Bodenproben des Mars bereit zur Abholung
Erst wenn die Proben des Mars-Rovers Perseverance auf der Erde analysiert werden, lassen sich mögliche Lebenszeichen bestätigen oder entkräften
Auf den Punkt gebracht
- Neuer Bericht: Ein internationales Forscherteam veröffentlicht, wie mit Marsproben wissenschaftlich zu verfahren ist, wenn sie auf der Erde eintreffen.
- Göttinger Beteiligung: Als einzige Vertreter deutscher Forschungseinrichtungen werden sich Christian Schröder vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und Andreas Pack von der Universität Göttingen an der Analyse der Proben beteiligen.
- Suche nach Leben: In Laboren auf der Erde könnten Forschende Proben vom Mars entscheidende Geheimnisse entlocken: etwa Hinweise, ob es dort einst Leben gab.
- Künftiger Abholflug: 33 Proben hat der Nasa-Rover Perseverance bereits gesammelt. Eine künftige Mission soll sie zur Erde bringen.
Der Mars ist ein unwirtlicher und lebensfeindlicher Wüstenplant. Vor Milliarden von Jahren war das anders. Im Jezero-Krater zum Beispiel erstreckte sich wohl, gespeist von einem weit verzweigten Flussdelta, eine beträchtliche Wasserfläche in etwa von der Größe des Bodensees. Seit mehr als vier Jahren ist der längst ausgetrocknete Jezero-Krater der Arbeitsplatz von Perseverance. Der Nasa-Rover führt nicht nur Messungen vor Ort durch, sondern hat bereits 33 Gesteins-, Boden- und Atmosphärenproben entnommen und zum Teil sicher an Bord verstaut. Eine künftige Mission soll sie zur Erde bringen.
Spuren von Leben?
Der Jezero-Krater sorgte erst kürzlich für Schlagzeilen: Forsche auf einer Felsformation namens “Cheyava Falls” kleine Flecken, die an ein Leopardenmuster erinnern. Die Strukturen deuten auf zwei Mineralien hin, die von organischem und mikrobiellem Ursprung sein könnten. Diese Mineralien finden sich auf der Erde in Sedimenten oder zerfallender organischer Materie. Aber erst wenn eine Probe dieser Strukturen auf der Erde analysiert wird, kann mit hoher Sicherheit bestätigt oder ausgeschlossen werden, dass diese auf vergangenes Leben auf dem Mars hindeuten. „Gesteine und Proben der Atmosphäre vom Mars auf der Erde zu untersuchen, wird ein neues Kapitel der Marsforschung aufschlagen und uns helfen, unseren Nachbarplaneten viel besser zu verstehen als wir es heute können“, sagt Andreas Pack vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen.
In den vergangenen zwei Jahren hat ein internationales Team aus 21 Forschenden unter Leitung der amerikanischen und europäischen Weltraumagenturen Nasa und Esa ausgelotet, wie mit den Proben von Perseverance aus wissenschaftlicher Sicht auf der Erde zu verfahren ist. Die umfangreiche Studie wurde jetzt in der Fachzeitschrift Astrobiology veröffentlicht. Zu den Autorinnen und Autoren, die die Nasa und Esa aus zahlreichen Bewerberinnen und Bewerbern aus den USA, Kanada und den 22 Esa-Mitgliedsstaaten ausgewählt hat, zählen als einzige Vertreter deutscher Forschungseinrichtungen Christian Schröder vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und Andreas Pack von der Universität Göttingen. Die Nasa hat das Team vor Kurzem mit dem Nasa Group Achievement Award ausgezeichnet. In einem weiteren Bericht in derselben Zeitschrift gehen Forschende der Frage nach, wie die Marsproben vor irdischen Verunreinigungen geschützt werden können. Einer der Koautoren ist Christoph Burkhardt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.
Laboruntersuchungen werden letzte Gewissheit liefern
Die Proben, die der Mars-Rover Perseverance gesammelt hat, enthalten wertvolle Informationen über die Entstehung und weitere Entwicklung des Mars und können helfen, die Frage zu klären, ob es je Leben auf unserem Nachbarplaneten gegeben hat. Messungen, die Perseverance vor Ort auf dem Mars durchgeführt hat, sprechen dafür, bieten aber keine Gewissheit.
Die vergleichsweisen kleinen und wenigen Messinstrumente, die Perseverance an Bord trägt, bieten nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Nur auf der Erde können verschiedenste Analysemethoden zum Einsatz kommen und nur hier lassen sich Messungen mit höchster Empfindlichkeit und Präzision durchführen.
