Forschungsbericht 2008 - Max-Planck-Institut für Astronomie
Jüngster extrasolarer Planet in zirkumstellarer Scheibe entdeckt!
Stern- und Planetenentstehung (Prof. Dr. Thomas Henning)
MPI für Astronomie, Heidelberg
Die bisher erfolgreichste Methode zur Suche und Entdeckung von Exoplaneten ist die Doppler- oder Radialgeschwindigkeitsmethode. Sie beruht auf dem Doppler-Effekt, wonach Licht zu größeren bzw. kleineren Wellenlängen verschoben wird, wenn sich Lichtquelle und Empfänger voneinander weg bzw. aufeinander zu bewegen. Umkreist ein Planet einen Stern, so bewegen sich beide Körper um den gemeinsamen Schwerpunkt, der im Allgemeinem noch im Innern des Sterns liegt. Der Planetenumlauf bewirkt somit eine periodische Bewegung des Sterns, die sich in seinem Spektrum als periodisch wechselnde Doppler-Verschiebung der Spektrallinien äußert und so die Existenz des nicht direkt sichtbaren Planeten verrät. Die Messdaten liefern unmittelbar die Umlaufdauer des Planeten und eine untere Grenze für seine Masse. Die wahre Masse lässt sich berechnen, wenn die Neigung der Umlaufbahn gegen die Himmelsebene bekannt ist.
Bis Ende 2007 waren etwa 250 extrasolare Planeten bekannt. Sie alle umkreisen Sterne, die mindestens 100 Millionen Jahre alt sind (Abb. 1). Bei jüngeren Sternen ließ sich die Doppler-Methode bislang aus mehreren Gründen nicht anwenden. So rotieren die meisten jungen Sterne sehr schnell. Dies verbreitert die Spektrallinien und verringert die Genauigkeit, mit der sich die Doppler-Verschiebung messen lässt. Hinzu kommt eine häufig starke und zeitlich variable Aktivität junger Sterne, wie Pulsationen, Rotationsschwankungen und das Auftreten von Sternflecken. All diese Phänomene erschweren die Suche nach periodischer Variabilität in den Spektren.
Ein Forscherteam des MPIA hat dennoch schon sehr früh damit begonnen, Planeten bei jungen Sternen zu suchen. Im Jahr 2003 startete das Programm mit dem Fibre-fed Extended Range Optical Spectrograph (FEROS) am MPG/ESO 2,2-m-Teleskop auf La Silla in Chile. Das Programm umfasste etwa 200 Sterne, deren Alter zwischen 8 und 300 Millionen Jahren und deren Entfernung bei maximal etwa 500 Lichtjahren liegt. Etwa 30% dieser Sterne wiesen eine überraschend geringe stellare Aktivität und relativ geringe Rotationsgeschwindigkeiten auf. Damit eigneten sie sich besonders gut für die Radialgeschwindigkeitsmethode. Die Radialgeschwindigkeiten ließen sich mit einer Genauigkeit von +/-10 m/s messen, sodass insbesondere massereiche Planeten in geringer Entfernung von ihrem Zentralstern, auch „heiße Jupiter“ genannt, gut nachweisbar waren.
Der Planet von TW Hydrae
Üblicherweise nutzt man zur Bestimmung der Doppler-Verschiebung eines Sterns gleichzeitig sehr viele Absorptionslinien in seinem Spektrum. Bei den jungen Sternen schloss das MPIA-Team dagegen jene Spektrallinien aus, die von stellarer Aktivität besonders stark betroffen sind. Dazu gehören die Linien Ca II H & K, H-alpha und H-beta, sowie He I und Na I. Bei etwa 1.300 verbleibenden Linien wurde über den Vergleich mit einem theoretischen Spektrum nach periodischen Doppler-Verschiebungen gesucht.
