Forschungsbericht 2007 - Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH

Multiskalensimulation von Werkstoffen durch die Verbindung von Quantenmechanik, Kontinuumstheorie und Experiment

Autoren
Raabe, Dierk; Neugebauer, Jörg
Abteilungen

Computergestütztes Materialdesign (Prof. Neugebauer) (Prof. Dr. Jörg Neugebauer)
MPI für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf

Mikrostrukturphysik und Umformtechnik (Prof. Raabe) (Prof. Dr.-Ing. Dierk Raabe)
MPI für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf

Zusammenfassung
Wir stellen eine neue Strategie zum theoriegestützten Design neuer Werkstoffe vor. Der Ansatz basiert auf der Kombination von ab initio Simulationen als computerbasierte Richtschnur zur Auswahl thermodynamisch geeigneter Systeme mit Experimenten. Der neue theoretische Ansatz wird anhand der Entwicklung neuer Titan-basierter Legierungen für biomedizinische Anwendungen vorgestellt.

Grundsätzliche Fragestellung

Konstruktions- und Funktionswerkstoffe auf der Basis von Metallen, Keramiken oder Polymeren sind seit jeher vor allem durch empirische Verfahren neu- und weiterentwickelt worden. In der Regel folgen Neuentwicklungen und Verbesserungen solcher Werkstoffe dabei einerseits den aus der Erfahrung bekannten Tendenzen hinsichtlich der Wirkung bestimmter Legierungszusätze bezüglich der Festigkeit, Härte oder Leitfähigkeit und andererseits einigen einfachen thermodynamischen und kinetischen Zusammenhängen bezüglich Stabilität und Darstellbarkeit auf der Basis einfachster Modelllegierungen.

In diesem Zusammenhang spielen verschiedene Methoden der Computersimulationen während der letzten 15 Jahre eine zunehmend entscheidende Rolle um einzelne Aspekte eines neuen Werkstoffs, wie etwa seine mechanischen Eigenschaften, gezielt vorherzusagen. Auf der atomaren Skala sind dies beispielsweise die Verfahren der Molekulardynamik und der Monte-Carlo-Methode, auf der mikroskopischen Skala zum Beispiel die Phasenfeldmethode sowie zelluläre Automaten und auf der Makroskala statistische analytische Modelle des gemittelten Materialverhaltens (so genannte konstitutive Materialgesetze) in Verbindung mit Finiten-Elemente-Methoden als Lösungsverfahren unter entsprechend vorgegebenen Anfangs- und Randbedingungen. Wenn es bisher in der Werkstoffsimulation meist darum ging, bestimmte Aspekte bei der Prognose von Gefüge oder Eigenschaften zwischen diesen unterschiedlichen Modellen und Skalen weiterzugeben und dadurch die Vorhersagegenauigkeit zu verbessern, kamen entsprechende Multiskalenverfahren der Simulation zum Einsatz. Diese zielen darauf ab, theoretische Informationen zwischen Simulationsverfahren, die Ergebnisse auf jeweils benachbarten Größen- und Ortsskalen erzielen, auszutauschen bzw. sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Aufgrund der enormen Zeit- und Größenunterschiede zwischen der atomaren und makroskopischen Skala ist es allerdings nicht möglich, einen Werkstoff komplett über alle aufeinander folgenden Skalen hinweg durchgehend theoretisch zu beschreiben. Dies lässt sich an einem einfachen Beispiel belegen: Elektronische Relaxationszeiten liegen im Bereich von Picosekunden, wohingegen Zeiträume der Korrosion oder der Materialermüdung in der Größenordnung von Jahren anzusiedeln sind. Bezüglich der Ortsskala bewegen sich die relevanten Größenordnungen vom Sub-Angströmbereich bis hin zu hunderte von Metern großen Konstruktionen. Eine durchgehende simulationstechnische Behandlung unter Einbeziehung aller Skalen ist für solche Fragestellungen heute und auch in absehbarer Zukunft schlichtweg unmöglich.

