Forschungsbericht 2005 - Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung

Kernspintomographie - Untersuchungen zur Zellersatztherapie des Schlaganfalls

Autoren
Hoehn, Mathias
Abteilungen

Allgemeine Neurologie (Prof. Dr. Wolf-Dieter Heiss)
MPI für neurologische Forschung, Köln

Zusammenfassung
Die Forschungen der in vivo NMR-Gruppe konzentrieren sich auf das Regenerationspotenzial von Stammzellen nach Schlaganfall. Hierbei handelt es sich um eine Zellersatz-Therapie im Verlauf mehrerer Tage oder Wochen nach Eintreten des Krankheitsereignisses. Wichtige Voraussetzung für eine Therapiemaßnahme ist jedoch das Verständnis der Läsionsentwicklung im chronischen Krankheitsverlauf. Dabei spielt auch die inflammatorische Aktivität während dieses Zeitraums eine wichtige Rolle. Untersuchungen zur funktionellen Hirnaktivierung sollen zudem Aufschluss über das spontane sowie das therapeutisch induzierte Erholungspotenzial des Hirns nach Schlaganfall geben. Diese verschiedenen pathophysiologisch relevanten Phasen der Krankheitsentwicklung werden mithilfe der hochaufgelösten Kernspintomographie im Tierexperiment verfolgt und charakterisiert. Auf der Grundlage solcher Verlaufsuntersuchungen können die therapeutischen Ansätze der stammzellbasierten Regeneration auf ihre Wirksamkeit zuverlässig analysiert werden. Auf der methodischen Seite tragen – in internationalen Kooperationen – Entwicklung und Anwendung von intelligenten Kontrastmitteln sowie Erzeugung transgener Zelllinien, die ihr eigenes Kontrastmittel unter geeigneten Promotoren generieren, wesentlich dazu bei, die Nachweismöglichkeiten ( Abb. 1) funktioneller Eigenschaften implantierter Stammzellen in vivo mittels Hochfeld-Kernspintomographie deutlich zu verbessern.

Einleitung

Nach kardiovaskulären Erkrankungen und Krebs ist der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache oder Krankheit, die zu anhaltender und starker Behinderung führt. In Deutschland erleiden jährlich etwa 350.000 Menschen einen Schlaganfall. Mindestens 70.000 von ihnen sterben, viele andere behalten schwere neurologische Ausfälle. Konventionelle Therapieansätze haben bisher nur begrenzten Erfolg gezeigt. Thrombolyse ist bislang die einzige Strategie mit erfolgreicher Umsetzung von der experimentellen in die klinische Neurologie. Jedoch profitiert nur eine kleine Gruppe von Patienten von dieser Therapie aufgrund von Nebenwirkungsrisiken, insbesondere der hämorrhagischen Transformation. Daher stehen in den letzten Jahren zunehmend therapeutische Ansätze im Vordergrund, die versuchen, während der chronischen Phase des Krankheitsgeschehens das zerstörte Gewebe durch Zellersatz zu regenerieren.

In der Vergangenheit widmete sich die Schlaganfallforschung im Wesentlichen der Akutphase in der Hoffnung, durch frühzeitige Intervention eine optimale Therapie sicherzustellen. Wir haben nun die Schlaganfallentwicklung im Kleintier über viele Wochen nicht-invasiv mit MRI verfolgt und die dortigen Befunde mit histologischen Ergebnissen korreliert [1]. So konnte erstmals gezeigt werden, dass sich aus dem gleichen Schlaganfall-Modell zwei grundsätzlich unterschiedliche Schädigungsverläufe entwickeln können, die aufgrund unserer Untersuchungen jetzt frühzeitig am zeitlichen Profil der T2-Veränderungen in den MR-Bildern differenziert wurden. Der erste Läsionstyp zeigt nur eine transiente T2-Erhöhung und wird durch selektiven neuronalen Zelltod charakterisiert, während die verbindenden Faserbahnen im Striatum erhalten bleiben. Im zweiten Läsionstyp kommt es zu einer sekundären, dann persistierenden T2-Erhöhung; dieser Läsionstyp wird in der Histologie durch eine Pannekrose beschrieben (Abb. 2).

Interessant ist, dass es beim ersten Läsionstyp, obwohl eine ischämische Schädigung durch den induzierten Schlaganfall vorliegt, nicht zu erkennbaren Defiziten in somatosensorischen Verhaltenstests kommt, während die gleichen Tests massive und andauernde Verhaltenseinschränkungen im zweiten Läsionstyp zeigen [2].

