Forschungsbericht 2007 - Max-Planck-Institut für Physik

Supersymmetrische Kandidaten für die Dunkle Materie

Supersymmetric Candidates for Dark Matter

Autoren
Steffen, Frank Daniel
Abteilungen

Theoretische Astroteilchenphysik (Dr. Raffelt) (Dr. habil. Georg Raffelt)
MPI für Physik, München

Zusammenfassung
Die teilchenphysikalische Identität der Dunklen Materie ist eines der großen Rätsel unseres Universums. Seine Lösung kann mit einer bisher noch nicht nachgewiesenen fundamentalen Raumzeit-Symmetrie verknüpft sein: der Supersymmetrie. In vielen supersymmetrischen Erweiterungen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik kann das leichteste supersymmetrische Teilchen nicht zerfallen und ist daher ein vielversprechender Kandidat für die Dunkle Materie. Das leichteste Neutralino, das bereits in dem minimalen supersymmetrischen Modell auftritt, kann als ein solcher Kandidat in der indirekten und der direkten Suche nach dunkler Materie und über die Produktion an zukünftigen Beschleunigern identifiziert werden. Auch das Gravitino, der Superpartner des Gravitons, liefert als mögliches leichtestes Superteilchen eine mögliche Erklärung der Dunklen Materie. Es kann weder in der direkten oder der indirekten Suche nach der Dunklen Materie nachgewiesen noch direkt an Beschleunigern produziert werden. Die Untersuchung von Zerfällen langlebiger geladener Teilchen an zukünftigen Beschleunigern könnte jedoch einen experimentellen Nachweis des Gravitinos ermöglichen. Die kommenden Experimente am CERN Large Hadron Collider können so zu einem zentralen Schlüssel für das Verständnis unseres Universums werden.
Summary
The identity of dark matter is one of the greatest puzzles of our Universe. Its solution may be associated with supersymmetry which is a fundamental space-time symmetry that has not been verified experimentally so far. In many supersymmetric extensions of the Standard Model of particle physics, the lightest supersymmetric particle cannot decay and is hence a promising dark matter candidate. The lightest neutralino, which appears already in the minimal supersymmetric model, can be identified as such a candidate in indirect and direct dark matter searches and at future colliders. As the superpartner of the graviton, the gravitino is another candidate for the lightest superparticle that provides a compelling explanation of dark matter. While it will neither be detected in indirect or direct searches nor be produced directly at accelerators, the analysis of late-decaying charged particles can allow for an experimental identification of the gravitino at future accelerators. In this way, the upcoming experiments at the CERN Large Hadron Collider may become a key to the understanding of our Universe.

Einleitung

Zahlreiche astrophysikalische und kosmologische Beobachtungen deuten darauf hin, dass unser Universum zu ca. 73% aus Dunkler Energie und zu ca. 22% aus Dunkler Materie besteht. Diese Bestandteile des Universums lassen sich nicht mit den Teilchen erklären, die bisher in teilchenphysikalischen Experimenten entdeckt und untersucht werden konnten. Es liegen also nur ca. 5% des Energieinhaltes unseres Universums in Form der bekannten Teilchen vor (Abb. 1a). Mit zukünftigen Teilchenbeschleunigern – wie z.B. dem nahezu fertiggestellten Large Hadron Collider (LHC) am Forschungszentrum CERN in Genf (Abb. 1b) – könnte es jedoch schon in den nächsten Jahren gelingen, neue Teilchen und damit auch den fundamentalen Baustein der Dunklen Materie zu produzieren und zu identifizieren.

Die bisher entdeckten fundamentalen Teilchen und ihr Verhalten in Experimenten werden sehr erfolgreich vom Standardmodell der Elementarteilchenphysik beschrieben. Basierend auf der Quantenfeldtheorie beschreibt dieses Modell drei der vier fundamentalen Kräfte: die elektromagnetische Kraft, die schwache Kraft und die starke Kraft. Die vierte Kraft, die Gravitation, ist bei den experimentell zugänglichen Energien sehr viel schwächer als die zuvor genannten. Sie wird von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie beschrieben, deren Verknüpfung mit der Quantentheorie noch immer zu den größten Herausforderungen der theoretischen Physik gehört.

Beobachtungen der Gravitationsfelder von Galaxien und Galaxienhaufen deuten auf die Existenz der Dunklen Materie hin. Zum Beispiel liefern die hohe Rotationsgeschwindigkeit der sichtbaren Materie in den äußeren Armen von Spiralgalaxien (Abb. 2a) oder die hohe Relativgeschwindigkeit von Galaxien in Galaxienhaufen Hinweise auf Gravitationsfelder, die viel stärker sind als die Gravitationsfelder, die man aufgrund der sichtbaren gewöhnlichen Materie erwartet. Die große Materieansammlung in einem Galaxienhaufen kann auch als Gravitationslinse wirken, die verzerrte Bilder dahinterliegender Galaxien liefert (Abb. 2b). Das Ausmaß dieser Verzerrungen lässt sich wiederum nur mit Gravitationsfeldern erklären, deren Stärke weit über der von der sichtbaren Materie erwarteten liegt. Galaxien und Galaxienhaufen müssen also zu einem Großteil aus Materie bestehen, die Licht weder absorbiert noch emittiert: der Dunklen Materie.