Für ihren aktuellen Bericht haben 21 Forschende identifiziert, welchen Messungen die Marsproben unterzogen werden sollten, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Sie hoffen auf neue Erkenntnisse aus den Bereichen der Planetenentstehung, der geophysikalischen und geochemischen Entwicklung des Mars und der Astrobiologie sowie auf wertvolle Hinweise für künftige, möglicherweise auch Marsmissionen mit Menschen an Bord. Zudem klärt der Bericht praktische Fragen im Umgang mit den Proben: Welche Messungen müssten so schnell wie möglich erfolgen? Schließlich könnten sich, etwa unter dem Einfluss von Luftfeuchtigkeit und Sauerstoff, einige Eigenschaften der Proben nach dem Öffnen der Probenröhrchen verändern. Und welche Messungen können nachweisen, ob sogar Leben in den Proben steckt oder eine eventuelle Biogefährdung ausschließen?
Auffangstation mit 18 Messinstrumenten
Die Marsproben sollen zunächst in einer Art wissenschaftlichen Auffangstation aufgenommen werden, der Sample Receiving Facility. Nach Empfehlung der Expertinnen und Experten soll sie mit 18 wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet werden, darunter ein Röntgentomograph, Elektronenmikroskop sowie verschiedene Massenspektrometer. In der Auffangstation würden Mitarbeitende die Proben zunächst für den weiteren Gebrauch beschreiben und katalogisieren sowie die mögliche Biogefährdung, die von ihnen ausgehen könnte, einschätzen. Danach könnten all diejenigen Untersuchungen erfolgen, die zeitkritisch sind. Eine wichtige Erkenntnis des Berichts: Ein Großteil der wissenschaftlich notwendigen Messungen soll später außerhalb der Auffangstation in spezialisierten Laboren erfolgen.
Darüber, welche Labore weltweit Teile des kostbaren Materials erhalten, wird eine Art Bewerbungsverfahren entscheiden. Das Vorgehen stellt sicher, dass die Proben in die erfahrensten und qualifiziertesten Hände gelangen. Die Göttinger Forscher hoffen sowohl auf Gesteins- als auch auf Gasproben von Perseverance.
Ein Blick auf Isotope
Die Forschenden um Andreas Pack vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen wollen vor allem die Mengenverhältnisse der Sauerstoff-Isotope in der Marsatmosphäre bestimmen, die zusammen mit den Gesteinen in den Probenröhrchen eingeschlossen wurde. Isotope sind Varianten desselben Elements, die sich allein durch die Anzahl der Neutronen im Kern unterscheiden. Die Sauerstoff-Isotopen-Zusammensetzung der Marsatmosphäre erlaubt Rückschlüsse auf den Austausch von Kohlendioxid zwischen Oberfläche und Atmosphäre und liefert beispielsweise Erkenntnisse über die klimatische Entwicklung auf unserem Nachbarplaneten.
Am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung liegt der Fokus auf den Metallisotopen in den Gesteinsproben. Ihnen könnten die Forschenden Informationen über das Alter des Materials entnehmen, wo im Sonnensystem es seinen Ursprung und wie es sich weiterentwickelt hat. Forschende des Instituts haben auf diese Weise bereits Proben des Asteroiden Ryugu untersucht. Dafür wird das Material zunächst in Säure aufgelöst und dann in hochspezialisierten Massenspektrometern auf seine Zusammensetzung hin analysiert. Da das Probenmaterial bei dieser Untersuchungsmethode zerstört wird, ist es entscheidend, selbst kleinsten Materialmengen verlässliche Messergebnisse abzuringen.
Weitere Untersuchungen könnten die Forschenden an anderen Einrichtungen durchführen. Christian Schröder beispielsweise setzt auf Messungen mit hochenergetischer Gammastrahlung, die an Teilchenbeschleunigern entsteht. Auf diese Weise ließe sich der Wechselwirkung von Eisenmineralien in der Probe mit organischem Material nachspüren.
Ungewisse Zukunft
Ob und wann die Marsproben von Perseverance als Teil einer gemeinsamen Mission von Nasa und Esa zur Erde reisen, ist aktuell unklar. Der ursprüngliche Zeitplan peilte die frühen 2030er Jahre an, wurde aber in der Zwischenzeit mehrfach geändert. Die jetzt veröffentlichten Studien sind jedoch auch für die Vorhaben anderer Weltraumbehörden wertvoll. So bereitet die chinesische Raumfahrtbehörde derzeit eine eigene Probenrückholmission zum Mars vor, die das ersehnte Material bereits 2030 zur Erde bringen soll.














