Forschungsbericht 2007 - Max-Planck-Institut für Biophysik

Struktur und molekularer Mechanismus des Natrium-Protonen-Antiporters NhaA und des Cytochrom-bc1-Komplexes

Structure and Molecular Mechanism of the Sodium-Proton-Antiporter NhaA and the Cytochrome-bc1-Complex

Autoren
Hunte, Carola
Abteilungen

Molekulare Membranbiologie (Prof. Dr. Dr. h.c. Hartmut Michel)
MPI für Biophysik, Frankfurt am Main

Zusammenfassung
1. Durch gezielte Mutagenese erzeugte Varianten des mitochondrialen Cytochrom-bc1-Komplexes bilden schädliche Sauerstoffradikale, die mit Alterungsprozessen und neurodegenerativen Krankheiten in Verbindung gebracht werden. 2. Die Regulation des zellulären Ionenhaushalts durch Natrium-Protonen-Antiporter ist essentiell. Die erste atomare Struktur eines solchen Transporters wurde bestimmt und ein Modell für Regulations- und Transportmechanismen entwickelt.
Summary
1. Variants of the mitochondrial cytochrome bc1 complex created by site-directed mutagenesis produce deleterious oxygen radicals, which are implied in aging processes and pathophysiological conditions. 2. The regulation of the cellular ion composition by sodium-proton-antiporters is essential. The first atomic structure of such a transporter was determined and a mechanistic model for regulation and transport developed.

Cytochrom-bc1-Komplex

Bei aeroben, nicht photosynthetischen Organismen wird Energie hauptsächlich durch den Atmungsprozess gewonnen. Hierbei werden durch Nahrungsoxidation freigesetzte Elektronen über eine Reihe von Membranproteinkomplexen letztendlich auf Sauerstoff übertragen. Diese Membranproteinkomplexe der Atmungskette sind in Eukaryoten in der inneren Mitochondrienmembran verankert. Bei der schrittweisen Übertragung von Elektronen wird Energie freigesetzt, die in Form eines elektrochemischen Protonenpotenzials zwischengespeichert wird. Dieses Transmembranpotenzial kann von weiteren Membranproteinkomplexen für aktive Transportprozesse oder zur Synthese von ATP genutzt werden.

Der membranständige Cytochrom-bc1-Komplex ist Bestandteil dieser biologischen Energieumwandlung im Atmungsprozess. Der mitochondriale Komplex katalysiert den Elektronentransfer von Ubichinol zu Cytochrom c. Diese Reaktion ist durch den so genannten Q-Zyklus mit der Translokation von Protonen über die Membran gekoppelt. In den letzten Jahren wurde durch Struktur- und Funktionsstudien ein beträchtlicher Fortschritt zur vollständigen Aufklärung des komplexen Reaktionsmechanismus erzielt (Abb. 1), [1].

Allerdings sind einige grundlegende Prozesse der Katalyse bis heute nicht verstanden. Hierzu zählt die Schlüsselstelle des Q-Zyklus, die Verteilung der Elektronen aus der Ubichinol-Oxidation auf zwei energetisch verschiedene Akzeptorwege. Zudem können Mutationen und inhibitorische Substanzen energetisch unproduktive Nebenreaktionen herbeiführen. Das Enzym wird dann zur Quelle reaktiver Sauerstoffspezies in Mitochondrien. Diese schädlichen Formen des Sauerstoffs spielen eine Rolle bei physiologischen Prozessen der Alterung und bei neurodegenerativen Krankheiten.

Durch zielgerichtete Mutagenese an der mitochondrial kodierten katalytischen Untereinheit Cytochrom b wurden Aminosäurereste ausgetauscht, um deren Beitrag zum bisher nicht bekannten Enzym-Substrat-Komplex und zur Ubichinol-Oxidation zu untersuchen [2]. Substitutionen der Reste Glu272, Tyr132, Phe129 und Tyr279 beeinflussen die Ubichinol-Oxidation nachteilig. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei dem konservierten Rest Glu272, der als direkter Ubichinol-Ligand und als primärer Protonenakzeptor diskutiert wird. Interessanterweise führen diese Mutationen zur Bildung von schädlichen Sauerstoffradikalen. Sie bieten damit in Zukunft die Möglichkeit, gezielt die Mechanismen zu untersuchen, die zu diesen schädlichen Nebenprodukten führen.