Die Dunkle Materie spielt nach heutigen Erkenntnissen insbesondere bei der Bildung der großräumigen Struktur im Universum (Abb. 2c) eine zentrale Rolle. Bereits die winzigen Temperaturschwankungen in der kosmischen Mikrowellenstrahlung (Abb. 2d), die von Satelliten- und Ballonexperimenten sehr genau vermessen werden, lassen sich überzeugend erklären, wenn man die Existenz der Dunklen Materie annimmt. Analysen dieser Temperaturschwankungen ermöglichen eine genaue Bestimmung des Anteils der Dunklen Materie an der Gesamtenergie des Universums. Tatsächlich charakterisieren die Temperaturschwankungen in der kosmischen Mikrowellenstrahlung die Dichteschwankungen im frühen Universum, die der Ausgangspunkt für die spätere Bildung der Galaxien und Galaxienhaufen waren. Computersimulationen liefern – von den Anfangsbedingungen aus den Analysen der kosmischen Mikrowellenstrahlung ausgehend – wertvolle Einsichten in die kosmische Strukturbildung. Unter der Annahme, dass die Dunkle Materie aus Teilchen mit vernachlässigbaren Geschwindigkeiten besteht, zeigen diese Simulationen ein Bild (Abb. 2c), das sehr gut mit der beobachteten Verteilung der Galaxien übereinstimmt.

Da die Dunkle Materie sichtbares Licht und auch elektromagnetische Strahlung mit anderen Wellenlängen weder absorbiert noch emittiert, müssen ihre Bestandteile elektrisch neutral sein. Sie müssen darüber hinaus entweder stabil sein oder eine Lebensdauer besitzen, die nicht weit unterhalb des Alters unseres Universums liegen kann. Mit einer kürzeren Lebensdauer wäre ein Großteil der Dunklen Materie heute bereits zerfallen. Dies widerlegen jedoch die auch noch in der Milchstraße und in nahegelegenen Spiralgalaxien beobachteten Effekte der Dunklen Materie.

Unter den bekannten Teilchen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik besitzen nur die Neutrinos die Grundeigenschaften der Dunklen Materie: Sie sind stabil, elektrisch neutral und unterliegen allein der schwachen Kraft und der Gravitation. Die erst vor wenigen Jahren klar nachgewiesenen so genannten Neutrinooszillationen zeigen darüber hinaus, dass Neutrinos eine Masse besitzen. Diese Masse ist jedoch so klein, dass die Geschwindigkeit der Neutrinos im jungen Universum und auch später noch sehr hoch gewesen sein muss. Unter der Annahme, dass die Dunkle Materie aus den etablierten Neutrinos besteht, ist es aufgrund dieser hohen Geschwindigkeiten nicht möglich, die Bildung und die Existenz der beobachteten Strukturen in unserem Universum zu verstehen. Im Standardmodell der Elementarteilchenphysik existiert somit kein Teilchen, das die Dunkle Materie in übereinstimmung mit den Beobachtungen erklären kann.

Supersymmetrische Erweiterungen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik

Berechnet man die Stärke der Standardmodell-Kräfte für Energien, die viele Größenordnungen oberhalb jener Energien liegen, die an Teilchenbeschleunigern erreicht werden, dann findet man, dass sich die unterschiedlichen Kopplungsstärken mit zunehmender Energie einem gemeinsamen Wert annähern. Dieses Verhalten kann ein Hinweis für die Vereinigung der drei Standardmodell-Kräfte zu einer übergeordneten Kraft sein. Nimmt man jedoch die Gültigkeit des Standardmodells bis zu der Vereinigungsenergieskala an, dann begegnet man dem so genannten Hierarchieproblem: Es stellt sich heraus, dass die aufgrund von Quanteneffekten erwartete ,natürliche’ Größenordnung der Masse des so genannten Higgs-Teilchens weit oberhalb des Bereiches liegt, den man indirekt in Präzisionsrechnungen aus den Daten von Experimenten an Teilchenbeschleunigern erhält. Solche Präzisionsrechnungen gehören zu den Forschungsaktivitäten am MPI für Physik.

Im Standardmodell ist das Higgs-Teilchen für die Massen der fundamentalen Teilchen verantwortlich und somit ein zentraler Baustein. Bisher konnte es noch nicht direkt beobachtet werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die für seine Produktion notwendige Energie an den bisherigen Teilchenbeschleunigern nicht erreicht werden konnte. Der noch ausstehende direkte Nachweis des Higgs-Teilchens ist daher mit ein Hauptgrund für den Bau des LHC am Forschungszentrum CERN in Genf. Dieser Teilchenbeschleuniger wird in den kommenden Jahren in einen bisher in Labor-Experimenten unerreichten Energiebereich vorstoßen.

Eine besonders elegante Lösung des Hierarchieproblems ergibt sich in supersymmetrischen Erweiterungen des Standardmodells. Die Supersymmetrie ist eine fundamentale Raumzeit-Symmetrie zwischen Elementarteilchen mit unterschiedlichem Spin, d.h. zwischen den Materieteilchen und den die Kräfte vermittelnden Austauschteilchen, die die Bausteine der zugrunde liegenden Quantenfeldtheorie darstellen. Sollte diese Symmetrie in der Natur realisiert sein, dann muss es mehr als ein Higgs-Teilchen geben, und jedes der etablierten Standardmodell-Teilchen muss einen supersymmetrischen Partner besitzen. Die Quanteneffekte dieser neuen Teilchen kompensieren im Falle der Higgs-Masse die Quanteneffekte der Standardmodell-Teilchen. So kann dann diese Masse auf natürliche Weise in dem von den Präzisionsbetrachtungen erwarteten Bereich liegen.

