Forschungsbericht 2008 - Max-Planck-Institut für Chemie

"Organics over the Ocean Modifying Particles in both Hemispheres, OOMPH" – Ein Meeresforschungsprojekt

Autoren
Williams, Jonathan
Abteilungen
Chemie der Atmosphäre (Prof. Dr. Johannes Lelieveld)
MPI für Chemie, Mainz
Zusammenfassung
Die Ozeane bilden etwa drei Viertel der unteren Grenze der Erdatmosphäre. Deshalb hat der Austausch von Gasen in dieser Grenzschicht einen erheblichen Einfluss auf die globale Atmosphärenchemie. Im Rahmen des Projektes „OOMPH“ durchquerten Wissenschaftler des MPI für Chemie an Bord eines Forschungsschiffes die „Roaring Forties“ zwischen 40° und 50° südlicher Breite und trafen dabei auf eine Phytoplankton-Blüte von gigantischem Ausmaß. Untersuchungen solch unberührter Regionen geben Aufschluss über die Funktionsweise der Atmosphäre, in der es keine vom Menschen verursachte Verschmutzung gibt.

Einleitung

Obwohl unser Planet überwiegend von Wasser bedeckt ist, heißt er „Erde". Vielleicht, weil wir so wenig über die Weltmeere wissen und sie erst so kurz erforschen können. Der Spruch von Issac Newton, „Was wir wissen, ist ein Tropfen, was wir nicht wissen, ist ein Ozean.", trifft es ziemlich genau. Eines der Gebiete, auf dem unser Wissen große Lücken aufweist, ist der Austausch des Ozeans mit der Atmosphäre – besonders, wenn man bedenkt, was bekannt ist über vergleichbare Prozesse an Land. Wichtiges Wissen, denn da Meerwasser Gase aufnehmen oder abgeben kann, spielt es eine bedeutende Rolle in der globalen Atmosphärenchemie. Besonders gering ist die Kenntnis über die Gruppe der chemischen Verbindungen, die leicht flüchtig sind, also schnell verdunsten – in Fachkreisen als „volatile organic compounds“, kurz VOC bezeichnet. Sie werden von Pflanzen und Plankton in die Luft abgegeben. Diese Stoffe können einen gravierenden Einfluss auf Schlüsselverbindungen der Atmosphäre wie Ozon haben. Welche Rolle die Meere spielen, ist für viele der VOCs noch kaum erforscht. Jährlich wandeln Landpflanzen weltweit ca. 56 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (als CO2) aus der Atmosphäre in Pflanzenmaterial oder Biomasse um. Diese Masse bringt schätzungsweise 1.000-mal mehr auf die Waage als die gesamte Weltbevölkerung. Obwohl die Masse der Pflanzen in den Ozeanen nur ein Hundertstel der Masse der Landpflanzen erreicht – u. a. weil es keine Bäume gibt – nehmen Wasserpflanzen mit 49 Milliarden Tonnen etwa gleich viel Kohlenstoff auf. Welche anderen Stoffe in welchen Mengen ausgetauscht werden, können Forscher größtenteils nur ahnen. Es ist also dringend notwendig, die Grenzschicht zwischen Meer und Atmosphäre zu erforschen, um die globale Atmosphärenchemie der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verstehen zu können.

Um die offenen Fragen zum Thema Atmosphäre-Meeres-Grenzschicht in Angriff nehmen zu können, finanzierte die Europäische Union für den Zeitraum 2005 bis 2008 ein Forschungsprojekt mit dem Titel OOMPH „Organics over the Ocean Modifying Particles in both Hemispheres“ mit einem Budget in Höhe von zwei Millionen Euro. Das OOMPH-Projekt vereinte ein internationales Konsortium von neun Forschergruppen aus Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Belgien und Ungarn und wurde von Dr. Jonathan Williams vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz konzipiert und koordiniert. Ziel dieses Projektes war die Untersuchung organischer (kohlenstoffhaltiger) Spezies von der Produktion durch Phytoplankton im Meerwasser über den Transfer in Gas- und Aerosol-Phasen in die oberen Luftmassen.