Am Max-Planck-Institut für Eisenforschung haben wir daher als Alternative zur Multiskalensimulation für solche Situationen, in denen es für eine moderne Werkstoffentwicklung nötig ist, Vorhersagen von der atomaren Ebene bis hin zur Makroskala vorzunehmen, das Verfahren der skalenüberbrückenden Werkstoffsimulation entwickelt. Dabei werden, anders als bei der oben beschriebenen sukzessiven Weitergabe von Materialinformationen von Skala zu Skala, quantenmechanische Ergebnisse der Elektronentheorie unmittelbar auf der makroskopischen Ebene über geeignete Verfahren der Kontinuumstheorie eingebunden, typischerweise ohne dabei mesoskopische Simulationen einbinden zu müssen.

Ein neues Biomaterial für Implantate als Beispiel für quantenmechanisch geführtes Werkstoffdesign

Im Folgenden belegen wir den Erfolg der neuen Herangehensweise am Beispiel zweier am Max-Planck-Institut für Eisenforschung jüngst neuentwickelten Biowerkstoffe für Implantatanwendungen. Als Ausgangsbasis für die Materialentwicklung dient das typische Implantatmetall Titan. Es ist sehr bioverträglich, besitzt eine gute Verarbeitbarkeit sowie eine hohe Härte und ist daher heute ein Standardmaterial in der Medizintechnik. Allein im Hüftbereich werden jährlich weltweit mehr als eine Million Prothesen eingesetzt (Abb. 1). Diese Zahl belegt, dass es sich bei der Entwicklung verbesserter Implantatwerkstoffe nicht nur um eine bedeutende medizintechnische Herausforderung handelt, sondern auch um enorme Möglichkeiten bei der Erschließung neuer Märkte geht.

Trotz seiner positiven Eigenschaften besteht beim Einsatz von Titan wie auch vergleichbarer Ersatzwerkstoffe ein bisher ungelöstes großes Problem: Während der menschliche Knochen eine elastische Steifigkeit von etwa 20 GPa besitzt, bewegen sich die entsprechenden elastischen Steifigkeiten der Titanimplantate im Bereich von 100 bis 110 GPa. Diese Diskrepanz im mechanischen Verhalten zwischen Knochen und angrenzender Prothese führt zum Effekt der mechanischen Abschirmung. Dies bedeutet, dass die im betroffenen Körperteil übertragene Kraft nicht mehr vom Knochen, sondern überwiegend vom metallischen Implantat getragen wird. Da der Knochen seine innere Struktur und die daraus resultierende mechanische Leistungsfähigkeit allerdings in Abhängigkeit der anliegenden mechanischen Spannungen verändert, führt seine künstliche Entlastung im Lauf der Zeit bei Gegenwart eines Implantats zu seiner Schwächung. In der Folge führt das zur Knochenschädigung und zur Lockerung des Implantats. Auch die Entstehung von Entzündungsherden an der Grenzfläche zwischen Knochen und Implantat ist in diesem Zusammenhang ein großes Problem. Diese mechanische Schädigung sowie resultierende Entzündungen ziehen in der Regel die Notwendigkeit des Austausches der Prothese nach sich.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns der Aufgabe gestellt, mithilfe der Verknüpfung von Quantenmechanik und Kontinuumstheorie bei gleichzeitig strenger experimenteller Überprüfung der Vorhersagen neue Titan-basierte Legierungen herzustellen, die eine deutlich geringere Steifigkeit haben als bisherige Materialien und gleichzeitig über eine hervorragende Bioverträglichkeit, Festigkeit und Härte verfügen. Nur auf diesem Wege kann eine höhere mechanische Kompatibilität erreicht werden, die zu einer wesentlich verbesserten Langlebigkeit der Implantate im menschlichen Körper beitragen würde.

Der Einsatz quantenmechanischer Rechnungen zeigte, dass Titan, welches in der Natur bei Raumtemperatur nur in einer hexagonalen Kristallstruktur vorkommt, in der kubisch-raumzentrierten Kristallstruktur instabil gegenüber bestimmten Verzerrungen ist (Abb. 2). Formal kann man dies so ausdrücken, dass Titan in dieser Kristallstruktur negative elastische Konstanten und damit eine verschwindende Steifigkeit aufweist. Diese Erkenntnis legte die Vermutung nahe, dass es durch Legierungsbildung möglich sein sollte, die Steifigkeit aufgrund dieser Instabilität des kubisch-raumzentrierten Titans deutlich zu reduzieren. Unser Entwicklungsansatz bestand daher darin, die kubisch-raumzentrierte Gitterstruktur, die beim reinen Titan nur bei hohen Temperaturen auftritt, durch geeignete Legierungen auch bei Raumtemperatur zu stabilisieren.