Natrium-Protonen-Antiporter

Die Regulation des intrazellulären Säuren-Basen-Gleichgewichts, der zellulären Konzentration von Natrium-Ionen und des Zellvolumens ist essentiell für jede Zelle. Eine wichtige Funktion übernehmen dabei die Natrium-Protonen-Antiporter. Diese integralen Membranproteine transportieren sehr spezifisch Natrium-Ionen und Protonen über die Zellmembranen. Sie gehören zu den sekundär aktiven Transportern und sind ubiquitär verbreitet. Die Natrium-Protonen-Antiporter sind an diversen physiologischen Prozessen beteiligt, unter anderem an der Natriumaufnahme in Epithelzellen, an der Zelladhäsion und der Proliferation. Ihre spezifische Transportaktivitat trägt zur Salztoleranz von Pflanzen bei und ermöglicht bakterielles Wachstum bei hohen Salzkonzentrationen oder im basischen Milieu. Funktionsstörungen menschlicher Natrium-Protonen-Austauscher spielen bei verschiedenen Krankheiten eine Rolle und sind zum Beispiel im Zusammenhang mit Epilepsie, Herzversagen, Magen- und Nieren-Erkrankungen und Bluthochdruck beschrieben.

In der Abteilung Molekulare Membranbiologie am MPI für Biophysik wurde die erste Röntgenstruktur eines Antiporters aus dieser Proteinfamilie bestimmt. Es handelt sich dabei um den Natrium-Protonen-Antiporter NhaA aus dem Bakterium Escherichia coli [3]. NhaA ist funktionell und biochemisch insbesondere durch die Arbeiten von Professor Etana Padan (Hebrew University, Israel) sehr gut charakterisiert. Der Ionen-Transport ist elektrogen und sehr spezifisch. Zwei Protonen werden gegen ein Natrium-Ion ausgetauscht. Neben Natrium wird nur Lithium als Substrat akzeptiert. So wird der elektrochemische Protonengradient an der Membran genutzt, um Natrium oder Lithium aus der Zelle zu transportieren. Die Transportraten sind mit 89.000 pro Minute sehr hoch. Die Regulation der Transportaktivität ist selbstverständlich sehr wichtig. Das Protein befindet sich im saurem pH-Bereich in einer inaktiven, geschlossenen Konformation. Diese Eigenschaft konnte für die Kristallisation genutzt werden. Die Kristallisation erfolgte bei pH 4, das heißt, die Röntgenstruktur zeigt die geschlossene Konformation des Transporters. Mit der ersten Struktur für diese Proteinfamilie wurde deren spezielle Faltung beschrieben. Das 43 kDa große Membranprotein besteht aus zwölf Transmembransegmenten, von denen zehn als typische alpha-helikale Transmembran-Helizes vorliegen, während die Helizes in zwei Segmenten im Zentrum des Moleküls durch kurze gestreckte Peptide unterbrochen sind (Abb. 2).

Eine Analyse aller publizierter Membranproteinstrukturen zeigte, dass diese als diskontinuierliche Transmembranhelizes bezeichneten charakteristischen Sekundärstrukturelemente in Transportproteinen vorliegen, die aktiv Ionen transportieren. Dieses spezifische Bauelement ist zudem immer Teil einer speziellen Topologie, der invertierten internen Duplikationsdomäne, und ist nicht zuletzt in allen Fällen an Bindung oder Transport der Ionen beteiligt. Für NhaA liegt die Bindungsstelle für Natrium und Protonen im Zentrum des Moleküls im Bereich der gestreckten linearen Peptide. Polare und protonierbare Seitenketten stabilisieren die Enden der Helizes und dienen der Substratbindung. Von hier geht jeweils eine trichterförmige Öffnung zur zytoplasmatischen und periplasmatischen Seite. In der inaktiven Konformation sind diese Trichter durch eine kompakte Barriere von Aminosäureresten getrennt, sodass der Durchfluss von Ionen oder Wasser blockiert ist. Ein pH-Sensor wurde für die zytoplasmatische Öffnung postuliert.