Laborstudien

In der ersten Phase bestimmte das OOMPH-Team, welche spezifischen organischen Emissionen tatsächlich von Phytoplankton stammen und wie sie von Licht und Temperatur abhängig sind. Dadurch wollte das Team bereits im Vorfeld ermitteln, auf welche organischen Komponenten es während der Schiffsmesskampagne aller Voraussicht nach stoßen würde. Es wählte deshalb eine Anzahl weltweit reichlich vorhandener Phytoplankton-Arten aus und züchtete sie im Labor als Monokulturen in Inkubationskammern. Unter verschiedenen Tag/Nacht-Licht-Zyklen strömte Reinluft durch die Kammern der Kulturen. Auf diese Weise spülten alle vom Phytoplankton abgegebenen Gase aus der Kammer in Richtung der Detektoren. Interessanterweise haben alle gemessenen Phytoplankton-Kulturen Kohlenmonoxid (CO) abgegeben, wenn auch in verschiedenen Mengen. Die Pflanzen veränderten ihre CO-Emissionen eindeutig mit dem Lichteinfall. Daher wussten die Wissenschaftler, dass Phytoplankton während der Tageslicht-Phasen CO aus den Ozeanen in die Atmosphäre abgeben. Das Team maß auch das VOC Isopren, das am häufigsten als Emission von Bäumen und Pflanzen gemessen wird. Besonders intensiv waren die Emissionen aus Kulturen, die „Cyanobakterien“ enthielten, eine der ältesten und widerstandsfähigsten Gruppe, die auf unserer Erde vorkommt. Das Labor-Inkubations-Experiment lieferte eine weitere Überraschung, nämlich den ersten Nachweis, dass Monoterpen im Meer produziert wird. Genau wie Isopren sind Monoterpene bereits als Emission von Pflanzen und Bäumen gemessen worden, allerdings noch nicht von Phytoplankton. Einige der Monoterpen-Spezies konnten danach auch in der Luft über dem offenen Meer nachgewiesen werden.

Satelliten und Modellierung

Im Anschluss an die Laborexperimente kombinierte das Team die VOC-Emissions-Daten verschiedener Phytoplankton-Spezies mit neuen Satellitenbildern von der globalen Phytoplankton-Verteilung. Durch die Verbindung der Emissionsraten und der Emissionsverteilung in einem globalen Modell konnten die Forscher die globale Emission ausgewählter Spezies aus dem Meerwasser abschätzen. Auf diese Weise konnte bewiesen werden, dass die jährliche Menge Isopren, die aus dem Meer abgegeben wird, zwischen 0,31 und 1,9 Millionen Tonnen beträgt und somit wesentlich geringer ist als die 500 Millionen Tonnen, die Landpflanzen abgeben. Diese Ergebnisse lieferten einen wertvollen Beitrag in der hitzigen Diskussion um eine im Jahr 2006 vorgestellte Veröffentlichung über Satelliten-Messungen. In dieser Studie wird die Meinung verfochten, dass Meeres-Isopren aus einer Phytoplankton-Blüte im Südatlantik die Eigenschaften der über ihr befindlichen Wolken beeinflusst hat. Das OOMPH-Team dagegen ist der Auffassung, dass Isopren hierfür nicht verantwortlich ist und dass eine andere Erklärung gefunden werden muss.

Schiffsmessungen

Nach den erfolgreich durchgeführten Laborexperimenten und der Integration der Ergebnisse in ein Modell begab sich das OOMPH-Team auf zwei arbeitsintensive Schiffsmesskampagnen. Die erste Fahrt war eine reine Testkampagne, um die Funktion der neu entwickelten Instrumente zu prüfen. Daher fand sie in den ruhigen Gewässern des Tropischen Atlantiks vor der Küste Afrikas statt. Die Auswertung der Tests ergab, dass der ideale Ort für effiziente Messungen von Meeresemissionen folgende Kriterien erfüllt. Er sollte: 1) frei sein von terrestrischen Einflüssen aus der Umgebung, 2) hohe Windgeschwindigkeiten aufweisen und 3) ein hohes, leicht zu lokalisierendes Phytoplankton-Vorkommen aufweisen.

Um einen solchen Ort zu untersuchen, ging das komplette OOMPH-Team für die zweite Schiffskampagne an Bord des französischen Forschungsschiffes „Marion Dufresne“ (Abb. 1) und durchquerte die „Roaring Forties“. So heißt die Region der „brüllenden“ Westwinde zwischen 40° und 50° südlicher Breite im Südatlantik. Die Schiffskampagne fand zwischen Januar und März 2007 statt und führte von Süd-Afrika nach Chile und zurück. Zu dieser Jahreszeit – dem südlichen Sommer – bildet sich im Süd-Atlantik eine großflächige Phytoplankton-Blüte, die von oben betrachtet einer riesengroßen Blume gleicht. Die Phytoplankton-Blüte und die Schiffsrouten sind in Abbildung 2 zu sehen. Trotz orkanartiger Stürme und dementsprechend schwierigen Arbeitsbedingungen an Bord des Schiffes gelang es dem OOMPH-Team, sowohl in den Regionen mit niedrigen Algenkonzentrationen als auch im Zentrum der Blüte im westlichen Atlantik eine große Auswahl an VOC-Spezies zu messen.

