Forschungsbericht 2005 - Max-Planck-Institut für Biogeochemie

Flugzeugkampagnen und Modellierung zur Bestimmung des Kohlendioxid-Budgets auf regionaler Skala

Autoren
Gerbig, Christoph; Ahmadov, Ravan; Körner, Stefan
Abteilungen
Zusammenfassung
Die Quantifizierung der Austauschflüsse von Treibhausgasen zwischen der Landoberfläche und der Atmosphäre auf regionaler Skala (10-100 km) ist sowohl für ein verbessertes Prozessverständnis als auch für die Verifikation von Treibhausgasbudgets im Zusammenhang mit dem Emissionshandel unabdingbar. Regionale Modellierung und flugzeuggestützte Messungen dienen dazu die verwendeten Methoden zur Abschätzung der Treibhausgasflüsse zu überprüfen. Dies geschieht sowohl im Hinblick auf die Messstrategien (z.B. Anordnung des Messnetzes) als auch auf die benutzten Modelle (Atmosphärische Transportmodelle, biosphärische Modelle). Fernziel ist die optimale Einbindung der Messungen in Modellsysteme unter quantitativer Berücksichtigung von unvermeidbaren Repräsentationsfehlern – eine notwendige Voraussetzung für die quantitative Bestimmung der mit den Abschätzungen der Austauschflüsse verbundenen Unsicherheiten.

Das Skalenproblem

Atmosphärisches CO2 spielt eine zentrale Rolle beim Treibhauseffekt. CO2 ist infrarotaktiv; seine Konzentration ist seit der Industrialisierung messbar von etwa 280 ppm auf heute etwa 380 ppm angestiegen. Der Hauptgrund für den Anstieg liegt in den Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger – Kohle, Erdöl und Erdgas. Etwa die Hälfte der Emissionen verbleibt in der Atmosphäre und führt zu diesem Anstieg, der Rest wird wiederum etwa zur Hälfte von den Ozeanen aufgenommen, der verbleibende Anteil geht in die Landbiosphäre. Diese Landsenke wird aus globalen Beobachtungen der CO2-Konzentration postuliert, denn die beobachteten großskaligen Gradienten lassen sich nicht mit fossilen Emissionen, Ozeanaufnahme und einer neutralen Biosphäre erklären. Um Prognosen über die künftige Klimaentwicklung erstellen zu können, ist es jedoch zwingend notwendig, die Mechanismen dieser Senkenfunktion sowie die Stabilität des Kohlenstoffpools genauer zu verstehen. Insbesondere die Wechselwirkungen zwischen Biosphäre und Atmosphäre sind von zentraler Bedeutung, da sie zu einer Rückkopplung führen können: so könnte es durch erhöhte Temperatur zu einer erhöhten Respiration (z.B. mikrobieller Abbau von toter Biomasse) kommen, die wiederum über die Treibhauswirksamkeit des CO2 zu einem weiteren Temperaturanstieg führt. Die regionale Skala (Flächengrößen von 104-108 km2) ist für solche Prozesse von erheblicher Bedeutung: Auf dieser Skala, die der Größe von Ökosystemen entspricht, machen sich Klimaschwankungen bemerkbar. Die regionale Skala ist zudem von Bedeutung für die Quantifizierung von Kohlenstoffsenken im Rahmen internationaler Abkommen wie dem Kyoto-Protokoll: Eine Verifizierung von Flussbilanzen im Zusammenhang mit dem Handel von Emissionszertifikaten ist notwendig und muss auf der räumlichen Skala politischer Grenzen geschehen.
In den letzten 20 Jahren wird ein Ansatz verfolgt, bei dem Messungen atmosphärischen Kohlendioxids über ein globales Beobachtungsnetzwerk mit Transportmodellen gekoppelt werden, um daraus mithilfe so genannter „Inversionen“ auf die Quellen- und Senkenverteilung zu schließen („Top-Down“-Ansatz). Solche Modelle haben in der Regel eine Auflösung von hundert Kilometern. Diese Methode hat in der groben Quantifizierung der Austauschflüsse gute Dienste geleistet, bei regionalen Flussbilanzen zeigt sie jedoch ihre Limitierungen. Die stärksten Konzentrationssignale für den Biosphären-Atmosphären-Austausch findet man in den Luftschichten über den Kontinenten, innerhalb der Mischungsschicht. Solche Messungen können aber nur mit relativ hoher räumlicher Auflösung repräsentiert werden. Aus flugzeuggestützten Messdaten für CO2 lässt sich dieser Repräsentationsfehler quantitativ bestimmen. Abbildung 1 zeigt Ergebnisse der Messungen des Projekts COBRA (CO2-Budget and Rectification Airborne Study), das unter Federführung der Harvard University durchgeführt wurde.

