Forschungsbericht 2008 - Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme

Selbstkompression hochintensiver Laserpulse

Autoren
Skupin, Stefan
Abteilungen

Nichtlineare und relativistische Optik (Dr. Stefan Skupin)
MPI für Physik komplexer Systeme, Dresden

Zusammenfassung
Die Erzeugung immer kürzerer Laserpulse ist eine große technologische Herausforderung. Bei deren Bewältigung haben wir jedoch einen wichtigen Verbündeten: den Laserpuls selbst. In so genannten Femtosecond Filaments können sich ultrakurze Lichtpulse selbst komprimieren.

Moderne Laser können heutzutage ultrakurze Lichtpulse mit sehr hohen Leistungen liefern. Systeme im nahen infraroten Spektralbereich (z.B. bei einer Wellenlänge von λ = 800 Nanometer, 1 nm = 10-9 m) mit Pulsdauern von einigen zehn Femtosekunden (1 fs = 10-15 s) und mehreren Terawatt (1 TW = 1012 W) Spitzenleistung stehen in vielen Labors rund um den Globus zur Verfügung. Die weitere Verkürzung der Pulsdauer auf einige wenige optische Zyklen (ca. 3 fs bei 800 nm) ist von großem Interesse für viele Anwendungen in der Physik. Insbesondere im Hinblick auf Attosecond Science [1] ist die kontrollierte Erzeugung solcher few-cycle Laserpulse von fundamentaler Bedeutung.

Selbstführung

Schießt man hochintensive Laserpulse beispielsweise in die Atmosphäre oder in andere transparente Medien, beobachtet man einen faszinierenden Effekt: Selbstführung. Durch nichtlineare Wechselwirkung mit dem Laserlicht wirkt das Medium (also z. B. die Luft) wie eine fokussierende Linse. Der Strahldurchmesser wird entlang der Ausbreitungsrichtung immer kleiner, die Lichtintensität immer größer. Diesen Prozess bezeichnet man als Selbstfokussierung. Irgendwann werden Intensitäten erreicht, bei denen das Ausbreitungsmedium ionisiert wird. In der Atmosphäre zum Beispiel werden Sauerstoffmoleküle ab ca. 10 TW/cm2 in größerer Anzahl ionisiert. Dadurch entsteht ein selbstinduziertes Plasma, welches auf das Laserlicht stark defokussierend wirkt. Diese beiden Mechanismen, Selbstfokussierung und Defokussierung durch selbstinduziertes Plasma, können ein dynamisches Gleichgewicht ausbilden, welches Selbstführung des Laserlichts ermöglicht; es entsteht ein so genanntes Femtosecond Filament. Vereinfacht gesprochen wird der Laserpuls ähnlich wie in einer Glasfaser geleitet, nur erzeugt das Licht hier den Wellenleiter selbst.

Die räumliche Dynamik solcher Femtosecond Filaments ist sehr komplex. Im Allgemeinen bildet sich nämlich nicht nur ein einzelnes, sondern mehrere Filamente parallel zueinander aus, so genannte multiple Filamentierung. Die Filamente können nun miteinander wechselwirken, zum Beispiel fusionieren oder aufspalten.

Selbstkompression

Hier wollen wir uns jedoch nicht mit der räumlichen, sondern mit der zeitlichen Dynamik des Laserlichts in diesen Filamenten befassen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass ein Femtosecond Filament als Pulskompressor wirken kann, wenn man die Laserparameter geeignet wählt. Zunächst einmal sollte multiple Filamentierung vermieden werden, da man nur einen definierten Ausgangsstrahl erzeugen möchte. Dies erreicht man durch Beschränkung der Laserleistung auf einige zehn Gigawatt (1 GW=109 W). Anschaulich gesprochen enthält der Laserpuls dann nicht genug Leistung, um in mehrere Filamente aufzubrechen. Abbildung 1 zeigt exemplarisch die Propagation eines Einzelfilaments.

Weiterhin muss man durch Anpassung der Strahlparameter (Strahldurchmesser, eventuell Fokussierungsoptik) erreichen, dass der Ausgangspuls aus nur einer zeitlichen Komponente besteht (siehe Abb. 2). Im Allgemeinen bilden sich in Filamenten komplexe Multi-Peak-Profile aus, die aus mehreren mehr oder weniger kurzen Einzelpulsen bestehen. Ist nun einer dieser Einzelpulse viel stärker ausgeprägt als alle anderen, liegt echte Selbstkompression vor.