Fündig wurde das Team schließlich bei dem 180 Lichtjahre entfernten Stern TW Hydrae. Er gehört zu den am besten untersuchten jungen Sternen der Sonnenumgebung. Seine Masse beträgt etwa 0 Sonnenmassen, seine Leuchtkraft 0,2 Sonnenleuchtkräfte und sein Alter liegt bei 8 bis 10 Millionen Jahren. Aufnahmen mit dem Weltraumteleskop HUBBLE zeigten eine ausgedehnte Staubscheibe, auf die man fast senkrecht blickt (Abb. 2). Weitere Beobachtungen ließen darauf schließen, dass ihr Neigungswinkel zum Sehstrahl etwa 7 Grad beträgt. Außerdem hatten Untersuchungen im nahen und mittleren Infrarot sowie im Millimeterbereich weitere Eigenschaften der Scheibe enthüllt (Abb. 3). Demnach besitzt sie im Zentrum ein „Loch“, dessen Innenrand sich bei etwa 0,06 Astronomischen Einheiten (AE) befindet. Nach außen hin schließt sich daran eine optisch dünne Scheibe an, die in einem Entfernungsbereich von 0,5 bis 4 AE in eine optisch dicke Scheibe übergeht.
Schon 2005 hatte es Spekulationen darüber gegeben, ob gleicherweise ein Planet für diese Struktur der Scheibe verantwortlich sein könnte. Doch nachweisen ließ er sich nicht. Das Team vom MPIA fand jetzt einen Körper, der seinen Stern in extrem geringem Abstand umkreist.
Die Spektren weisen Doppler-Schwankungen mit Perioden von 0,78, 1,36 und 3,56 Tagen auf. Während die ersten beiden als nicht signifikant eingestuft wurden, lässt sich die dritte auf die Schwerkraftwirkung eines unsichtbaren Planeten zurückführen, der den Stern mit einer Periode von 3,56 Tagen in einem Abstand von 0,04 AE umkreist (Abb. 4). Damit bewegt sich der Planet innerhalb des Lochs am Innenrand der dünnen Scheibe. Nimmt man an, dass die Bahnebene des Planeten und die zirkumstellare Scheibe koplanar sind, so ergibt sich die Masse des Planeten zu 9,8 Jupitermassen.
Um stellare Aktivität als Ursache für diese Linienverschiebung auszuschließen, führten die Astronomen mehrere Tests durch. So haben Sternrotation und nichtradiale Pulsationen zur Folge, dass sich die Linienform periodisch verändert und damit eine variable Radialgeschwindigkeit vortäuscht. Eine genaue Analyse zeigte, dass dies bei TW Hydrae nicht der Fall ist. In einer sogenannten Bisektor-Analyse suchten die Astronomen auch nach einer Korrelation zwischen der Radialgeschwindigkeitsvariation und Parametern, die normalerweise stellare Aktivität anzeigen. Es konnte keine signifikante Korrelation gefunden werden. Damit bleibt ein umlaufender Planet als wahrscheinlichste Ursache für den periodisch variablen Doppler-Effekt übrig.
Schnelle Planetenentstehung und Migration
Die Entdeckung des „TW Hydrae b“ genannten Planeten liefert wichtige neue Hinweise für Theorien der Planetenentstehung. Bisher war aus statistischen Untersuchungen bekannt, dass die Lebensdauer zirkumstellarer Scheiben im Mittel einige zehn Millionen Jahre beträgt. Dieser Zeitraum steht somit für die Bildung von Planeten in der Scheibe maximal zur Verfügung. Die Beobachtung von TW Hydrae b liefert erstmals eine echte obere Grenze für die zur Planetenentstehung erforderliche Zeitspanne: Sie kann nicht mehr als acht bis zehn Millionen Jahre betragen haben. Somit ist TW Hydrae der ideale Prüfstein für numerische Modelle der Bildung von Planeten.
TW Hydrae b steckt zum einen den Zeitrahmen für die Planetenentstehung ab. Gleichzeitig stellt der Planet die Theoretiker erneut vor die Frage, wie ein derart massereicher Körper seinen Zentralstern in solch geringem Abstand umkreisen kann. Unter den bislang bekannten Exoplaneten gibt es eine Reihe dieser heißen Jupiter. Sie alle sind nach der heute gängigen Theorie der Planetenentstehung nicht dort entstanden. Nahe am Stern war stets zu wenig Materie vorhanden und es war dort zu heiß. Daher geht man davon aus, dass sich die Planeten in den weiter außen liegenden, kühlen und dichten Bereichen der zirkumstellaren Scheibe bilden. Anschließend führt ein Austausch von Drehimpuls zwischen dem Scheibenmaterial und dem Planeten dazu, dass dieser langsam auf einer spiralförmigen Bahn an den Zentralstern heranwandert.