Zu diesem Zweck haben wir uns Legierungen aus Titan und den hochschmelzenden kubisch-raumzentrierten Metallen Niob und Molybdän, die medizinisch beide unbedenklich sind, zugewandt. Im ersten Schritt wurde dabei die Stabilität verschiedener Legierungen aus Titan und Niob sowie aus Titan und Molybdän mit ab initio Verfahren untersucht. Angeleitet durch diese theoretischen Vorhersagen wurden dann entsprechend aussichtsreiche Legierungskandidaten durch schmelzmetallurgische Verfahren hergestellt und am Elektronenmikroskop hinsichtlich der zuvor getroffenen ab initio Vorhersagen der auftretenden Strukturen überprüft (Abb. 3).

In der Tat belegen sowohl die quantenmechanischen Rechnungen als auch die Experimente an metallurgisch hergestellten Proben, dass mit zunehmendem Gehalt an Niob beziehungsweise Molybdän im Titan die kubisch-raumzentrierte Struktur des Materials bei Raumtemperatur eingestellt werden kann.
Der zweite wichtige Schritt der Entwicklung der neuen Implantatlegierungen bestand nun darin, durch entsprechende ab initio Rechnungen zu untersuchen, wie es um die elastischen Eigenschaften der neuen Materialien im Hinblick auf einen späteren Einsatz als Implantatmaterial bestellt ist. Die Verlässlichkeit der elektronentheoretischen Vorhersage der elastischen Steifigkeit der neuen Titan-Legierungen ist dabei von besonderer Bedeutung, da die metallurgische Herstellung und experimentelle Überprüfung der Elastizität an einer Vielzahl von Proben unterschiedlicher Zusammensetzung mit beträchtlichem Aufwand verbunden sind. Dies bedeutet, dass im Falle des Erfolges unserer neuen Strategie zur Werkstoffentwicklung in Zukunft verbesserte oder auch gänzlich neue Materialien um ein Vielfaches schneller entwickelt werden können als bisher und eine große Anzahl teurer, aufwändiger und komplizierter Experimente umgangen werden könnte. Ein weiterer wertvoller Aspekt der ab initio Vorhersage der Elastizität einer Probe besteht darin, dass diese sowohl eine Eigenschaft der Elementarzelle, also weniger Atome ist, aber andererseits genauso für eine großformatige Probe, etwa ein Implantat, gilt. Anders gesagt dient die ab initio Simulation der elastischen Steifigkeit auch unmittelbar der Vorhersage der makroskopischen Eigenschaften eines Materials, obwohl sie auf atomistischer Skala durchgeführt wurde. Im vorliegenden Fall der von uns untersuchten Titan-Niob- und Titan-Molybdän-Legierungen ist in Abbildung 4 zu erkennen, dass in der Tat eine hervorragende Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment erzielt wurde. Im Sinne der im ersten Absatz dargestellten Strategie der neuen Simulationsmethode haben wir somit tatsächlich bereits im zweiten Teilschritt des Ansatzes viele Zehnerpotenzen zwischen den unterschiedlichen Skalen in der Vorhersagetechnik überbrückt und können nunmehr bereits makroskopische Eigenschaften auf der Basis einer ab initio Simulation vorhersagen und für die technische Beurteilung einer Werkstoffs unmittelbar heranziehen.

