Forschungsbericht 2008 - Max-Planck-Institut für Astrophysik

Die Sonnengranulation genauer betrachtet

Autoren
Kupka, Friedrich; Zaussinger, Florian
Abteilungen

Stellare Astrophysik (Prof. Dr. Wolfgang Hillebrandt)
MPI für Astrophysik, Garching

Zusammenfassung
Wie würde die Oberfläche unserer Sonne aussehen, wenn wir Teleskope zur Verfügung hätten, die eine Auflösung erlaubten, die zehnmal höher ist als jene heutiger Instrumente? Wie sieht die Sonne unterhalb ihrer Oberfläche bei dieser Auflösung aus? In einer internationalen Zusammenarbeit sind Wissenschaftler der Universität Wien und des MPI für Astrophysik der Beantwortung dieser Fragen mit numerischen Simulationen nachgegangen. Eine hoch turbulente Strömung, die immer mehr Details erkennen ließ, fand sich versteckt unter der glatt erscheinenden Oberfläche, wie wir sie von Aufnahmen unserer Sonne im sichtbaren Licht kennen.

Beobachtungen unserer Sonne zeigen ein Muster von hellen Strukturen im sichtbaren Licht (den Granulen), die in ein Netzwerk aus Gas mit viel geringerer Helligkeit eingebettet sind. Im Durchschnitt dehnen sich die Granulen etwa 1.200 km weit aus. Innerhalb der Granulen ist das Gas heißer als in seiner Umgebung. Es bewegt sich mit etwa 2 km/s aufwärts, bis die Abstrahlung in den Weltraum zu ausreichender Abkühlung führt. Nachdem es seitwärts aus der Granule verdrängt wurde, sinkt das kalte und dichte Gas abwärts als Teil eines Netzwerks, das die Granulen umgibt. Die besten Instrumente, die derzeit für Aufnahmen der Sonnenoberfläche verfügbar sind, können Details mit einer Größe von 70 km erkennen [1-4]. Bei dieser Auflösung erscheinen die Granulen bemerkenswert glatt. Numerische Simulationen der Sonnengranulation ergaben bei ähnlicher Auflösung genau das gleiche Resultat. Was würden wir finden, wenn wir dieselben Schichten in der Sonne ansehen, aber Details mit einer Größe von nur wenigen km erkennen könnten? Da jede Granule auch durch ihre Umgebung beeinflusst wird, müssen numerische Simulationen dieses Vorgangs für ein wesentlich größeres Gebiet durchgeführt werden, das mehr als 10.000 km breit und 3.000 km tief sein sollte. Selbst auf Supercomputern muss dabei eine kleinere Region ausgewählt werden, für die das zeitabhängige Verhalten solch kleiner Strukturen untersucht werden soll. Dieses Teilgebiet enthält bloß einige wenige Granulen. Seine Umgebung wird mit einer geringeren Auflösung numerisch simuliert.

Abbildung 1 zeigt eine solche Simulation, bei der aber nur eine horizontale Richtung berücksichtigt wurde. Die Sonnenoberfläche ist klar sichtbar als ein Gebiet mit geringer vertikaler Ausdehnung, das im horizontalen Verlauf stark gekrümmt ist und dadurch unterschiedlich tief liegt. Die meisten kleinen Strukturen sind in den wenigen Fronten zu finden, die sich innerhalb der sichtbaren Sonnenatmosphäre nach oben bewegen. Dieses Ergebnis stimmt mit Aufnahmen von der Sonnenoberfläche und der in der physikalischen Literatur beschriebenen Vorstellung auch bei dieser sehr hohen Auflösung gut überein. Das Gebiet unterhalb der Oberfläche sieht allerdings völlig anders aus: Je länger das Gas Zeit hat, ins Innere abzusinken, um so mehr kleine Details werden sichtbar. Die kleinräumigen Strukturen werden hauptsächlich von den Scherkräften zwischen den Auf- und Abströmgebieten erzeugt.