Interessanterweise löst die Supersymmetrie nicht nur das Hierarchieproblem. Aufgrund der von der Supersymmetrie postulierten neuen Teilchen verhalten sich die Kopplungsstärken der drei Standardmodell-Kräfte bei der Extrapolation zu hohen Energien so, dass sie sich am Vereinigungspunkt tatsächlich in einem Punkt treffen, was im Rahmen des nicht-supersymmetrischen Standardmodells nicht der Fall ist. Dieses Verhalten untermauert die Hypothese der Vereinigung der drei Standardmodell-Kräfte zu einer übergeordneten Kraft. Ebenso wie die Higgs-Teilchen wurden die Superpartner der Standardmodell-Teilchen bisher nur aus theoretischen Überlegungen vorhergesagt. Experimentell konnte die Existenz dieser Teilchen noch nicht nachgewiesen werden. Doch auch hier wird auf Entdeckungen am LHC gehofft.

Supersymmetrische Dunkle Materie

Sollte die Supersymmetrie in der Natur realisiert sein, dann wird – auch aufgrund der beobachteten Stabilität des Protons – davon ausgegangen, dass supersymmetrische Prozesse eine diskrete Symmetrie, die so genannte R-Parität, respektieren. Die dazugehörige Quantenzahl unterscheidet zwischen den Standardmodell- und den Higgs-Teilchen, die eine gerade R-Parität (+1) besitzen, und ihren Superpartnern, die eine ungerade R-Parität (-1) besitzen. Ein Prozess erhält nur dann die R-Parität, wenn das Produkt der R-Paritäten der Teilchen im Anfangszustand gleich dem der Teilchen im Endzustand ist.

Aus der geforderten Erhaltung der R-Parität folgt, dass aus dem Zerfall eines Superpartners immer ein weiterer Superpartner hervorgehen muss. Da die Massen von Zerfallsprodukten aufgrund von Energie-Impuls-Erhaltung immer unterhalb der Masse des zerfallenden Teilchens liegen müssen, impliziert dies, dass der leichteste Superpartner – auch wenn er deutlich schwerer als die etablierten Standardmodell-Teilchen ist – bei erhaltener R-Parität nicht zerfallen kann. Der leichteste Superpartner wird also stabil sein. Sollte er im frühen Universum produziert worden sein, dann könnte er noch heute in großen Mengen vorhanden sein. Ein elektrisch neutraler leichtester Superpartner ist somit ein vielversprechender Kandidat für die Dunkle Materie.

Tatsächlich liefern supersymmetrische Erweiterungen des Standardmodells auf sehr natürliche Weise solche Dunkle-Materie-Kandidaten. Hierzu gehören u.a. das leichteste Neutralino und das Gravitino. Im Folgenden werden diese noch hypothetischen Teilchen ihre Eigenschaften und Nachweismöglichkeiten näher beschrieben.

Das leichteste Neutralino

Die Neutralinos sind Superteilchen, die aus Mischungen der elektrisch neutralen Superpartner der Higgs-Teilchen, des Photons und des so genannten Z-Bosons bestehen. Wie die Neutrinos unterliegen sie nur der schwachen Kraft und der Gravitation. Sollten die Neutralinos existieren, dann müssen sie – da sie noch nicht an Teilchenbeschleunigern nachgewiesen werden konnten – um Größenordnungen schwerer sein als die Neutrinos. Dies motiviert die Klassifizierung eines Neutralinos als ein Weakly Interacting Massive Particle (WIMP).

Die Temperaturen direkt nach dem Urknall können um weitere Größenordnungen höher gewesen sein als die Masse der Neutralinos. Bei solch hohen Temperaturen konnten alle Standardmodell-Teilchen, die Higgs-Teilchen und ihre Superpartner effizient produziert werden. Die primordialen Dichten dieser Teilchen können daher so hoch gewesen sein, dass ein thermisches Gleichgewicht von Produktions- und Vernichtungsprozessen vorherrschte. Die Häufigkeit jeder einzelnen Teilchensorte war dann in dieser heißen Epoche vergleichbar mit der der Photonen. Mit der Ausdehnung des Universums nimmt jedoch die Temperatur ab. Bei Temperaturen unterhalb der Masse eines Teilchen wird die Dichte dieser Teilchensorte sehr schnell sehr klein. Es ist nicht mehr genug thermische Energie vorhanden, um diese Teilchen weiter produzieren zu können. Je schwerer ein Teilchen ist, das sich im thermischen Gleichgewicht befindet, umso früher nimmt seine Dichte rapide ab. Auch die Dichte des leichtesten Neutralinos nimmt stark ab bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Temperatur ein Bruchteil seiner Masse beträgt. An diesem Punkt ist die Dichte der Neutralinos und der anderen Superpartner so gering, dass ein Neutralino praktisch keinen Reaktionspartner mehr für einen Vernichtungsprozess findet. Solch ein weiterer Superpartner ist notwendig, da aufgrund der Erhaltung der R-Parität Superpartner nur paarweise produziert oder vernichtet werden können. Ist die Wahrscheinlichkeit für Neutralino-Vernichtungsprozesse vernachlässigbar, dann entkoppelt das leichteste Neutralino vom thermischen Plasma, sodass die Anzahl dieser Teilchensorte im Universum sich (nahezu) nicht mehr ändert.