Experimentelle Realisierung

Hand in Hand mit der Pulsverkürzung geht eine spektrale Verbreiterung des Laserlichts einher. Dies ist eine fundamentale Tatsache aus der Fourier-Theorie: Je kürzer der Lichtpuls, desto mehr Frequenzen werden für seine Darstellung benötigt. Die Umkehrung dieser Aussage ist allerdings nicht zwangsläufig richtig. Ein sehr langer Puls kann trotzdem spektral sehr breit sein, er trägt dann einen so genannten Chirp. In ersten Experimenten zur Pulskompression in Femtosecond Filaments wurden solche gechirpten Pulse erzeugt, die dann (mit Standardverfahren) nachkomprimiert werden können [2]. Echte Selbstkompression wurde erst ein wenig später beobachtet [3]. Abbildung 3 zeigt die experimentelle Realisierung. Im Vergleich zu alternativen Kompressions-Schemata besticht Selbstkompression in Femtosecond Filaments durch den sehr einfachen Aufbau (ein Glasrohr gefüllt mit einem geeigneten Gas, oder einfach die Laboratmosphäre) und dessen praktische Unzerstörbarkeit.

Computersimulationen

Mithilfe von Computersimulationen zur Filamentierung ultrakurzer Laserpulse (eine detaillierte Beschreibung der verwendeten Modellgleichungen findet man zum Beispiel in [4]) kann man nun direkt in den Selbstkompressionsprozess hineinschauen. Dieser Einblick ist dem Experiment aufgrund der dort vorherrschenden extrem hohen Intensitäten verwehrt. Abbildung 2 zeigt ein typisches Beispiel für die zeitliche Evolution des Strahlzentrums, des so genannten Filament Core's, wo die höchsten Lichtintensitäten (10–100 TW/cm2) auftreten. Denkt man sich den Laserpuls in viele Zeitscheiben zerschnitten, erkennt man, dass zu verschiedenen Propagationsdistanzen unterschiedliche Zeitscheiben die maximale Intensität aufweisen. Das liegt daran, dass die verschiedenen Zeitscheiben unterschiedlich stark fokussiert sind, das heißt unterschiedliche Strahldurchmesser aufweisen. Genau betrachtet ist Selbstkompression in Filamenten ein raum-zeitliches Phänomen, welches durch zeitabhängige radiale Energieflüsse erklärt werden kann.

Aufgrund der Komplexität der zugrundeliegenden Modellgleichungen ist die numerische Lösung nur mithilfe modernster Rechentechnik möglich. Massiv-parallel Algorithmen erlauben den simultanen Einsatz hunderter Prozessoren. Doch wie verlässlich sind diese Simulationen im direkten Vergleich mit dem Experiment? Abbildung 4 zeigt experimentell gemessene und simulierte Ausgangspulse. Bei der Simulation wurden realistische Eingangspulsparameter benutzt [5]. Sowohl Profile als auch spektrale Eigenschaften der Ausgangspulse sind durchaus vergleichbar.

Ausblick

Selbstkompression in Femtosecond Filaments eröffnet Möglichkeiten, neuartige ultrakurze Lichtquellen zu realisieren. Zum Beispiel kann man mithilfe eines zweiten, so genannten Seed Pulses ultrakurze Lichtpulse bei beliebigen Wellenlängen erzeugen [6]. Via High-Order Harmonic Generation sind sogar Attosekunden-Pulse (1 as = 10-18 s) realisierbar [7]. Selbstkompression ultrakurzer Laserpulse hat sich in den letzten Jahren zu einem sehr aktiven Forschungsgebiet entwickelt. Die überaus komplexe Dynamik hält immer neue Überraschungen bereit, zum Beispiel auch einen Selbstheilungsmechanismus [8].

Originalveröffentlichungen

P. B. Corkum, F. Krausz:
Attosecond science.
Nature Physics 3, 381–387 (2007).
C. P. Hauri, W. Kornelis, F. W. Helbing, A. Heinrich, A. Couairon, A. Mysyrowicz, J. Biegert, U. Keller:
Generation of intense, carrier-envelope phase-locked few-cycle laser pulses through filamentation.
Applied Physics B: Lasers & Optics 79, 673–677 (2004).
G. Stibenz, N. Zhavoronkov, G. Steinmeyer:
Self-compression of millijoule pulses to 7.8 fs duration in a white-light filament.
Optics Letters 31, 274–276 (2006).
L. Bergé, S. Skupin, R. Nuter, J. Kasparian, J.-P. Wolf:
Ultrashort filaments of light in weakly ionized, optically transparent media.
Reports on Progress in Physics 70, 1633–1713 (2007).
S. Skupin, G. Stibenz, L. Bergé, F. Lederer, T. Sokollik, M. Schnürer, N. Zhavoronkov, G. Steinmeyer:
Self-compression by femtosecond pulse filamentation: Experiments versus numerical simulations.
Physical Review E 74, 056604 (2006).
L. Bergé, S. Skupin:
Few-Cycle Light Bullets Created by Femtosecond Filaments.
Physical Review Letters 100, 113902 (2008).
A. Couairon, H. S. Chakraborty, M. B. Gaarde:
From single-cycle self-compressed filaments to isolated attosecond pulses in noble gases.
Physical Review A 77, 053814 (2008).
L. Bergé, S. Skupin, G. Steinmeyer:
Temporal Self-Restoration of Compressed Optical Filaments.
Physical Review Letters 101, 213901 (2008).
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