Der dritte Schritt der Materialentwicklung beinhaltete schließlich die Einbindung der elektronentheoretischen Ergebnisse in makroskopische Finite-Elemente-Rechnungen. Besonders relevant bei der Übertragung der ab initio Simulationen sind dabei einerseits die Gitterstruktur und andererseits die elastischen Konstanten. Wie oben erwähnt, wurden die Legierungen so entwickelt, dass die kubisch-raumzentrierte Gitterstruktur bei Raumtemperatur stabil ist. Diese Information ist für die Weiterverwendung in den Finite-Elemente-Verfahren von Bedeutung, da die Gitterstruktur auch die Freiheitsgrade und damit auch die Richtungsabhängigkeit der elastischen und plastischen (bleibenden) Verformung bestimmt (kristallographische Gleitsysteme). Die Weitergabe der elastischen Konstanten an die Finite-Elemente-Simulationen ist wichtig, da sie zwei relevante Informationen beinhalten: dies sind erstens die allgemeine elastische Steifigkeit des Materials sowie zweitens die elastische Anisotropie. Der Begriff der elastischen Anisotropie beschreibt die Richtungsabhängigkeit der elastischen Eigenschaften des Materials. Um beide Eigenschaftsgruppen, also die plastische und elastische Richtungsabhängigkeit der neuen Werkstoffe mit entsprechender physikalischer Detailtiefe in makroskopischen Finite-Elemente-Simulationen für das letztliche Produktdesign nutzen zu können, wurden auch hier neue Wege beschritten. Klassische Finite-Elemente-Verfahren zur Beschreibung der mechanischen Materialbelastung berücksichtigen in der Regel die innere Struktur des Materials nicht, also auch nicht die oben erläuterten elastischen und plastischen Richtungsabhängigkeiten. Um also eine sinnvolle Einbindung der ab initio Vorhersagen auf der makroskopischen Ebene tatsächlich zu gewährleisten und somit elektronentheoretische Methoden tatsächlich unmittelbar für das Produktdesign einzusetzen, haben wir die klassischen Finite-Elemente-Verfahren zu der Familie der Kristall-Plastizitäts-Finite-Elemente-Verfahren weiterentwickelt. Diese Lösungsmethoden berücksichtigen im Detail die kristallographische Natur der elastischen und plastischen Verformung von Metallen. Dieser Vorteil allein reicht aber noch nicht aus, weil die meisten metallischen Produkte nicht aus einem einzigen Kristall bestehen, sondern meist aus vielen Milliarden solcher Körner aufgebaut sind, die noch dazu alle anders ausgerichtet (orientiert) sind. Um auch dieses Merkmal zu berücksichtigen, haben wir eine besondere Variante der Kristall-Plastizitäts-Finite-Elemente-Verfahren verwendet. Dabei wird eine makroskopische Probe mathematisch in Gruppen ähnlich ausgerichteter Kristalle zerlegt, für die dann jeweils die richtungsabhängigen Eigenschaften (elastisch und plastisch) abgebildet werden. Dieser Ansatz versetzt den Nutzer in die Lage, das Verhalten vielkristalliner Proben in höchster Detailtreue bei elastischer oder plastischer Beanspruchung vorherzusagen und unmittelbar für das Design und die mechanische Optimierung einer makroskopischen Probe zu nutzen. Auch in diesem letzten Schritt der neuen skalenüberbrückenden Simulationsstrategie zeigt sich der besondere Vorteil der Verknüpfung von ab initio Methoden und makroskopischen Mechanikmodellen in Zusammenhang mit Finite-Elemente-Lösungsverfahren: Die ab initio Vorhersagen zeigten nämlich nicht nur, dass sich beispielsweise im Falle der Titan-Niob-Legierungen tatsächlich durch den Einsatz von Niob die elastische Steifigkeit der Probe deutlich gegenüber den konventionellen hexagonalen Legierungen verringern ließ und sich somit der des Knochens annäherte, sondern auch die Anisotropie der Elastizität verringerte. Anders gesagt bedeutet dies, dass die neuentwickelte Legierung auf der Basis von Titan und Niob einerseits eine bessere Kompatibilität zwischen dem menschlichen Knochen und dem Implantat gewährleistet und andererseits die Richtungsabhängigkeit aus der Verteilung der kristallinen Orientierungen durch eine bessere Isotropie (Gleichverhalten in allen Richtungen) der Eigenschaften bereits auf der Ebene der Elementarzelle deutlich verringert wird. Die letztere Eigenschaft ist von besonderer Bedeutung, da bei der metallurgischen Herstellung von solchen Materialien in der Regel komplexe Orientierungsverteilungen der Kristalle in einer solchen Probe herbeigeführt werden. Bezüglich der Isotropie sind also die Endeigenschaften für die von uns neu vorgeschlagenen Legierungen deutlich weniger von den Details der späteren Herstellverfahren abhängig.