Zusätzlich zu diesen Repräsentationsfehlern gibt es bei geringer horizontaler Auflösung Fehler in der Transportmodellierung. So sind lokale Effekte wie Orographie, Seewinde (Land-Meer-Kontrast) und Landnutzung nicht oder nur unvollständig simuliert. Diese lokalen Effekte haben jedoch einen starken Einfluss auf die lokale Zirkulation und somit auf die Spurengasverteilung. Die Kombination aus flugzeuggestützten Messkampagnen und Transportmodellierung ist bestens geeignet, diese Effekte zu untersuchen und die auftretenden statistischen Fehler zu quantifizieren.

Neben den Inversionen im so genannten Top-Down-Ansatz gibt es eine weitere Methode, regionale Flüsse zu quantifizieren: Mithilfe von mikrometeorologischen Flussmessungen (Eddykovarianzverfahren) lassen sich CO2-Austauschflüsse zwischen der lokalen Biosphäre und der Atmosphäre auf Skalen von etwa 1 km2 bestimmen. Diese können dann durch geeignete Skalierungsmethoden, z.B. diagnostische Modelle, auf die regionale Skala übertragen werden. Dabei wird der Austauschfluss mit einfachen Parametrisierungen (Lichtabhängigkeit, Temperaturabhängigkeit) sowie unter Verwendung von Satellitenmessungen über den Biosphärenzustand (z.B. Blattflächenindex oder Chlorophyllgehalt) modelliert. Zur Validierung oder Kalibrierung werden die modellierten lokalen Flüsse mit den Eddykovarianzmessungen verglichen. Solche Methoden, bei denen man lokales Prozessverständnis auf größere Skalen überträgt (auch „Bottom-Up“-Ansatz genannt), sind jedoch ebenfalls mit Unsicherheiten verbunden, sodass eine Validierung auf regionaler Skala mithilfe von Konzentrationsmessungen und Transportmodellierung („Top-Down“) nötig ist.

Modellsystem für die Bestimmung regionaler Flüsse

Am Max-Planck-Institut für Biogeochemie wird zurzeit ein Modellsystem für die Bestimmung regionaler CO2-Flüsse unter Verwendung der verschiedenen oben genannten Datenströme – Konzentrationsmessungen, Eddyflussmessungen, Satellitenmessungen – aufgebaut, in dem verschiedene Modellkomponenten miteinander verknüpft werden (siehe Abb. 2). Das Wettervorhersagemodell WRF (Weather Research and Forecasting Model (http://wrf-model.org/index.php) steht dabei im Mittelpunkt, das auf der Basis meteorologischer Start- und Randbedingungen (z.B. von globalen Modellen des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersage, ECMWF) Windfelder mit einer horizontalen Auflösung von 2-20 km (der so genannten Mesoskala) in der Zielregion simuliert. Emissionen von fossilen Brennstoffen sowie die Aufnahme bzw. Abgabe von CO2 durch die Biosphäre werden mit derselben räumlichen Auflösung an das WRF-Modell gekoppelt. Die Anbindung an die globale Spurengasverteilung geschieht über die seitlichen Randbedingungen. Dabei werden die biosphärischen Quellen und Senken mit einem diagnostischen Modell simuliert: Im VPRM (Vegetation Photosynthesis and Respiration Model – Modell pflanzlicher Photosynthese und Atmung) wird der CO2-Austausch aus Satellitendaten (MODIS, Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer) für die Vegetationsindizes „Enhanced Vegetation Index“ (EVI, proportional der photosynthetisch aktiven Biomasse) und „Land Surface Water Index“ (LSWI, proportional zum Wassergehalt in den Blättern) sowie bodennahe Temperatur und Solarstrahlung vom WRF-Modell berechnet. Die VPRM-Parameter, die die CO2-Aufnahme durch Photosynthese und die CO2-Abgabe durch Respiration kontrollieren, werden zunächst durch Vergleich mit Eddyflussmessungen für verschiedene Vegetationstypen optimiert. Eine weitere Optimierung geschieht mithilfe der Konzentrationsmessungen. Dazu wird das von WRF-Windfeldern angetriebene inverse Transportmodell STILT (Stochastic Time Inverted Lagrangian Transport [2-4]) mit dem Biosphärenmodell gekoppelt.