Ein wesentlicher Aspekt in der ischämischen Läsionsentwicklung ist die Entzündungsreaktion. Während wir in früheren Jahren bereits die Makrophagenaktivität und ihre Einwanderung aus der Blutbahn in den Läsionsrand in der Akutphase mittels Kernspintomographie dargestellt hatten [3], wurde bei der jetzt erfolgten chronischen Verlaufsuntersuchung innerhalb von zehn Wochen nach Schlaganfall das bis dahin nicht bekannte Phänomen der verzögerten Gefäßdegradation im ischämischen Territorium erstmalig beschrieben [4]. Hierbei handelt es sich um sensitive Kontrastveränderungen in T2*-gewichteten MR-Bildern. Interessanterweise gelingt der Nachweis der Gefäßdegradation nur indirekt, nämlich durch Makrophagenaktivität, d.h. sie dienen quasi als Reporter für die zunehmende Durchlässigkeit der Gefäßwand für Erythrozyten. Das von den Makrophagen (aus den Erythrozyten) aufgenommene Eisen fungiert dabei als MRI- Kontrastmittel. Neben dem primären Befund der verzögerten Gefäßdegradation selbst (und damit möglichen späten Mikroblutungen) ist die Beobachtung für Verfolgung von mit MRI-Kontrastmitteln markierten, implantierten Stammzellen von großer Bedeutung, da der resultierende T2*-gewichtete MRI-Kontrast keine Unterscheidung zwischen beiden Ursachen zulässt. Umso mehr ist die Information des Zeitprofils der Gefäßdegradation von Bedeutung: Während die Stammzellen meist innerhalb von zwei Wochen nach Schlaganfall implantiert werden und ihre Migration ins ischämische Zielgebiet in den darauf folgenden zwei Wochen stattfindet, ist die Kontrastentwicklung durch Gefäßdegradation erst zehn Wochen nach Schlaganfall zu registrieren, also zu einem Zeitpunkt, in dem die (therapeutische) Maßnahme der Stammzell-Dynamik bereits abgeschlossen ist [5].

Erholung der Hirnfunktion nach Schlaganfall

Untersuchungen zur funktionellen Hirnaktivierung am Kleintier waren bisher immer infolge der Nebenwirkungen der notwendigen Narkoseart auf Akutversuche beschränkt. Für Longitudinalstudien zum therapeutischen Erfolg nach Stammzellimplantation ist jedoch die intra-individuelle, wiederholte Untersuchung mit fMRI unerlässlich, um zuverlässige Aussagen über mögliche Erholungsvorgänge zu machen. Wir haben daher ein neues Versuchsprotokoll auf der Basis eines neuen Narkotikums entwickelt und etabliert, das mit bisher nicht möglicher Stabilität und Reproduzierbarkeit die funktionelle Aktivation des somatosensorischen Kortex der Ratte abzuleiten erlaubt [6, 7]. Mit diesem System haben wir bereits die spontane Entwicklung der funktionellen Hirnaktivierbarkeit nach Schlaganfall über mehrere Wochen beobachtet. Durch Kombination mit der Ableitung evozierter Potenziale (zur Charakterisierung elektrischer Hirnaktivität) konnten wir sicherstellen, dass das indirekte fMRI-Signal auch unter den pathophysiologischen Bedingungen des Schlaganfalls die elektrische Hirnaktivierung zuverlässig widerspiegelt (Abb. 3).

Ein wichtiger Befund für die folgenden Studien unter Einschluss von Stammzellimplantationen ist, dass der Aktivierbarkeitszustand zwei bis drei Wochen nach Schlaganfall zuverlässig Aufschluss über die Chance einer späteren spontanen, funktionellen Verbesserung gibt. Damit liegt jetzt auch ein neues diagnostisches und prognostisches Werkzeug auf der Basis von fMRI vor, dessen Übertragbarkeit in das klinische Umfeld von großer Bedeutung ist.

Originalveröffentlichungen

Wegener S., R. Weber, P. Ramos-Cabrer, U. Uhlenkueken, C. Sprenger, D. Wiedermann, A. Villringer, and M. Hoehn:
Temporal profile of T2-weighted MRI allows discrimination between pannecrosis and selective neuronal death following cerebral ischemia in the rat.
Journal of Cerebral Blood Flow & Metabolism 26, 38-47 (2006).
Wegener S., R. Weber, P. Ramos-Cabrer, U. Uhlenküken, D. Wiedermann, K. Kandal, A. Villringer, and M. Hoehn:
Subcortical lesions after transient thread occlusion (MCAO) in the rat do not support correlation between function and MRI.
Journal of MRI 21, 340-346 (2005).
Saleh A., D. Wiedermann, M. Schroeter, C. Jonkmanns, S. Jander, and M. Hoehn:
Central nervous system inflammatory response after cerebral infarction as detected by magnetic resonance imaging.
NMR in Biomedicine 17, 163-169 (2004).
Weber R., S. Wegener, P. Ramos-Cabrer, D. Wiedermann, and M. Hoehn:
MRI detection of macrophage activity after experimental stroke in rats: new indicators for late appearance of vascular degradation?
Magnetic Resonance in Medicine 54, 59-66 (2005).
Hoehn M., E. Küstermann, J. Blunk, D. Wiedermann, T. Trapp, S. Wecker, M. Föcking, H. Arnold, J. Hescheler, B. K. Fleischmann, W. Schwindt, and C. Bührle:
Monitoring of implanted stem cell migration in vivo: a highly resolved in vivo magnetic resonance imaging investigation of experimental stroke in rat.
Proceedings of the National Academy of Science USA 99, 16267-16272 (2002).
Ramos-Cabrer P., R. Weber, D. Wiedermann, and M. Hoehn:
Continuous control of physiological conditions for stable and persistent fMRI studies in the rat: noninvasive monitoring of transcutaneous blood gases.
NMR in Biomedicine 18, 440-446 (2005).
Weber R., P. Ramos-Cabrer, D. Wiedermann, N. Van Camp, and M. Hoehn:
A fully noninvasive and robust experimental protocol for longitudinal fMRI studies in the rat.
Neuroimage 2005; epub YNIMAG-03439.
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