Neben den dargestellten wissenschaftlich-technischen Vorteilen der von uns vorgeschlagenen Verknüpfung von ab initio Simulationen und Finite-Elemente-Methoden zur Überbrückung großer Skalendifferenzen bei der Werkstoffentwicklung liegt ein weiterer wichtiger Vorteil dieser Herangehensweise, gerade im Bereich der Biowerkstoffe, darin, dass die elektronentheoretischen Methoden eine Vorhersage der Stabilität möglicher neuer Legierungen unter der Einschränkung der Auswahl nur ganz bestimmter, nämlich bioverträglicher Legierungselemente, durchführen können. Auch erlaubt die Verwendung von ab initio Ansätzen in diesem Zusammenhang einen beträchtlichen Erkenntnisgewinn bezüglich der elektronischen Wirkung bestimmter Legierungselemente und erlaubt somit Einblicke in die Grundlagen der Bindungstheorie von Werkstoffen.

Ausblick hinsichtlich Erkenntnisgewinn, Technologieentwicklung und Marktchancen

Die hier neu vorgestellte Simulationsstrategie erlaubt wesentliche grundsätzlich neue Einblicke in die Struktur der Materie und der daraus resultierenden Eigenschaften auf der Basis einerseits der elektronischen Ursachen des Materialverhaltens auf atomarer Skala und andererseits des Zusammenwirkens dieser auf der kleinster Ebene aufgeklärten Eigenschaften im makroskopischen Verbund großer Proben aus vielen Milliarden Kristallen. Damit können quantenmechanische Ansätze erstmals unmittelbar für modernstes Produktdesign eingesetzt werden. Die momentanen Forschungsschwerpunkte innerhalb dieser Strategie liegen auf der atomaren Ebene im Bereich der Fragen zu Details der elektronischen Approximation komplizierter Übergangsmetalle (z. B. die Behandlung der Elektronenkorrelation, magnetischer Phänomene oder der Schwingungsentropie) und auf der makroskopischen Ebene im Bereich der physikalischen Behandlung komplexerer Mikrostrukturen (mehrphasige Gefüge) innerhalb der Finite-Elemente-Lösungsverfahren. Ein weiterer durchaus aufwändiger Aspekt unserer momentanen Arbeiten in diesem Gebiet liegt in der experimentellen Überprüfung der getroffenen Vorhersagen mit so unterschiedlichen Methoden wie der Elektronenmikroskopie, der mechanischen Werkstoffprüfung, der Spektroskopie, der Röntgenbeugung und der Metallurgie.

Weiteres Augenmerk in diesem Ausblick gilt den ökonomischen Vorteilen der hier skizzierten Handlungsweise. Die Entwicklung neuer Werkstoffe muss heutzutage nicht nur unter wissenschaftlichen und technischen Gesichtspunkten betrachtet werden, sondern muss auch einer straffen Zeitabfolge und Planbarkeit gehorchen. Eine besonders schnelle, effiziente und gerichtete Werkstoffentwicklung erhöht für Unternehmen bereits in der näheren Zukunft mit Sicherheit die Marktchancen hinsichtlich rascher Patentierung, Optimierung, Darstellbarkeit und der Einführung kundenorientierter maßgeschneiderter Materialangebote. In diesem Zusammenhang ist es offensichtlich, dass die klassischen metallurgisch-mechanischen Ansätze der Materialentwicklung auf der Basis von „Try und Error“-Verfahren sowie unter Zuhilfenahme klassischer empirischer Methoden der Thermodynamik heutzutage nicht mehr zeitgemäß sind. Genau wie in zahlreichen anderen Hochtechnologiebereichen wird der Markterfolg von Unternehmen, die im Bereich der Werkstoffentwicklung tätig sind, zunehmend auch davon bestimmt werden, wie hoch der wissens- und wissenschaftsbasierte Anteil an der Vorgehensweise ist. Insbesondere die hier vorgestellte skalenüberbrückende Simulationsmethode von der Quantenmechanik bis zum Finite-Elemente-Verfahren verspricht dabei eine wesentlich zielgeführtere Vorgehensweise als bisher, da die Anwendung von ab initio Verfahren innerhalb der Entwicklungsphase eine sehr frühe kritische Selektion zwischen Erfolg versprechenden und weniger Erfolg versprechenden Werkstofflösungen erlaubt. Darüber hinaus führt diese Methode die aussichtsreichsten Ansätze einer gefügeorientierten Optimierung mithilfe der Finite-Elemente-Methode zu.

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