Mit Computerprogrammen kann man heute sehr genau die Entkopplung des leichtesten Neutralinos im frühen Universum und daraus seine heutige Häufigkeit berechnen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Dichte der Neutralinos heute tatsächlich mit der beobachteten Dichte der Dunklen Materie übereinstimmen kann. Darüber hinaus ist die Geschwindigkeit der aus dem thermischen Gleichgewicht entkoppelten Neutralinos vernachlässigbar. Unter der Annahme, dass das leichteste Neutralino der fundamentale Baustein der Dunklen Materie ist, lässt sich somit die Bildung und die Existenz der beobachteten Strukturen in unserem Universum gut verstehen. Es könnte also eine Anhäufung der leichtesten Neutralinos sein, die den Großteil der Masse in Galaxien und Galaxienhaufen ausmacht.

Drei zueinander komplementäre Methoden werden verfolgt, um dieses theoretisch ansprechende Bild experimentell zu verifizieren: die indirekte Suche, die direkte Suche und die Produktion an Beschleunigern.

Bei der indirekten Suche wird nach Signalen aus Neutralino-Vernichtungsprozessen gesucht. Man erwartet, dass in Regionen des Universums, in denen die Konzentration der Dunklen Materie überdurchschnittlich hoch ist, wie z.B. in Galaxien, noch heute gelegentlich Neutralino-Vernichtungsprozesse stattfinden. Obwohl diese Prozesse keinen großen Einfluss auf die Neutralino-Häufigkeit haben, sollten in dieser Reaktion Standardmodell-Teilchen emittiert werden. Diese Standardmodell-Teilchen können eine hohe Energie besitzen und somit zu energetischen kosmischen Strahlen führen (Abb. 3a), die in Erdnähe und auf der Erde beobachtbar sein sollten. Möglicherweise sind solche kosmischen Strahlen bereits von dem satellitenbasierten Experiment EGRET (Energetic Gamma Ray Experiment Telescope) beobachtet worden. Hier besteht jedoch die Herausforderung, bei der Interpretation des beobachteten Spektrums, Signale von Neutralino-Vernichtungsprozessen, die auch von der genauen Verteilung der unsichtbaren Dunklen Materie abhängen, aus dem komplizierten Hintergrund von anderen Quellen hochenergetischer Strahlen herauszufiltern. Das Weltraumteleskop GLAST (Gamma-Ray Large Area Space Telescope) wird hierzu in Zukunft neue Daten liefern. Auch in so genannten Cherenkov-Teleskopen, wie z.B. H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System) oder MAGIC (Major Atmosspheric Gamma Imaging Cherenkov), an dem das MPI für Physik beteiligt ist (Abb. 3b), sollten Signale aus Neutralino-Vernichtungsprozessen beobachtbar sein.

Bei der direkten Suche wird nach Signalen von Neutralinos aus deren Kollision mit Atomkernen gesucht. Als Dunkle Materie sollten Neutralinos auch die Erde in solch einer Häufigkeit umgeben, dass sie trotz ihrer schwachen Wechselwirkungen gelegentlich auf Atomkerne stoßen. Da die Masse der Neutralinos so groß ist, erfährt der Kern hierbei einen deutlichen Rückstoß, der zu einer minimalen Temperaturerhöhung in dem den Kern umgebenden Material führt (Abb. 3c). Die Herausforderung ist, die von den Neutralinos verursachten Rückstöße von denen zu unterscheiden, die durch andere Teilchen verursacht werden. Vielversprechende Methoden hierzu finden z.B. in den Experimenten CDMS (Cryogenic Dark Matter Search), CRESST (Cryogenic Rare Event Search with Superconducting Thermometers) und EDELWEISS (Expérience pour Detecter Les WIMPs En Site Souterrain) Verwendung. Zur Abschirmung von störenden Standardmodell-Teilchen befinden sich diese Experimente unter mehreren hundert Metern von Gestein, die allerdings von den schwach wechselwirkenden Neutralinos problemlos durchdrungen werden können. Das MPI für Physik ist an dem Experiment CRESST, das sich im Gran-Sasso-Untergrundlabor befindet, beteiligt (Abb. 3d).

Schwere, nur schwach wechselwirkende Teilchen werden seit ca. 20 Jahren mithilfe von Teilchenbeschleunigern produziert und untersucht. Kurzlebige Z-Bosonen, die die bisher schwersten beobachteten Teilchen sind, die allein der schwachen Kraft und der Gravitation unterliegen, konnten so bereits zahlreich produziert werden. Die Wahrscheinlichkeit, Neutralinos zu produzieren, sollte ähnlich sein, sofern die Energien an den Teilchenbeschleunigern hoch genug sind. Somit ist es gut möglich, dass bereits in den nächsten Jahren Neutralinos in den Proton–Proton- Kollisionen am LHC erzeugt werden können (Abb. 3e). Während ein Z-Boson über seinen Zerfall und die daraus resultierenden sichtbaren Zerfallsprodukte nachgewiesen werden kann, hinterlässt ein stabiles leichtestes Neutralino keine Spur in den Teilchendetektoren und kann daher nur mithilfe der Energie-Impuls-Erhaltung nachgewiesen werden. Dies erfordert eine extrem genaue Vermessung der Spuren der zusätzlich produzierten Standardmodell-Teilchen, die auch an dem noch im Aufbau befindlichen ATLAS Experiment (Abb. 3f) unter Beteiligung des MPI für Physik erreicht werden soll. Von theoretischer Seite muss darüber hinaus der Mechanismus, der zur Neutralino-Produktion am Beschleuniger führt, sehr gut verstanden sein. Dies ist ein Gegenstand aktueller Forschung auch am MPI für Physik.

