Forschungsbericht 2005 - Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Schneller Zählen als das Licht

Autoren
Gohle, Christoph; Herrmann, Maximilian; Udem, Thomas; Hänsch, Theodor W.
Abteilungen

Laserspektroskopie (Prof. Dr. Theodor Hänsch)
MPI für Quantenoptik, Garching

Zusammenfassung
Die Frequenzkammtechnik, für die im Jahr 2005 der Physik-Nobelpreis vergeben wurde, ermöglicht Frequenzmessungen höchster Präzision und die Realisierung hochgenauer „optischer Atomuhren“. Neben neuen Anwendungen in der Geologie sind beispielsweise auch neue Erkenntnisse zu fundamentalen physikalischen Theorien denkbar.

Elektromagnetische Wellen sind durch ihre Frequenz f und ihre Wellenlänge λ charakterisiert (Abb. 1, die über die Beziehung f = c/λ miteinander verknüpft sind. Dabei ist c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum von 299.792.458 Meter pro Sekunde. Beträgt die Wellenlänge der elektromagnetischen Strahlung zwischen 400 und 800 Nanometer (1 Nanometer = 1 Millionstel Millimeter), so handelt es sich um sichtbares Licht. Unterschiedliche Wellenlängen in diesem Bereich empfinden wir als verschiedene Farben. Die längsten sichtbaren Wellenlängen und damit niedrigsten Frequenzen erscheinen rot während die kürzesten mit den höchsten Frequenzen blau wahrgenommen werden. Elektromagnetische Wellen außerhalb des sichtbaren Spektrums bezeichnet man entsprechend als infrarote im langwelligen Bereich und als ultraviolette Strahlung im kurzwelligen Bereich.

Der Spektroskopie – also der Bestimmung der Wellenlängen des Lichts, welches von Atomen und Molekülen ausgesandt wird – verdanken wir einen Großteil unseres Wissens über die Physik der Atome. Die aus solchen Messungen heraus entwickelten Theorien (wie zum Beispiel die Quantenmechanik), erlauben es wiederum, die Wellenlänge bzw. Frequenz der von einem Atom emittierten Linien mit hoher Genauigkeit vorherzusagen. Um diese Theorien auf ihre Richtigkeit zu prüfen, ist es daher wünschenswert, die Spektroskopie mit der gleichen Präzision durchzuführen. In der Tat hat man im Falle der Quantenmechanik noch keine signifikante Abweichung vom Experiment gefunden, obwohl sich die Messgenauigkeit in den letzten Jahrzehnten drastisch gesteigert hat.

Wer zählt gewinnt

Es gibt grundsätzlich zwei Ansätze für spektroskopische Messungen: Man bestimmt die Anzahl der Zyklen der elektromagnetischen Welle entweder pro Längeneinheit oder pro Zeiteinheit. Die erste Methode liefert als Ergebnis die Wellenzahl, deren Kehrwert die Wellenlänge ist, während man über das zweite Verfahren die Frequenz erhält. Wenn man ein verlässliches Verfahren hat, so eine Zählung durchzuführen, hängt die Genauigkeit der Messung nur noch davon ab, wie präzise man die Längen- bzw. Zeiteinheit realisieren kann.

Die höchsten Frequenzen, die in der modernen Elektronik (z.B. beim Satelliten-Fernsehen oder Computern) verwendet werden, liegen im Bereich von einigen Gigahertz (1 Gigahertz = 1 Milliarde Schwingungen pro Sekunde). Grünes Licht mit einer Wellenlänge von 500 Nanometern hat dagegen eine Frequenz von 600.000 Gigahertz, sodass sich ein direktes Zählen mit elektronischen Geräten verbietet. Deswegen wurde in der Vergangenheit bei spektroskopischen Untersuchungen immer die Wellenlänge des Lichtes und nicht dessen optische Frequenz gemessen.

Auf der anderen Seite kann man heute Uhren (Abb. 2) bauen, die so genau gehen, dass sie die seit dem Beginn des Universums verstrichene Zeit, etwa 10 Milliarden Jahre, gerade einmal um 5 Minuten falsch angeben würden. Mit solchen Uhren lässt sich eine Zeitspanne weit genauer bestimmen als andere physikalische Größen wie etwa eine Länge. Prinzipiell eignen sich daher Frequenzmessungen besser als Messungen der Wellenlänge, um höchste Präzision zu erreichen.

Der Optische Frequenzkamm

Die am MPQ entwickelte Frequenzkammtechnik [1], für die Professor Theodor Hänsch 2005 den Nobelpreis für Physik erhielt, erlaubt es erstmals, die extrem schnellen Schwingungen des sichtbaren Lichtes zu zählen. Das Prinzip dieses Verfahrens ist in Abbildung 3 skizziert. Der Trick dabei ist, dem hochfrequenten sichtbaren Licht eine niederfrequente Spektrallinie zuzuordnen, deren Frequenz in einem ganzzahligen Verhältnis zur optischen Frequenz steht, z.B. genau ein Millionstel beträgt, und daher mit elektronischen Mitteln erfasst werden kann.

