klappt die Magnetisierung spontan irreversibel in die Gegenrichtung um, ein Magnetisierungsprozess, der als Keimbildung bezeichnet wird.

Mit (Nd,Pr)2Fe14B-Magneten kann eine große Vielfalt von Nanostrukturen realisiert werden (Abb. 2a), was eine detaillierte Kenntnis der Phasendiagramme erfordert. Verwendet man in der Zusammensetzung einen Überschuss an Nd oder Pr, so werden die Nanokristallite durch eine seltenerdmetallreiche Zwischenkornphase voneinander isoliert. Wählt man die Zusammensetzung stöchiometrisch, so fehlt die Zwischenphase und die Magnetisierungen der Nanokristallite sind miteinander durch sog. Austauschkräfte gekoppelt. Durch Fe-Überschuss in der Zusammensetzung erhält man einen Verbund aus (Nd,Pr)2Fe14B-Nanoteilchen und Fe-Nanoteilchen. Mit diesen drei verschiedenen Typen von Nanostrukturen lassen sich die magnetischen Kenngrößen gezielt maßschneidern, sodass je nach Bedarf große Koerzitivfelder (bis zum 105-fachen Wert des Erdmagnetfelds) und/oder große Remanenzen auftreten (Abb. 2b). Der einzige Nachteil der (Nd,Pr)2Fe14B-Magnete ist, dass ihre magnetischen Eigenschaften bereits bei etwa 300°C verschwinden. Für Hybridmotoren ist dies unerheblich, da diese bis etwa 150°C konzipiert werden.

Will man dagegen Motoren bauen, bei denen sich die Magnete näher am Verbrennungsraum befinden, um eine empfindlichere Steuerung zu ermöglichen, so kommt eine andere intermetallische Seltenerdmetall-Übergangsmetallverbindung zum Einsatz und zwar auf der Basis von Sm2(Co,Cu,Fe,Zr)17. Dieser Magnetwerkstoff zeigt auch bei 400°C noch Koerzitivfelder in der Größenordnung von 1 Tesla und ist daher gegenwärtig der Supermagnetwerkstoff für hohe Temperaturen. In diesem komplexen fünfkomponentigen System bildet sich während einer geeigneten Anlassbehandlung eine dreiphasige selbstorganisierte Nanostruktur (Abb. 3a), bestehend aus Fe-reichen pyramidalen Matrixelementen, die von Cu-reichen Zellwänden umgeben und von Zr-reichen Lamellen durchsetzt sind. Die hochauflösende Elektronenmikroskopie zeigt, dass die Phasengrenzen zwischen den verschiedenen magnetischen Phasen atomar scharf sind. Mithilfe der energiedispersiven Röntgenanalyse, einer analytischen Elektronenmikroskopiemethode, kann die chemische Zusammensetzung der Phasengrenze mit einem Auflösungsvermögen von 1 nm bestimmt werden (Abb. 3b). Diese Methode hat sich als hervorragendes Hilfsmittel erwiesen, um Aussagen über die magnetischen Eigenschaften der Phasen zu gewinnen. Dabei ergibt sich, dass die Zellwände besonders starke Hindernisse für die Ummagnetisierung darstellen. Man erkennt dies insbesondere an der Ausbildung zickzackförmiger Grenzbereiche, so genannter Domänenwände, zwischen zwei antiparallel magnetisierten Bezirken (Abb. 3c). Es handelt sich dabei um einen gänzlich anderen Koerzitivfeldmechanismus als im Falle der keimbildungsgehärteten nanokristallinen Materialien. Bei Erreichen der Koerzitivfeldstärke kann die Domänenwand die Zellwand spontan überwinden.

Nanoteilchen und periodische Nanostrukturen

Grundlage der magnetischen Datenspeicherung ist die rechteckige Hystereseschleife von Eindomänenteilchen. Hier repräsentieren die beiden Zustände mit positiver und negativer Remanenz die binären Zahlen 0 und 1. Durch Anlegen eines Magnetfelds lassen sich die Nanoteilchen zwischen diesen beiden Zuständen schalten.