Das Gravitino

Das Gravitino ist der Superpartner des Gravitons, das das Austauschteilchen der Gravitation und als solches nicht Teil des Standardmodells der Elementarteilchenphysik ist. Die Wechselwirkungen des Gravitinos sind, wie die des Gravitons, sensitiv auf die Energien der Interaktionspartner. Die Stärke dieser Wechselwirkungen ist darüber hinaus durch die sehr kleine Newtonsche Gravitationskonstante gegeben. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit für die Interaktion eines Gravitinos im Labor so klein, dass ein Gravitino an Teilchenbeschleunigern nicht direkt produziert werden kann, selbst wenn seine Masse in dem Energiebereich liegt, der bereits zugänglich ist. Die Tatsache, dass noch kein Gravitino an Beschleunigern nachgewiesen werden konnte, lässt daher keine Rückschlüsse auf die Gravitino-Masse zu. Wird das Gravitino als Dunkle-Materie-Kandidat betrachtet, dann wird jedoch angenommen, dass es der leichteste existierende Superpartner und somit leichter als die Standardmodell-Superpartner, zu denen auch das oben diskutierte leichteste Neutralino gehört, ist. Aufgrund der extrem unterdrückten Wechselwirkungen und der unbekannten Masse kann man das Gravitino als ein Extremely Weakly Interacting Particle klassifizieren.

Hier muss noch betont werden, dass das Gravitino – im Gegensatz zum masselosen Graviton – nur deshalb eine Masse besitzen kann, da bei niedrigen Energien die Supersymmetrie nicht als eine exakte, sondern nur als eine so genannte spontan gebrochene Symmetrie vorliegen kann. Im Falle einer exakten Supersymmetrie müssten die Massen der Superpartner identisch mit denen der zugehörigen Standardmodell-Teilchen sein. Dies kann jedoch ausgeschlossen werden, da Superpartner an Teilchenbeschleunigern bisher noch nicht beobachtet werden konnten. Tatsächlich ist der Wert der Gravitino-Masse direkt mit der so genannten Brechungsskala der Supersymmetrie, also der Energieskala oberhalb derer die Supersymmetrie wieder als eine perfekte Symmetrie betrachtet werden kann, verknüpft und daher von fundamentaler Bedeutung in supersymmetrischen Theorien.

Die Stärke der Gravitino-Wechselwirkungen wächst an, wenn die Energien der Interaktionspartner zunehmen. In den ersten Momenten unseres Universums können die Temperaturen und damit die Energien der Standardmodell-Teilchen, der Higgs-Teilchen und ihrer Superpartner so groß gewesen sein, dass eine effiziente Produktion von Gravitinos möglich war. Gravitino-Vernichtungsprozesse sind typischerweise vernachlässigbar, sodass ein thermisches Gleichgewicht für Gravitinos nicht vorliegt. Die Dichte der thermisch produzierten Gravitinos muss daher mit Methoden der Quantenfeldtheorie bei endlichen Temperaturen berechnet werden. Solche Rechnungen sind in den letzten Monaten auch am MPI für Physik durchgeführt worden.

Zur gesamten Gravitino-Dichte trägt auch die nicht-thermische Produktion bei, die deutlich später – also bei viel kleineren Temperaturen – als die thermische stattfand. In einem Szenario, in dem das Gravitino der leichteste Superpartner ist, sind die anderen Superpartner nicht stabil. Diese anderen Superpartner können auch bei niedrigen Temperaturen stets in ein Gravitino zerfallen. Da allerdings bei niedrigen Temperaturen sogar die schwache Kraft um viele Größenordnungen stärker als die die Gravitino-Wechselwirkung bestimmende Gravitation ist, zerfallen die schwereren Superpartner zuerst in den leichtesten Standardmodell-Superpartner. Dieser kann das leichteste Neutralino oder auch ein elektrisch geladenes Teichen sein, wie z.B. der Superpartner des Tau-Leptons: das so genannte Stau. Die Lebensdauer des leichtesten Standardmodell-Superpartners hängt von seiner Masse und der Gravitino-Masse ab und kann in einem Bereich von einigen Sekunden bis hin zu Jahren liegen. Mit solch einer langen Lebensdauer verhält sich der leichteste Standardmodell-Superpartner im frühen Universum so, als wäre er stabil. Seine Dichte vor dem Zerfall lässt sich daher, wie bereits oben für das leichteste Neutralino beschrieben, berechnen. Schlussendlich zerfällt jedoch jedes einzelne Teilchen dieser Sorte in ein Gravitino. Diese nicht-thermisch produzierten Gravitinos sind bei der Berechnung der gesamten Gravitino-Dichte stets einzubeziehen.

