Forschungsbericht 2005 - Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Eine elektrostatische Flasche für langsame Moleküle

An electrostatic bottle for cold molecules

Autoren
Junglen, Tobias; Pinkse, Pepijn; Rieger, Thomas; Rempe, Gerhard
Abteilungen

Quantendynamik (Prof. Dr. Gerhard Rempe)
MPI für Quantenoptik, Garching

Zusammenfassung
Zusammenfassung Die Erzeugung und Untersuchung von kalten Molekülen ist ein junges und faszinierendes Forschungsgebiet. In unserer Arbeitsgruppe wurden elektrische Felder genutzt, um langsame polare Moleküle aus einem thermischen Gas herauszufiltern. Diese Moleküle konnten für 300 ms in einem elektrischen Käfig gefangen werden, wo ihre Temperatur 300 mK beträgt.
Summary
Abstract The production and investigation of cold molecules is a young and fascinating field of research. In our research group, electric fields were used to filter slow polar molecules out of a thermal gas. These molecules could be trapped in an electric cage for 300 ms where their temperature amounts to 300 mK.

Das Verhalten von Atomen oder Molekülen lässt sich am besten untersuchen, wenn sich die Teilchen nur sehr wenig bewegen. Da die ungeordnete Bewegung von Teilchen in einem abgeschlossenen System dessen Temperatur bestimmt, können umgekehrt geeignete Kühltechniken eine Abbremsung der Teilchen bewirken. Von besonderem Interesse ist das Verhalten der Teilchen bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt. Dort sind die Teilchen so langsam, dass es auf Grund extrem langer Wechselwirkungszeiten zu bisher unbekannten chemischen Reaktionen und neuartigen Ordnungseffekten kommen kann.

So tiefe Temperaturen können nicht dadurch erreicht werden, dass die Teilchen mit einer kalten Oberfläche in Kontakt gebracht werden, denn dort würden sie einfach festfrieren. Um frei bewegliche kalte Teilchen beobachten zu können, muss man sie beim Kühlprozess von ihrer Umgebung isolieren. Diesen Anforderungen genügt die Laserkühlung, mit der es gelungen ist, ein atomares Gas bis auf eine Temperatur von wenigen Mikro-Kelvin herabzukühlen. Bei so niedrigen Temperaturen offenbart sich die Quantennatur der Atome. Sie können zum Beispiel ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat bilden, das – obgleich es sich um ein makroskopisches Objekt handelt – sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften besitzt.

Bei der Laserkühlung werden die Atome mit Laserlicht bestrahlt, dessen Frequenz etwas unterhalb der Resonanzfrequenz liegt. Die Teilchen absorbieren das Licht daher nur, wenn sie sich auf den Strahl zu bewegen und aufgrund des Dopplereffektes in Resonanz sind. Da die Energie des in der Folge emittierten Lichtes höher als die des absorbierten Lichtes ist, verlieren die Atome ständig kinetische Energie und werden dabei immer langsamer bzw. kälter.

Leider lässt sich diese Technik nicht auf Moleküle anwenden. Denn diese können auf Grund ihrer komplexen Struktur keinen geschlossenen Absorptions-Emissions-Zyklus gewährleisten. Vielmehr kann ein Teil der Lichtenergie zum Beispiel in Rotations- oder Vibrationsenergie fließen und das Molekül unter Umständen sogar aufheizen. Für die Erzeugung kalter Moleküle sind daher andere, unkonventionelle Methoden gefragt [1]. Dabei kann man ausnutzen, dass Moleküle eine viel reichere innere Struktur als Atome aufweisen. Einige verfügen zum Beispiel über zwei getrennte Schwerpunkte von positiver und negativer Ladung und weisen dadurch Dipolmomente auf, über deren Ausrichtung man die Wechselwirkung der Moleküle untereinander von außen steuern kann.

Es wird erwartet, dass insbesondere kalte polare Moleküle gute Kandidaten zur Erforschung von neuartigem molekularem Ordnungsverhalten oder von chemischen Reaktionen sind, wie sie bislang nur im Weltraum vorkommen können. Unsere Methode zur Erzeugung eines kalten Molekülensembles [2,3], beginnt mit einem thermischen Gas, das sich in einem Behälter – dem so genannten Reservoir – befindet. Dort sind die Teilchen unzähligen Stößen mit anderen Molekülen sowie mit den Wänden ausgesetzt. Die Geschwindigkeiten der Moleküle folgen der so genannten Maxwell-Boltzmann-Verteilung und reichen von sehr niedrigen Werten bis hin zu einigen hundert Metern pro Sekunde. Selbst sehr kleine Geschwindigkeiten von wenigen Metern pro Sekunde treten noch mit einer endlichen Wahrscheinlichkeit auf. So beträgt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass in einem Reservoir bei Raumtemperatur ein Molekül eine Geschwindigkeit unter 40 m/s hat, etwa 1 zu 10000. Da die Dichte aller Moleküle bei Normaldruck jedoch bei etwa 1019cm-3 liegt, kann die Dichte der kalten Moleküle dort Werte von 1015 cm-3 erreichen.

Selbst bei Raumtemperatur gibt es also überraschend viele kalte Moleküle. Damit stellt sich die Frage, wie man diese Moleküle am besten isolieren kann, um sie weiteren Untersuchungen zugänglich zu machen. Unser Verfahren, kalte polare Moleküle aus dem Strahl eines thermischen Reservoirs zu filtern und gezielt zu führen, nutzt die Wechselwirkung der molekularen Dipole mit einem inhomogenen elektrostatischen Feld aus.