Validierung von Modellsystemen und Messstrategien

Vom Modell zur Messung: Planung der Messflüge

Im Rahmen des von der EU geförderten Projektes CarboEurope-IP zur Erstellung einer europäischen Kohlenstoffbilanz wurde im Sommer 2005 eine intensive Messkampagne im Südwesten Frankreichs durchgeführt, um solche Modellsysteme rigoros zu testen. Das Kohlenstoffbudget sollte dabei über einen kurzen Zeitraum von einigen Wochen durch erhöhte Beobachtungsdichte sowie hochauflösende gekoppelte Modellrechnungen auf hoher räumlicher Auflösung bestimmt werden. Zu den Messansätzen gehören Radiosondierungen und Fernerkundungen (UHF Radar, Sodar), Erfassung meteorologischer Größen, Eddyflussmessungen an verschiedenen Stationen sowie Messungen der CO2-Konzentration von Messtürmen und Flugzeugen aus, für die das Max-Planck-Institut für Biogeochemie federführend verantwortlich war. Mit dieser erhöhten Intensität an Messungen soll festgestellt werden, welche Anzahl an Beobachtungen zur Bestimmung der CO2-Bilanz über einen Zeitraum von mehreren Jahren im Sinne eines Messnetzes zum Monitoring notwendig ist.

Da flugzeuggestützte Messungen sehr flexibel, gleichzeitig aber auch sehr kostspielig sind, zahlt sich eine sorgfältige Planung aus, die eine optimale Einbindung der Messungen in das Modellsystem erlaubt. Dazu wurde am Max-Planck-Institut für Biogeochemie ein Vorhersagesystem installiert und operationell betrieben, das basierend auf mesoskaligen Vorhersagen des französischen Wetterdienstes (Meteo France) für Wind und Turbulenz den Transport der Luftmassen, die mit der Biosphäre in der Zielregion im Austausch stehen, vorhersagt (siehe Abb. 3). Dies erlaubt unter anderem eine luftmassenfolgende Messung („Lagrange-Methode“), bei der die gesamte Information über den regionalen Austausch zwischen Oberflächen und Atmosphäre in der zeitlichen Änderung der CO2-Konzentration enthalten ist.

Beispiel: CERES-Experiment (CarboEurope Regional Experiment Strategy)

Flugzeuggestützte Messungen von CO2 und anderen Spurengasen wurden u. a. mit dem Motorsegler Typ ECO-Dimona der Fa. MetAir AG (Schweiz) im Rahmen von 11 Forschungsflügen über der Zielregion Les Landes in der Nähe von Bordeaux durchgeführt. Gleichzeitig mit den kontinuierlichen Messungen wurden auch Luftproben gesammelt, die anschließend im Gas- und Isotopenlabor des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie auf eine Reihe an Spurengasen (CO, CO2, NO2) analysiert wurden. Unter anderem dienen solche Probenmessungen dazu, die Vergleichbarkeit der kontinuierlichen Daten zwischen verschiedenen Flugzeugen und an verschiedenen Tagen zu gewährleisten. Die gemessenen Spurengasverteilungen (siehe das Datenbeispiel für den 27. Mai 2005, Abb. 4) weisen deutliche Variabilität auf kleinen räumlichen Skalen auf. In der Horizontalverteilung zeigt sich z.B. der Einfluss von unterschiedlichen Quellgebieten (siehe Abb. 3). Auch in der Vertikalrichtung hat die Atmosphäre über dem Zielgebiet stellenweise eine deutlich strukturierte Schichtung, anders als von einer turbulenten Mischungsschicht an einem warmen Sommernachmittag zu erwarten wäre. Mögliche Ursachen schließen z.B. die Advektion über Oberflächen mit stark unterschiedlicher Temperatur ein, was zu einem Zusammenbrechen der Mischung führen kann.