Während die thermisch produzierte Gravitino-Dichte von der Gravitino-Masse und der Anfangstemperatur des frühen strahlungsdominierten Universums abhängt, ist die nicht-thermisch produzierte sensitiv auf das Massen-Spektrum der Superpartner, aber typischerweise unabhängig von der obigen Anfangstemperatur. Unter realistischen Annahmen für diese Anfangstemperatur, die Gravitino-Masse und das Massen-Spektrum der Standardmodell-Superpartner findet man, dass eine Übereinstimmung der Gravitino-Dichte mit der beobachteten Dunkle-Materie-Dichte möglich ist.

Sollte das Gravitino tatsächlich der fundamentale Baustein der Dunklen Materie sein, dann muss die Geschwindigkeit eines Großteils der Gravitinos hinreichend klein sein, da ansonsten die Bildung und die Existenz der beobachteten Strukturen in unserem Universum nicht erklärt werden kann. Diese Bedingung liefert Untergrenzen einerseits für die Gravitino-Masse, die die Geschwindigkeit der thermisch produzierten Gravitinos bestimmt, und andererseits für die Masse des leichtesten Standardmodell-Superpartners, die die Geschwindigkeit der nicht-thermisch produzierten Gravitinos bestimmt. Einschränkungen an die Gravitino-Masse sind von besonderem Interesse, da sie, wie oben beschrieben, direkt mit der Brechungsskala der Supersymmetrie verknüpft ist.

In Szenarien, in denen das Gravitino der leichteste Superpartner ist, liefern die beobachteten Häufigkeiten der leichten Atomkerne Helium, Deuterium und Lithium in unserem Universum weitere kosmologische Einschränkungen. Diese leichten Elemente wurden bereits in der so genannten primordialen Nukleosynthese produziert, die einsetzte, als das Universum etwa eine Sekunde alt war. Man glaubt heute, die primordiale Nukleosynthese weitgehend verstanden zu haben. Sie kann von Computerprogrammen simuliert werden. Hierbei findet man, dass die berechneten primordialen Elementhäufigkeiten gut mit den Beobachtungen übereinstimmen. Wenn nun der leichteste Standardmodell-Superpartner während oder nach der primordialen Nukleosynthese zerfällt, dann werden neben dem Gravitino auch Standardmodell-Teilchen emittiert, die mit den produzierten leichten Atomkernen wechselwirken und dabei deren Häufigkeit beeinflussen können (Abb. 4a). Die Computersimulationen der primordialen Nukleosynthese liefern daher zusammen mit den beobachteten Elementhäufigkeiten Obergrenzen für die Emission von Standardmodell-Teilchen in Zerfällen des leichtesten Standardmodell-Superpartners. Sollte der leichteste Standardmodell-Superpartner eine elektrische Ladung tragen, wie z.B. das Stau, dann kann dieser vor dem Zerfall einen gebundenen Zustand mit den bereits produzierten positiv geladenen Atomkernen eingehen und auch so Prozesse der primordialen Nukleosynthese beeinflussen (Abb. 4ba). Hieraus folgen Obergrenzen für die Häufigkeit eines negativ geladenen leichtesten Standardmodell-Superpartners. Mit den diskutierten Obergrenzen lässt sich entscheiden, ob eine bestimmte supersymmetrische Erweiterung des Standardmodells, in der das Gravitino die Dunkle Materie liefern könnte, kosmologisch erlaubt ist.

Die experimentellen Nachweismöglichkeiten eines Gravitinos als Dunkle-Materie-Kandidat sind stärker eingeschränkt als die im Falle des leichtesten Neutralinos. Aufgrund der extrem unterdrückten Wechselwirkungen scheint es in absehbarer Zeit mit den derzeit denkbaren Technologien nicht möglich zu sein, Gravitinos in der indirekten oder der direkten Suche, die oben für Neutralinos beschrieben sind, experimentell nachzuweisen. Auch die direkte Produktion von Gravitinos an Beschleunigern ist aufgrund der geringen Stärke der Wechselwirkungen sehr stark unterdrückt. Dennoch gibt es Szenarien, in denen der experimentelle Nachweis von Gravitinos an zukünftigen Beschleunigern gelingen kann.

Mit dem Gravitino als leichtester Superpartner kann der leichteste Standardmodell-Superpartner, wie bereits oben erwähnt, elektrisch geladen sein. Dieses geladene Teilchen kann darüber hinaus eine Lebensdauer besitzen, die weit oberhalb von einer Sekunde liegt. Sollte dieser leichteste Standardmodell-Superpartner an einem zukünftigen Beschleuniger produziert werden, dann würde er als ein langlebiges geladenes Teilchen eine gut sichtbare Spur in den Teilchendetektoren hinterlassen. Die Lebensdauer kann so groß sein, dass dieses Teilchen nicht von einem stabilen unterschieden werden kann, da seine Zerfälle erst außerhalb des Detektorvolumens stattfinden und so der Beobachtung entgehen (Abb. 4c). Aufgrund der strengen kosmologischen Grenzen für die Existenz eines schweren stabilen geladenen Teilchens können Signaturen solcher scheinbar stabiler leichtester Standardmodell-Superpartner bereits auf die Existenz des Gravitinos oder eines anderen extrem schwach wechselwirkenden leichtesten Superpartners hindeuten.