Computersimulationen, wie sie auch am MPIA durchgeführt werden, haben gezeigt, dass ein Planet, der in einem Abstand von fünf Astronomischen Einheiten von seinem Zentralstern entsteht, innerhalb von mehreren tausend Jahren eine Lücke in der Scheibe frei fegt (Jahresbericht 2006, S. 27). Gleichzeitig wandert er nach innen. Bereits nach wenigen zehntausend Jahren hat er seinen Abstand zum Stern halbiert und seine Masse verdoppelt, denn während der Migration sammelt er Materie aus seiner Umgebung auf.
Eine entscheidende Frage ist nun: Wann und wodurch kommt die Wanderung zum Stillstand? Ist das nahezu materiefreie Loch im Zentrum einer Scheibe hierfür verantwortlich? Die Bahn von TW Hydrae b am Innenrand der Scheibe scheint diese Hypothese zu unterstützen. Theoretisch zwingend ist sie jedoch nicht. Ob weitere Bremseffekte, wie Magnetfelder oder Gezeitenkräfte eine Rolle spielen, ist zurzeit Gegenstand der Forschung. Letztlich wird auch eine alternative Theorie untersucht, bei der ein Planet nicht durch langsames Aufsammeln von Staub und Gas aus der Umgebung, sondern wie ein Stern durch direkte Kontraktion entsteht. Möglicherweise kann TW Hydrae b in Zukunft weitere Hinweise zur Entscheidung zwischen den beiden Möglichkeiten liefern.
Ein weiterer Planet um HD 70573
Die Astronomen des MPIA konnten bei ihrem Suchprogramm noch einen weiteren Erfolg verbuchen. Bei dem 150 Lichtjahre entfernten Stern HD 70573 entdeckten sie eine periodische Doppler-Verschiebung mit einer Periode von 852 Tagen. Auch hier ergab die Bisektor-Analyse keine Korrelation mit Signaturen der Sternaktivität, sodass die wahrscheinlichste Erklärung wiederum ein unsichtbarer Planet ist. Da in diesem Fall die Bahnneigung unbekannt ist, lässt sich für seine Masse nur eine untere Grenze von 6,1 Jupitermassen angeben. Hierbei wird angenommen, dass der Stern, ein G-Zwerg, eine Masse von genau einer Sonnenmasse besitzt.
HD 70573 gehört der Herkules-Lyra-Assoziation an, einer Bewegungsgruppe, deren Alter auf 200 Millionen Jahre geschätzt wird. Eine Analyse des Sternspektrums (Äquivalentbreite der Lithium-Linie bei 670,8 nm) ergab ein Alter zwischen 78 und 125 Millionen Jahren. Damit ist der gleichaltrige Planet nach TW Hydrae b der zweitjüngste bekannte extrasolare Planet.
Der Fund eines Planeten bei HD 70573 ist auch deswegen bedeutend, weil dieser Stern zu einem Forschungsprogramm am Weltraumteleskop SPITZER gehört (SPITZER/Feps Legacy Program), in dem die Beziehung zwischen älteren Staubscheiben (so genannten Debris-Scheiben) und Planeten untersucht wird.
Die beiden beschriebenen Entdeckungen haben bewiesen, dass es trotz anfänglicher Bedenken durchaus möglich ist, Planeten bei jungen Sternen nachzuweisen. Dies eröffnet insbesondere der Erforschung der Planetenentstehung ganz neue Möglichkeiten. Neben diesem Programm werden am MPIA gegenwärtig Beobachtungsinstrumente der nächsten Generation entwickelt und gebaut, die extrasolare Planeten auch mit anderen Methoden aufspüren sollen: Direktes Abbilden, astrometrische Messung der scheinbaren Bewegung des Sterns am Himmel und die Messung der Helligkeitsveränderung des Zentralsterns, wenn der Planet vor ihm vorbeizieht (Transitphotometrie).