Aus der Struktur wurde eine Arbeitshypothese für die pH-Regulation und den Transport-Mechanismus von NhaA abgeleitet [3]. Die pH-Aktivierung führt vermutlich zu einer größeren Konformationsänderung, die den Transporter in seine aktive Konformation überführt. Diese erlaubt dann die wechselseitige Bindung von Substrationen im Zentrum des Moleküls, wobei die Bindung der geladenen Substrate geringe lokale Konformationsänderungen bewirken, die einen schnellen alternating access mechanism ermöglichen. Dieses Modell wurde durch elektrostatische Berechnungen unterstützt [4]. Durch die Berechnungen wurden vier Gruppen elektrostatisch interagierender Aminosäurereste identifiziert, von denen viele zuvor durch Mutagenese-Studien als funktionell wichtig charakterisiert worden waren. Dazu zählt auch der Bereich des postulierten pH-Sensors. Die Berechnungen liefern wichtige Informationen über die Aktivierung des Transporters und die Rolle einzelner Aminosäurereste. Sie bilden eine gute Grundlage für weitere Experimente. In einer weiterführenden Studie wurden von Olkhova und Kollegen Molekulardynamik-Simulationen für NhaA bei pH 4 und pH 8 durchgeführt [5]. Diese zeigen, dass im sauren Milieu eine hydrophobe Barriere zwischen zytoplasmatischem und periplasmatischem Trichter besteht, die im alkalischen Bereich aufgehoben ist (Abb. 3).

Weiterhin haben wir die Röntgenstruktur mit Strukturinformationen des Antiporters aus der Elektronenmikroskopie verglichen. Die dreidimensionalen Elektronendichtekarten wurden durch Kryo-Elektronmikroskopie von zweidimensionalen NhaA-Kristallen bei pH 4 in der Abteilung Strukturbiologie (Werner Kühlbrandt) ermittelt. Der in Detergentien vorliegende Transporter der Röntgenstruktur zeigt die gleiche Konformation wie das Protein in der natürlichen Lipidumgebung [6]. Durch die beschriebenen Studien wurden neben der Struktur viele neue Informationen über die Ionen-Translokation und die pH-Regulation dieser wichtigen Ionentransporter gewonnen. Die nun folgenden Strukturuntersuchungen am Antiporter NhaA konzentrieren sich auf die Verbesserung der Auflösung sowie die Aufklärung der aktiven Konformation.

Originalveröffentlichungen

C. Hunte, S. Solmaz, H. Palsdóttir and T. Wenz:
A structural perspective on mechanism and function of the cytochrome bc1 complex.
Results and Problems in Cell Differentiation. 2007 Nov 24; [Epub ahead of print]
T. Wenz, R. Covian, P. Hellwig, F. MacMillan, B. Meunier, B. L. Trumpower and C. Hunte:
Mutational analysis of cytochrome b at the ubiquinol oxidation site of yeast complex III.
Journal of Biological Chemistry 282, 3977-3988 (2007).
C. Hunte, E. Screpanti, M. Venturi, A. Rimon, E. Padan and H. Michel :
Structure of a Na+/H+ antiporter and insights into mechanism of action and regulation by pH.
Nature 435, 1197-1202 (2005).
E. Olkhova, C. Hunte, E. Screpanti, E. Padan and H. Michel:
Multiconformation continuum electrostatics analysis of the NhaA Na+/H+ antiporter of Escherichia coli with functional implications.
Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 103, 2629-2634 (2006).
E. Olkhova, E. Padan and H. Michel:
The influence of protonation states on the dynamics of the NhaA antiporter from Escherichia coli.
Biophysical Journal 92, 3784-3791 (2007).
E. Screpanti, E. Padan, A. Rimon, H. Michel and C. Hunte:
Crucial steps in the structure determination of the Na+/H+ antiporter NhaA in its native conformation.
Journal of Molecular Biology 362, 192-202 (2006).
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