Da ein schweres geladenes langlebiges Teilchen auf seinem Weg durch den Teilchendetektor Energie verliert, ist sogar denkbar, dass solch ein leichtester Standardmodell-Superpartner, wenn er mit einer geringen Anfangsgeschwindigkeit produziert wird, im Detektorvolumen stecken bleiben und dort bis zu seinem Zerfall verharren kann. Die Analyse dieses Zerfalls kann dann möglich sein und zu einem experimentellen Nachweis der Gravitinos führen (Abb. 4d).

Die Theorie, die als Supergravitation bezeichnet wird, liefert klare Vorhersagen für die Zerfälle des leichtesten Standardmodell-Superpartners in das Gravitino und Standardmodell-Teilchen. Diese Vorhersagen hängen nur von den Massen der beteiligten Teilchen ab. Nach einer Messung des Massen-Spektrums der Standardmodell-Superpartner an zukünftigen Beschleunigern wird die einzige Unbekannte in diesen Vorhersagen die Gravitino-Masse sein. Diese kann dann gefunden werden als der Wert, bei dem die gemessene Lebensdauer des leichtesten Standardmodell-Superpartners mit der entsprechenden theoretischen Vorhersage der Supergravitation übereinstimmt. Da in den Zerfällen die Energie-Impuls-Erhaltung erfüllt sein muss, ist zusätzlich auch eine Bestimmung der Gravitino-Masse aus der Messung der Energien der anderen emittierten sichtbaren Teilchen denkbar. Mit der so bestimmten Gravitino-Masse sind die theoretischen Vorhersagen eindeutig festgelegt, sodass eine mögliche Übereinstimmung mit den Daten als experimenteller Nachweis für das Gravitino als leichtester Superpartner und zugleich als Bestätigung der Supergravitation angesehen werden kann. Eine Messung der Gravitino-Masse bestimmt darüber hinaus die Brechungsskala der Supersymmetrie und ist essenziell, um zu entscheiden, ob das Gravitino tatsächlich der fundamentale Baustein der Dunklen Materie sein kann.

Während ein langlebiger geladener leichtester Standardmodell-Superpartner direkt nach seiner Produktion gut unterscheidbar von den anderen an zukünftigen Beschleunigern zu erwartenden Reaktionen sein sollte, ist die Beobachtung eines solchen Superpartners, der nach einer Produktion mit einer bereits geringen Anfangsgeschwindigkeit im Detektor zur Ruhe kommt und dann dort zu einem späteren Zeitpunkt zerfällt, als eine enorme Herausforderung anzusehen. Die nahezu fertiggestellten Detektoren am LHC sind z.B. entwickelt worden, um sehr schnell Reaktionen aufzuzeichnen, und sind daher weniger geeignet, Zerfälle langlebiger Teilchen zu untersuchen. Insbesondere sind diese Detektoren auf Reaktionen ausgerichtet, die in der Nähe des Punktes stattfinden, an dem die beschleunigten Teilchen kollidieren. Auf langsame langlebige geladene Superpartner, die im Detektorvolumen mit einem relativ großen Abstand vom Kollisionspunkt zu Ruhe kommen und dann später zerfallen, sind diese Detektoren und die dazugehörigen Analyseprogramme bisher nicht vorbereitet. Es gibt aber Arbeitsgruppen, in denen gegenwärtig untersucht wird, wie mit den Detektoren am LHC und an anderen zukünftigen Beschleunigern – wie z.B. dem geplanten International Linear Collider (ILC) – Szenarien mit einem langlebigen geladenen Superpartner optimal erforscht werden können. Hierbei wird auch über zusätzliches Detektormaterial nachgedacht, mit dem die Anzahl der gestoppten langlebigen Superpartner erhöht werden kann (Abb. 4d). Gerade für die eindeutige Identifizierung des Gravitinos wird eine hohe Anzahl von Zerfällen aufgezeichnet und analysiert werden müssen. Für diese Identifizierung ist auch die Berechnung und Vorhersage möglicher Signaturen anderer extrem schwach wechselwirkender Kandidaten für das leichteste Superteilchen, wie z.B. das so genannte Axino, unerlässlich. Da langlebige geladene Standardmodell-Superpartner auch bei einer leichten Verletzung der R-Parität auftreten können, müssen auch solche Szenarien entsprechend studiert werden. Diese theoretischen Untersuchungen gehören zu den Forschungsaktivitäten am MPI für Physik.

Zusammenfassung

Kosmologische und astrophysikalische Untersuchungen zeigen, dass unser Universum nur zu ca. 5% aus den bisher entdeckten Teilchen besteht. Ein wesentlich größerer Teil von ca. 22% des Gesamtenergieinhaltes liegt in Form von Dunkler Materie vor. Da deren fundamentaler Baustein nicht Teil des Standardmodells der Elementarteilchenphysik sein kann, muss die Existenz der Dunklen Materie als ein Hinweis auf neue Physik jenseits des Standardmodells der Elementarteilchenphysik verstanden werden. Die supersymmetrische Erweiterung des Standardmodells ist ein besonders attraktives Konzept, da sie unter anderem eine elegante Lösung des Hierarchieproblems liefert und die Hypothese der Existenz einer übergeordneten, die Standardmodell-Kräfte vereinheitlichenden Kraft untermauert.