Solch kleine Strukturen treten nicht auf, wenn nicht ein Mindestmaß an räumlicher Auflösung erreicht wird und fortgeschrittene numerische Rechenverfahren in den Simulationen verwendet werden. Dies wurde durch Simulationen mit niedrigerer Auflösung sowie mit anderen numerischen Verfahren überprüft. Darüber hinaus liefern verschiedene Verfahren immer ähnlicher werdende Resultate, sobald eine bestimmte räumliche Auflösung überschritten wird. Da die hochgradig turbulenten Strukturen in der Strömung in Abbildung 1 von Schichten von undurchsichtigem Gas verdeckt werden (der sichtbaren Sonnenoberfläche), müssen indirekte Beobachtungsverfahren herangezogen werden, um diese Ergebnisse zu überprüfen. Eine Möglichkeit sind Oszillationen und Wellen, die von der Strömung erzeugt werden. Die Sonne pulsiert und diese Pulsationen sind die beste „Sonde“, die uns zur Untersuchung des Sonneninneren zur Verfügung steht. Bei den Pulsationen handelt es sich um stehende Schallwellen innerhalb der Sonnenhülle. Die meiste Energie beziehen diese Wellen aus den Schichten unmittelbar unterhalb der Sonnenoberfläche, wo auch die kleinskaligen Strukturen in Abbildung 1 erscheinen. Eine Analyse der numerischen Simulationen zeigt zahlreiche „akustische Ereignisse“; Pulse, die in den Grenzgebieten von Auf- und Abströmungen entstehen, wo große Scherkräfte auftreten und Gebiete niedriger Dichte plötzlich komprimiert werden können. Abbildung 2 zeigt diese Pulse als schwarze Linien in einer Momentaufnahme. Sie verbinden Orte, an denen der gleiche Unterschied zwischen lokalem und horizontal gemitteltem Druck herrscht. Diese Druckschwankungen bewegen sich oft in eine Richtung, die nicht mit der lokalen Strömung zusammenhängt. Die Pulse kreuzen einander, werden gedämpft oder verstärkt und manche schaffen es bis an die Oberfläche. In welchem Zusammenhang stehen sie zu den beobachteten Oszillationen? Denn diese finden eigentlich auf den Längenskalen einiger Granulen und noch größer statt.

Um diese Frage zu beantworten sind noch realistischere Simulationen nötig, die beide horizontalen Raumrichtungen berücksichtigen. Die Einschränkung auf zwei räumliche Dimensionen erzeugt Phänomene, die für die reale Konvektion in der Sonne nicht erwartet und auch nicht beobachtet werden, wie etwa die stabilen Wirbel sowohl in Abbildung 1 als auch in Abbildung 2 (diese gelangen jedoch auch in der Simulation nicht bis zur Oberfläche). Die Rechenanforderungen für solch dreidimensionale Simulationen sind beträchtlich und dieselbe Auflösung wie in Abbildung 2 zu erreichen bedeutet, die heutigen, leistungsfähigsten Supercomputer bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten zu bringen. Abbildung 3 zeigt Resultate aus einer ersten Reihe solcher Simulationen, bei etwa einem Drittel der Auflösung, wie sie im zweidimensionalen Fall erzielt wurde. Der Anstieg an Komplexität in der Strömung ist klar erkennbar. Die glatte Oberfläche in Abbildung 3 bezeichnet eine Temperaturregion gerade unterhalb der sichtbaren Schichten der Sonne. Aufströmgebiete und Abströmgebiete, die mit der Zeit zerfallen und neu entstehen, sind klar differenzierbar. Ebenso sind Fronten mit starken Druckunterschieden (gelb-rot) entlang der Grenzen der Aufströmgebiete (dem Innen liegenden Teil der Granulen) zu sehen, die sich weiter nach oben bewegen. Das Auftreten dieser Phänomene und der drastische Anstieg an Komplexität innerhalb starker Abströmgebiete ist der Anlass zu Simulationen mit einer ähnlichen Auflösung wie in Abbildung 2, um die Rolle der Scherkräfte bei der Entstehung von Schallwellen in der Sonne zu klären. Diese werden nun als Teil eines Projektes im Rahmen von DEISA, sowie eines weiteren Projektes am Leibniz-Rechenzentrum durchgeführt. Jedoch ist bereits jetzt klar erkennbar, dass das, was von außen bei der bisher erreichten Auflösung in den Beobachtungen glatt aussieht, recht verschieden erscheint, wenn weiterentwickelte Methoden verwendet werden, mit denen wir auch unter die Sonnenoberfläche mit hoher Auflösung schauen können.

Originalveröffentlichungen

G.B. Scharmer, B.V. Gudiksen, D. Kiselman, M.G. Löfdahl, L.H.M. Rouppe van der Voort:
Dark cores in sunspot penumbral filaments.
Nature 420, 151-153 (2002).
A.M. Title:
The magnetic field and its effects on the solar atmosphere in high resolution.
Proceedings Highlights of Astronomy 14, 30-40 (2007); K.A. van der Hucht (Ed.);Cambridge University Press.
T. Kosugi, K. Matsuzaki, T. Sakao, et al.:
The Hinode (Solar-B) Mission: An Overview.
Solar Physics 243, 3-17 (2007).
H.J. Muthsam, B. Löw-Baselli, C. Obertscheider, M. Langer, P. Lenz, F. Kupka:
High-resolution models of solar granulation: the two-dimensional case.
Monthly Notices Royal Astronomical Society 380, 1335-1340 (2007).
Zur Redakteursansicht