Sucht man nach absolut reiner Luft, gibt es kaum einen geeigneteren Fleck auf dieser Erde als den Südlichen Atlantischen Ozean – weit weg von Festland und menschlichen Aktivitäten. Tatsächlich hat das Team während der Fahrt extrem niedrige Mischungsverhältnisse der VOCs und terrestrischer Emissionen wie Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) gemessen. In der Region der Blüte jedoch änderte sich das Bild schlagartig: Schon von Deck aus konnte man sehen, dass das Wasser grüner war. Gleichzeitig zeigten die Messungen vieler Komponenten plötzlich extreme Peaks. Wie von den Laborexperimenten erwartet, waren auch innerhalb der Blüten-Region im Meerwasser erhöhte CO-Werte zu messen. Auch Isopren und – zum ersten Mal – Monoterpene konnten nachgewiesen werden, beides Stoffe, die die regionale Photochemie in erheblichem Maße beeinflussen können. Das schwefelhaltige Dimethylsulfid (DMS) wurde im Überfluss entdeckt. Des Weiteren identifizierte das Team zahlreiche halogenhaltige Komponenten. Interessanterweise änderte sich die Speziation der VOCs, als das Schiff die Blüte durchquerte. Das gleiche gilt für Aerosole. Elektronenmikroskop-Bilder von Aerosolen aus diesem Gebiet zeigen geleeartige faserige Klumpen auf Seesalz-Partikeln. In den umgebenden Aerosolen ermittelten die Wissenschaftler Methansulfonsäure, ein Oxidationsprodukt von DMS. Den OOMPH-Forschern an Bord gelang es, die Änderungen der Gas- und Aerosolzusammensetzung mit einer unterschiedlichen Phytoplankton-Verteilung rund um das Schiff in Verbindung zu bringen. Diese wissenschaftlich hochspannende Fahrt durch die aktive Blüten-Region konnten die an Land verbliebenen Kollegen über einen Web-Log verfolgen, den die Wissenschaftler an Bord führten (Abb. 3).

Allem Anschein nach kann man dem Einfluss menschlicher Aktivitäten auf der Erde im 21. Jahrhundert nicht entrinnen. Obwohl das Ziel der OOMPH-Schiffskampagne in der Untersuchung natürlicher Emissionen bestand, begegnete die „Marion Dufresne“ am 2. Februar 2007 bei der Durchquerung einer Hochchlorophyll-Region (etwa 45ºS, 59,3ºW) völlig unerwartet einer großen Fischereiflotte von etwa 150–200 Schiffen. Diese Flotte fing, überwiegend nachts, Tintenfische und setzte zum Ködern der Kalmare eine riesige Menge sehr leistungsfähiger Lampen (etwa 150 Birnen mit 2–3 kW) ein. Diese „beleuchtete“ Flotte ist so hell, dass sie sogar auf Satellitenbildern leicht zu erkennen ist. Dafür verbraucht die Flotte mit etwa 200 Megawatt so viel Strom, wie ein kleines Kraftwerk erzeugt. In einer Region, die durch die natürlichen Emissionen von Phytoplankton-Blüten geprägt ist, stellten die Schiffe daher eine starke Quelle anthropogener Gase (NO und NO2) dar. Mit einem auf Ozeanmessungen abgestimmten Atmosphärenchemie-Modell konnten die OOMPH-Forscher nachweisen, dass dort viel Ozon produziert wurde, wo Schiffsemissionen und die natürlichen Emissionen aus der Phytoplankton-Blüte aufeinander treffen. Fischfang findet besonders in phytoplanktonreichen Regionen statt. Daher müssen seine Auswirkungen auf die Chemie der Atmosphäre in Zukunft berücksichtigt werden.

Die im Rahmen des OOMPH-Projektes geleistete Pionierarbeit hat viele Prozesse, die organische Spezies beeinflussen, erfolgreich herauskristallisiert und zur Lösung einiger wissenschaftlicher Schlüsselfragen beigetragen. Wenn es, wie prognostiziert, zu einer Erderwärmung in der Zukunft kommt, ändern sich die Verteilung und Artenzusammensetzung des Phytoplanktons. Die Ergebnisse des OOMPH-Projektes machen deutlich, dass Satelliten-, Modell-, Labor- und Feldstudien kombiniert werden sollten, um zukünftige Veränderungen im Luft-Meer-System besser abschätzen zu können.

Danksagung

Das OOMPH-Projekt wurde im 6. EU-Rahmenprogramm (018419) gefördert. Die Autoren bedanken sich für die logistische Unterstützung des IPEV/Aerotrace-Programms während der Messkampagne auf dem südlichen Ozean.

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