Turbo-Plattform für die Pflanzenforschung

Forschende ermöglichen die schnellere Entwicklung robuster Nutzpflanzen

Auf den Punkt gebracht

  • Robustere Pflanzen: Extreme Wetterereignisse nehmen zu, landwirtschaftliche Erträge sinken. Die Landwirtschaft braucht effizientere und robustere Kulturpflanzen, die weniger Pestizide und Dünger benötigen.
  • Effizientere Fotosynthese: Die Synthetische Biologie bietet Lösungsansätze, um die Effizienz der Fotosynthese zu steigern, die Widerstandsfähigkeit gegen Stress zu erhöhen und wertvolle Inhaltsstoffe zu produzieren.
  • Test-Plattform: Solche Fähigkeiten in komplexen Nutzpflanzen zu etablieren, dauerte bislang viele Jahre, da es an standardisierten, hochdurchsatzfähigen Methoden fehlte. Forschende ist es nun gelungen, diese Lücke zu schließen: Sie entwickelten mit der Mikroalge Chlamydomonas reinhardtii eine Plattform, um genetische Veränderungen im Chloroplasten systematisch und schnell zu testen und Ressourcen zu sparen.

Chloroplasten, die "Licht-Kraftwerke" der Pflanzenzelle, stehen zunehmend im Fokus der synthetischen Biologie. In diesen Organellen befindet sich der Apparat der Fotosynthese – und sie sind Schauplatz mehrerer Stoffwechselprozesse, die für die Entwicklung neuer Eigenschaften von großem Interesse sind. Der Einbau von Genen verläuft präzise und das Risiko einer unkontrollierten Ausbreitung der Gene ist geringer.

Trotz dieses Potenzials steckt die Biotechnologie an Chloroplasten noch in den Kinderschuhen, da es bislang an standardisierten, skalierbaren Methoden fehlt, um vielfältige genetische Bausteine schnell zu testen. Ein Team des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie in Marburg hat eine Mikroalgen-Plattform vorgestellt, mit der sich genetische Veränderungen in Chloroplasten automatisiert, schnell und in großem Maßstab erproben lassen.

Automatisierter Hochdurchsatz am Chloroplasten

In der Mikrobiologie ist eine Optimierung durch wiederholte, schnelle Zyklen (Hochdurchsatz) Standard. Die neue Plattform erschließt erstmals pflanzliche Chloroplasten für Hochdurchsatz-Anwendungen. Das Team nutzt dazu die Mikroalge Chlamydomonas reinhardtii. Es gelang den Forschenden, über 140 genregulatorische DNA-Bausteine der Alge in einem breiten Bereich an Expressionsstärke zu charakterisieren – eine wichtige Voraussetzung, um genetische Schaltkreise fein miteinander abzustimmen.

René Inckemann, der die Arbeit in der Arbeitsgruppe von Tobias Erb durchführte, erklärt: „Mit unserer neuen Methode lassen sich künftig mehrere Gene stabil im Chloroplasten kombinieren und ihre Aktivität vorhersehbar abstimmen. Dies ist ein entscheidender Schritt, um zu erkennen, welche Veränderungen Potenzial haben könnten. Indem nur die erfolgversprechendsten Varianten in komplexere Pflanzenmodelle überführt werden, beschleunigt sich die Entwicklungskette von der Idee bis zum Feldversuch, wodurch auch Ressourcen gespart werden.“

Alle Elemente sind mit den gängigen biotechnologischen Standards kompatibel, sodass die DNA-Bibliothek einfach in anderen Laboren eingesetzt werden kann. Der Pflanzenforscher Felix Willmund am benachbarten Zentrum für Synthetische Mikrobiologie validierte die Technologie und verwendet sie bereits für die Entwicklung robuster Chloroplasten. Dazu haben die Forschenden einen Workflow etabliert, mit dem sich Tausende sogenannte transplastomische Algenlinien, also Organismen mit verändertem Chloroplasten-Genom, parallel erzeugen und messen lassen.

Vom Chloroplasten zur Kulturpflanze

Zu Demonstrationszwecken baute das Team in die Chloroplasten der Alge einen synthetischen Stoffwechselweg ein. Dieser erlaubte es der Alge, unter Stressbedingungen vermehrt CO₂ aufzunehmen. Die „Turbo-Alge“ bildete dabei fast doppelt so viel Biomasse. Dies zeigt, wie gezielte Eingriffe in die Stoffwechselwege von Chloroplasten deren Produktivität steigern können.

Die neue Bibliothek ist eine wichtige Grundlage zur Verbesserung der pflanzlichen Resilienz gegen Hitze, Trockenheit oder zu starke Lichtintensität, der Nährstoffprofile oder des Ertrags. Darüber hinaus kann sie als Plattform für neue Kohlenstoff-Fixierungswege oder die Herstellung hochwertiger Naturstoffe (zum Beispiel Arzneistoff-Vorstufen) genutzt werden. „Die jetzt vorgestellte Plattform wird eine zentrale Rolle sowohl in dem Forschungsverbund „Robuste Chloroplasten“, als auch dem Exzellenzcluster ,Microbes-4-Climate‘ spielen, in dem wir gemeinsam mit der Universität Marburg neue biologisch basierte Ansätze gegen den Klimawandel erschließen wollen“, sagt Tobias Erb. „Solche Schlüsseltechnologien sind wichtig, um gezielt forschen zu können – in einem Tempo, das der Dringlichkeit der Aufgabe im Angesicht des Klimawandels gerecht wird.“

 

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