Diese Messungen mit den räumlichen und zeitlichen Strukturen dienen zunächst als Test für die qualitative Fähigkeit der Vorwärtsmodellierung, die relevanten Transportphänomene aufzulösen und richtig zu repräsentieren. Im Rahmen des CERES-Projekts ist ein Modellvergleich vorgesehen, bei dem mehrere unterschiedliche Modellsysteme von verschiedenen Forschungsgruppen parallel betrieben werden. Im Anschluss daran dienen die Konzentrationsmessungen als Eingangsgrößen für die Inversionsrechnung, um optimale Flussverteilungen für den Oberflächen-Atmosphärenaustausch sowie deren Unsicherheit (im Sinne eines Fehlerbalkens) zu bestimmen (siehe Abb. 2).
In weiterführenden Untersuchungen wird die Dichte der eingehenden Daten (die Konzentrationsverteilung) reduziert, und die dadurch verursachte Verschlechterung in der Bestimmbarkeit des Austauschflusses analysiert. Diese Ergebnisse sind Grundlage für die zukunftsweisende Planung eines Messnetzes zur routinemässigen Bestimmung der regionalen CO2-Flüsse, welche die zum Teil prinzipiellen Unsicherheiten der Modellierungssysteme mitberücksichtigt.

Originalveröffentlichungen

Gerbig, C., Lin, J. C., Wofsy, S. C., Daube, B. C., Andrews, A. E., Stephens, B. B., Bakwin, P. S., and Grainger, C. A.:
Toward constraining regional-scale fluxes of CO2 with atmospheric observations over a continent: 1. Observed spatial variability from airborne platforms.
Journal of Geophysical Research-Atmospheres 108 (D24), 4756, doi:10.1029/2002JD003018 (2003).
Gerbig, C., Lin, J. C., Wofsy, S. C., Daube, B. C., Andrews, A. E., Stephens, B. B., Bakwin, P. S., and Grainger, C. A.:
Toward constraining regional-scale fluxes of CO2 with atmospheric observations over a continent: 2. Analysis of COBRA data using a receptor-oriented framework.
Journal of Geophysical Research-Atmospheres 108 (D24), 4757, doi:10.1029/2003JD003770 (2003).
Lin, J. C., and Gerbig, C.:
Accounting for the effect of transport errors on tracer inversions.
Geophysical Research Letters 32 (1), L01802, doi:10.1029/2004GL021127 (2005).
Lin, J. C., Gerbig, C., Wofsy, S. C., Andrews, A. E., Daube, B. C., Davis, K. J., and Grainger, C. A.:
A near-field tool for simulating the upstream influence of atmospheric observations: The Stochastic Time-Inverted Lagrangian Transport (STILT) model.
Journal of Geophysical Research-Atmospheres 108 (D16), 4493, doi:10.1029/2002JD003161 (2003).
Lin, J. C., Gerbig, C., Wofsy, S. C., Andrews, A. E., Daube, B. C., Grainger, C. A., Stephens, B. B., Bakwin, P. S., and Hollinger, D. Y.:
Measuring fluxes of trace gases at regional scales by Lagrangian observations: Application to the CO2 Budget and Rectification Airborne (COBRA) study.
Journal of Geophysical Research-Atmospheres 109, D15304, doi:10.1029/2004JD004754 (2004).
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