Bei der konventionellen Datenspeicherung bildet wegen der endlichen Größe des Schreibkopfes meist ein Cluster von Nanokörnern ein Bit, während bei den angestrebten großen Datenspeicherdichten jeweils ein Nanoteilchen ein Bit darstellen soll. Die einzige Bedingung hierfür ist eine periodische Anordnung der Teilchen, was mittels lithographischer oder kolloidchemischer Methoden erzielt werden kann (Abb. 4).

Zur Realisierung hoher Speicherdichten (Tbit/inch2) und kurzer Zugriffszeiten (Picosekunden-Bereich) müssen im Wesentlichen zwei Aspekte beachtet werden: die Optimierung der Teilchengröße und des Schaltvorgangs. Im Falle der Teilchengröße gibt es eine untere und obere kritische Grenze. Sind die Teilchen zu groß, so bilden sich Mehrdomänenzustände aus, die keine Datenspeicherung mehr erlauben. Sind die Teilchen zu klein, so sind sie bei Raumtemperatur thermisch instabil und gespeicherte Information würde schnell verloren gehen. Daher kommen je nach den intrinsischen Eigenschaften des Materials Nanoteilchen mit Durchmessern von 2 – 100 nm in Frage. Für die angestrebte Speicherdichte von 1 TBit/inch2 werden Teilchengrößen in der Größenordnung von 25 nm benötigt. Im Falle des Schaltvorgangs, bei dem die Magnetisierung eines Nanoteilchens unter dem Einfluss eines angelegten Magnetfelds durch eine gedämpfte Präzessionsbewegung in die Gegenrichtung ummagnetisiert wird, ist eine Optimierung des Dämpfungsverhaltens erforderlich. Dies ist ein komplexes Problem, bei dem die magnetischen Kenngrößen des Materials, die Teilchengeometrie und das angelegte Magnetfeld eine Rolle spielen. Beide Aspekte werden mittels numerischer Computersimulationen auf der Basis der Finiten-Elemente-Methode untersucht und dienen als Grundlage für unsere Experimente. Grundsätzlich gilt: Je kleiner die Teilchen, desto höher die Speicherdichte und je schneller der Schaltvorgang, desto kleiner die Zugriffszeit, was im Folgenden mit je einem Beispiel demonstriert werden soll.

Um die kritische Dicke eines quadratischen Co-Plättchens zu bestimmen, wurde die magnetische Gesamtenergie bestehend aus drei verschiedenen Energiebeiträgen für den Eindomänenzustand und den Mehrdomänenzustand als Funktion der Schichtdicke bestimmt. Dabei ergab sich (Abb. 5), dass für dünne Schichten der Eindomänenzustand energetisch begünstigt ist und ab einer kritischen Schichtdicke von 21 nm der Mehrdomänenzustand. Die thermische Instabilitätsgrenze liegt für Co bei 5 nm. Wird dieselbe Rechnung für Supermagnetwerkstoffe durchgeführt, so werden die Grenzen des Eindomänenbereichs sowohl zu kleineren als auch größeren Schichtdicken verschoben, ein für die Datenspeicherung erwünschtes Verhalten. Bei magnetischen Hohlteilchen kann der Übergang zum Mehrdomänenzustand zu deutlich größeren Teilchendimensionen verschoben werden.

Zur Bestimmung der Schaltzeit wurde der Ummagnetisierungsvorgang z.B. eines Co-Plättchens untersucht, an das ein Gegenfeld angelegt ist. Die Schaltzeit ist definiert als die Zeit, die verstreicht, bis das Plättchen in Feldrichtung einen pauschal unmagnetischen Zustand angenommen hat. Abbildung 6a zeigt die Abhängigkeit der Schaltzeit vom Dämpfungsparameter α für ein würfelförmiges Teilchen und ein quadratisches Schichtelement. Die kleinsten Schaltzeiten ergeben sich für kleine Schichtdicken und verschwindende Dämpfung. Die Schaltzeit lässt sich weiter reduzieren durch Anlegen größerer Magnetfelder (Abb. 6b) oder durch Verwendung von Supermagnetwerkstoffen.

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