Sollte die Supersymmetrie tatsächlich in der Natur realisiert sein, dann ist aufgrund der Proton-Stabilität und der dadurch motivierten Erhaltung der R-Parität davon auszugehen, dass der leichteste Superpartner stabil ist. Damit ist als möglicher leichtester Superpartner das leichteste Neutralino, das nur der schwachen Kraft und der Gravitation unterliegt, ein vielversprechender Dunkle-Materie-Kandidat. Sollte das leichteste Neutralino tatsächlich der fundamentale Baustein der Dunklen Materie sein, dann sollte die schwache Wechselwirkung des leichtesten Neutralinos ausreichen, diese in der indirekten Suche, in der direkten Suche und an zukünftigen Beschleunigern nachweisen zu können. Dieser Nachweis könnte bereits in den kommenden Jahren gelingen.

Ein weiterer sehr gut motivierter Kandidat für das leichteste Superteilchen und die Dunkle Materie ist das Gravitino, das als der Superpartner des Gravitons viel schwächer wechselwirkt als das leichteste Neutralino. Sollte das Gravitino der fundamentale Baustein der Dunklen Materie sein, dann wird man die Dunkle Materie aufgrund der extrem schwachen Gravitino-Wechelwirkungen weder in der direkten noch in der indirekten Suche nachweisen können. Ein experimenteller Nachweis kann dennoch an zukünftigen Teilchenbeschleunigern gelingen, wenn der nächstleichteste Superpartner ein elektrisch geladenes Teilchen ist, dessen Zerfälle in das Gravitino noch im Detektorvolumen beobachtet werden können. Bereits in den nächsten fünf Jahren könnte ein langlebiger geladener leichtester Standardmodell-Superpartner am LHC als erster Hinweis auf das Gravitino als Baustein der Dunklen Materie gefunden werden.

Neben dem leichtesten Neutralino und dem Gravitino gibt es noch andere Kandidaten für das leichteste supersymmetrische Teilchen wie z.B. das Axino, das wie das Gravitino trotz extrem schwacher Wechselwirkungen ein vielversprechender Kandidat für die Dunkle Materie ist. Sollten supersymmetrische Teilchen an zukünftigen Beschleunigern produziert werden können, dann wird die Identifikation des leichtesten Superpartners und damit möglicherweise die des fundamentalen Bausteins der Dunklen Materie eine der zentralen Aufgaben sein.

Nach bisherigen Untersuchungen ist es vorstellbar, dass tatsächlich der Großteil der Materie in unserem Universum aus dem leichtesten supersymmetrischen Teilchen besteht. Mit den kommenden Experimenten am LHC und anderen zukünftigen Beschleunigern kann es gelingen, genau diesen fundamentalen Baustein der Dunklen Materie erstmals im Labor zu produzieren und zu untersuchen. Die Entschlüsselung der teilchenphysikalischen Identität der Dunklen Materie würde eines der größten Rätsel der Naturwissenschaften lösen und zu den größten Entdeckungen der Menschheit gehören.

Literaturverweise

Die Schrift [1] gibt einen allgemeinverständlichen Überblick über das Forschungsgebiet der Astroteilchenphysik, zu dem auch die Erforschung der Identität der Dunklen Materie gehört. Der Review der Particle Data Group [2] enthält – neben der Katalogisierung gemessener Teilcheneigenschaften – aktuelle Daten zur Zusammensetzung des Universums und kompakte Zusammenfassungen zentraler Gebiete der Astrophysik und Kosmologie. Auch Ergebnisse aus der Suche nach Superpartnern sind aufgeführt. Eine Einführung in die Supersymmetrie, in der auch supersymmetrische Dunkle Materie diskutiert wird, gibt das Lehrbuch [3]. Der Review [4] gibt eine ausführliche Beschreibung von Szenarien, in denen das leichteste Neutralino das Dunkle-Materie-Teilchen ist. Auch die indirekte und die direkte Suche werden diskutiert. Die Untersuchung von Neutralinos an den Beschleunigern LHC und ILC wird für charakteristische Szenarien in der Arbeit [5] diskutiert. Eine Beschreibung von Szenarien, in denen das Gravitino das Dunkle-Materie-Teilchen und das Stau der leichteste Standardmodell-Superpartner ist, kann in dem Papier [6] gefunden werden. Die Effekte von gebundenen Zuständen aus Staus und Helium-Kernen wurden erstmals in der Arbeit [7] untersucht. Die thermische Produktion von Gravitinos und die Folgen der Effekte von gebundenen Zuständen aus Staus und Helium-Kernen für Szenarien, in denen das Gravitino das Dunkle-Materie-Teilchen ist, werden in dem Brief [8] diskutiert. Nachweismöglichkeiten von Gravitinos durch die Analyse von Stau-Zerfällen sind in der Arbeit [9] vorgestellt worden. Eine weitere Studie zur Identifizierung von Gravitinos an Beschleunigern kann in dem Papier [10] gefunden werden.

Originalveröffentlichungen

Raffelt, G. et al. (Redaktionskomitee)
Astroteilchenphysik in Deutschland
http://www.astroteilchenphysik.de (2006).
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Brandenburg, A., L. Covi, K. Hamaguchi, L. Roszkowski and F. D. Steffen
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