Die optische Uhr

Eine Uhr, ob Sonnenuhr, Sanduhr, Pendeluhr, Quarzuhr oder Cäsium-Atomuhr, besteht immer aus zwei Komponenten: einem Pendel (Oszillator), das mit einer festen Frequenz schwingt, und einem Zählwerk, das diese Schwingungen zählt. Während bei Uhren mit sehr langsamen Oszillatoren, wie zum Beispiel einer Sonnenuhr mit einer Schwingung pro Tag, der Mensch mitzählen und den Tageszeiger an seinem Kalender um eine Stelle weiter stellen kann, braucht man bei konventionellen Pendeluhren typischerweise ein Zählwerk, welches die Zeiger stellt. Dies kann im Falle einer Kuckucksuhr mit einer Pendelperiode von ca. einer Sekunde ein geeignetes Zahnräderwerk sein. Im Falle einer Quarzuhr, in der ein kleiner Quarzkristall etwa 32 tausend Mal pro Sekunde schwingt, oder bei einer Cäsium-Atomuhr, deren Atome genau 9.192.631.770 mal pro Sekunde schwingen („genau“ deshalb, weil die Zeiteinheit Sekunde selbst über die Schwingungen der Cäsium-Atome definiert wird), benötigt man dagegen ein elektronisches Zählwerk.

Bei einem Vergleich der Ganggenauigkeit der oben genannten Uhrentypen fällt auf, dass diese desto genauer gehen, je schneller deren „Pendel“ schwingt. Deswegen kann man davon ausgehen mit einem „optischen Pendel“ – d.h. atomaren Schwingungen, die sichtbares Licht erzeugen - noch viel höhere Genauigkeiten zu erreichen. Mit dem Frequenzkamm ist es nun erstmals möglich, ein relativ einfaches und zuverlässiges Zählwerk für solch eine optische Uhr zu realisieren. Mittlerweile wurden damit bereits optische Uhren verwirklicht [2], deren Ganggenauigkeit mindestens so gut ist wie die der besten Cäsium-Atomuhren.

Darf es noch ein bisschen genauer sein?

Genau gehende Uhren werden im alltäglichen Leben, zum Beispiel zur Synchronisation von Datennetzen oder bei der Satellitennavigation im Auto oder im Flugzeug eingesetzt. Mit einer noch höheren, durch die neue Technik ermöglichten Präzision könnten sich auch noch andere Anwendungen ergeben. So wäre es denkbar, Erzlagerstätten durch deren Gravitationswirkung und die damit verbundene winzigen Änderung des Zeitverlaufs aufzuspüren (Stichwort: Zeitdilatation, Allgemeine Relativitätstheorie).

Die ursprüngliche Motivation für die Entwicklung dieser Technik kommt jedoch aus der Grundlagenforschung. Insbesondere ging es darum, Experimente zur hochgenauen Laserspektroskopie des Wasserstoffatoms ermöglichen. Dieses Atom ist besonders einfach aufgebaut, und dementsprechend liefert die Quantenmechanik sehr genaue Vorhersagen über die Frequenz seiner Spektrallinien. Eine der ersten Anwendungen der Frequenzkammtechnik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) war die Bestimmung der Frequenz einer sehr schmalen ultravioletten Wasserstofflinie auf 14 Stellen genau [3]. Danach beträgt sie 2.466.061.413.187.103±46 Schwingungen pro Sekunde, was in Übereinstimmung mit den theoretisch vorhergesagten Werten ist.

Obwohl auch hier die Gültigkeit der Quantenmechanik wieder bestätigt wurde, gehen die meisten Physiker heute davon aus, dass sie noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Denn viele Fragen sind noch offen. So ist es bis heute nicht gelungen, eine andere fundamentale Theorie der Physik, Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie, mit der Quantenmechanik in Einklang zu bringen. Dies wird erst in einer umfassenderen Theorie möglich sein. Experimentell gefundene Abweichungen von der Quantenmechanik gäben einen Hinweis darauf, wie eine derartige Theorie auszusehen hätte.

Deshalb wollen die Physiker die Messgenauigkeiten immer weiter treiben, was allerdings immer bessere Uhren erfordert. Ein kleiner Schritt in diese Richtung erfolgte kürzlich am MPQ in Garching. Dort wurde die Frequenzkammtechnik, die bis dahin hauptsächlich im sichtbaren und nahinfraroten Spektralbereich anwendbar war, weit in den ultravioletten Spektralbereich ausgedehnt [4]. Damit können vielleicht in Zukunft Atom- oder gar Atomkernuhren mit noch höheren Pendelfrequenzen gebaut werden, mit denen sich die Präzision der Atomspektroskopie weiter steigern lässt.

Originalveröffentlichungen

Udem, T., R. Holzwarth, and T.W. Hansch:
Optical frequency metrology
Nature 416(6877), 233-237 (2002)
Schneider, T., E. Peik, and C. Tamm:
Sub-hertz optical frequency comparisons between two trapped Yb-171(+) ions
Physical Review Letters 94, 230801 (2005)
Niering, M., et al.
Measurement of the hydrogen 1S-2S transition frequency by phase coherent comparison with a microwave cesium fountain clock. p. 5496-9.
Physical Review Letters 84 (2000)
Gohle, C., et al.
A frequency comb in the extreme ultraviolet:
Nature 436(7048), 234-237 (2005)
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