Nach Verlassen des Reservoirs wird der Molekülstrahl in das Feldminimum eines elektrischen Quadrupols eingebracht (Abb.1 a, 1 b ). Je nach der Orientierung ihrer Dipolmomente erfahren die Moleküle eine Kraft, die sie zum Feldminimum entlang der Quadrupolachse hin zieht. Diese Kraft ist jedoch sehr schwach, sodass transversal zur Achse nur sehr langsame Moleküle gehalten werden können. Nur diese folgen also der Biegung des Quadrupols (er hat einen Biegeradius von 1,25 cm), während die schnellen Moleküle geradeaus weiter fliegen und mit einer Pumpe abgesaugt werden. Am Rande möchten wir erwähnen, dass Moleküle, die zum Feldmaximum hingezogen werden, mit einem ähnlichen Aufbau geführt werden können, wobei jedoch zeitlich veränderliche elektrische Felder zum Einsatz kommen [4].

Im Experiment passieren die Moleküle noch eine weitere Kurve, damit auch die schnellen Moleküle, die zufällig aus dem Hintergrundgas in den Quadrupol gelangen, effektiv herausgefiltert werden. Am Ende des 50 cm langen Quadrupols werden die Teilchen in einem Detektor nachgewiesen. Die Geschwindigkeit der Moleküle bestimmen wir anhand der Zeit, die sie zum Durchlaufen des Quadrupols benötigen. Sie variiert und beträgt im Mittel etwa 50 m/s. Einem Gas, dessen Moleküle eine solche Geschwindigkeit aufweisen, würde man eine Temperatur von wenigen Kelvin zuordnen. Das von uns erzeugte kalte Gas befindet sich jedoch nicht im Gleichgewicht, da die Energie der internen Bewegung (Rotation und Vibration) nach wie vor etwa der Zimmertemperatur entspricht.

Mit dieser Quelle kalter Moleküle haben wir eine Art elektrische „Flasche“ für polare Moleküle gebaut – eine Vakuumkammer, in der sich eine Anordnung (Abb. 2 a) von mehreren Ringelektroden mit unterschiedlichen Spannungen befindet, die ein Volumen von etwa 0.6 cm3 umschließen [5]. Das Prinzip der Falle kann mit einem Gefäß verglichen werden, das durch Kapillaren gefüllt und entleert wird. Das elektrische Feld (Abb. 2 b) hat ein Minimum im Zentrum der Falle und wächst nach außen hin an. Die Falle weist zwei Öffnungen auf, die durch Lücken in der mittleren Ringelektrode realisiert wurden. Eine der Öffnungen dient zum Befüllen der Falle, die andere zum Nachweis der gefangenen Moleküle. Nachdem die Moleküle aus dem Quadrupolfeld in die „Flasche“ gelangt sind, kreisen sie solange um das Feldminimum, bis sie wieder durch eine der Öffnungen entwischen. Füllung und Leerung der Kammer halten sich dabei genau die Waage. Da die Moleküle eine gewisse Zeit brauchen, bis sie die Öffnungen, deren Querschnittsfläche klein im Vergleich zur Fallenoberfläche ist, gefunden haben, können mittlere Speicherzeiten von bis zu 130 ms erreicht werden. Die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle in der Falle beträgt etwa 16 m/s, was bei einem Gas im Gleichgewichtszustand einer Temperatur von 300 mK entspräche. Diese niedrigen Temperaturen erklären sich dadurch, dass nur die langsamsten der vom Quadrupolfeld geführten Moleküle festgehalten werden können, da die elektrischen Felder in der Falle kleiner sind. Nach unseren Berechnungen konnten wir in der elektrostatischen „Flasche“ bis zu 60 Millionen Moleküle einfangen.

Im Prinzip sollte es möglich sein, im Innern der Falle verschiedene Sorten von Molekülen oder Atomen zusammen zu bringen und dabei neue Moleküle zu erzeugen. Die Falle könnte so als Reagenzgefäß dienen, in dem sich kalte chemische Reaktionen, die z.B. für die Astrochemie interessant sind, untersuchen lassen.

Originalveröffentlichungen

Doyle,J., B. Friedrich, R.V. Krems, F. Masnou-Seeuws:
Sonderheft “Ultracold Polar Molecules“,
European Physics Journal D 31, 149-445 (2004)
Rangwala,S.A., T. Junglen, T. Rieger, P. W. H. Pinkse, and G. Rempe:
Continuous source of translationally cold dipolar molecules
Physical Rewiew A 67, 043406 (2003).
Junglen,T., T. Rieger, S.A. Rangwala, P.W.H. Pinkse, and G. Rempe:
Slow ammonia molecules in an electrostatic quadrupole guide
European Physics Journal D 31, 365–373 (2004).
Junglen,T., T. Rieger, S.A. Rangwala, P.W.H. Pinkse, and G. Rempe:
Two-dimensional trapping of dipolar molecules in time-varying electric fields
Physical Review Letters 92, 223001 (2004).
Rieger,T., T. Junglen, S.A. Rangwala, P.W.H. Pinkse, and G. Rempe:
Continuous Loading of an Electrostatic Trap for Polar Molecules
Physical Review Letters 95, 173002 (2005).
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