Leben im Zoo fördert Neugier

Orang-Utans in Zoos erkunden ihre Umwelt intensiver als ihre wilden Artgenossen

30. April 2025

Auf den Punkt gebracht

  • Neugieriger: Orang-Utans in Zoos erkunden Objekte häufiger und vielfältiger als in freier Wildbahn, unter anderem mit häufigerem Einsatz von Werkzeugen und auch mehrere Objekte gleichzeitig.
  • Jung vs alt: Während Orang-Utans in beiden Umgebungen im gleichen Alter mit den verschiedenen Erkundungsarten begannen, erkundeten Zootiere Objekte auch im Erwachsenenalter noch häufig, im Gegensatz zu wilden Orang-Utans, deren Erkundungslust wahrscheinlich aus Überlebensgründen nachließ.
  • Einfluss der Umwelt: Die Umwelt beeinflusst nicht nur die menschliche Entwicklung, sondern auch das Verhalten und die Kognition unserer nächsten Verwandten maßgeblich.

Eine neue Studie, die wilde und in Zoos gehaltene Sumatra-Orang-Utans vergleicht, zeigt, dass das Leben im Zoo das Verhalten von Orang-Utans gegenüber ihrer Umwelt erheblich verändert. Die Forschenden haben bei 51 Orang-Utans im Alter von 0.5 bis 76 Jahren über 12.000 Fälle aktiver Manipulation und visueller Untersuchung von Objekten analysiert. Am Forschungsstandort Suaq Balimbing in Indonesien wurden Daten von 33 wilden Tieren im Alter zwischen sechs Monaten und 76 Jahren sowie in vier Zoos in Deutschland und der Schweiz von 24 Tieren im Alter zwischen sieben Monaten und 49 Jahren erhoben.

Die Ergebnisse zeigen, dass Orang-Utans im Zoo häufiger, vielfältiger und komplexer erkunden als ihre wilden Artgenossen. „Unsere Studie zeigt, dass Orang-Utans im Zoo nicht nur mehr erkunden, sondern dies auch auf andere Weise tun“, sagt Isabelle Laumer, Erstautorin der Studie. „Besonders faszinierend ist, dass  Orang-Utans in Gefangenschaft selbst bei der Erkundung gleicher Objekte ein breiteres Repertoire an Verhaltensweisen zeigen und häufiger Werkzeuge nutzen oder mehrere Objekte gleichzeitig manipulieren.“ Wie lange die Tiere Objekte erkunden, unterscheidet sich dagegen nicht zwischen wilden Orang-Utans und ihren Artgenossen im Zoo.

Natürlich vorkommende Objekte

Wilde und im Zoo gehaltene Orang-Utans beim Erkunden von Objekten

https://www.youtube.com/watch?v=x7-e5W8MZfc

Wilde Orang-Utans erkundeten hauptsächlich natürlich vorkommende Objekte wie Pflanzen, Rinde und Stöcke, während sich in Zoos gehaltene Orang-Utans mit einer größeren Vielfalt an Beschäftigungsgegenständen wie Plastikspielzeug, Puzzles und stapelbaren Objekten beschäftigten, die Manipulation und kognitives Engagement fördern sollen. Bemerkenswert ist, dass das Alter, in dem die Orang-Utans erstmals bestimmte Arten von Erkundungsverhalten zeigen, in beiden Umgebungen übereinstimmt. Dies deutet auf eine grundlegende entwicklungsbedingte Abfolge hin. Allerdings setzten Orang-Utans im Zoo ihre Erkundungen bis ins Erwachsenenalter fort, während wilde Tiere etwa zum Zeitpunkt des Abstillens stark nachlassen. Wahrscheinlich lassen die Nahrungssuche und ständige Wachsamkeit in freier Wildbahn wenig Zeit für Erkundung.

Bei menschlichen Säuglingen ermöglicht Objekt-Erkundung das Lernen über physikalische Eigenschaften wie Textur und Gewicht und fördert die kognitive und motorische Entwicklung – ein Muster, das auch bei vielen nicht-menschlichen Tieren beobachtet wird. Die verstärkte Erkundung im Zoo könnte die kognitive Flexibilität und Problemlösungsfähigkeiten von Orang-Utans fördern, da sie mit unterschiedlichen Beschäftigungsmöglichkeiten interagieren und mehr Zeit und Energie für das Lernen durch Erkundung zur Verfügung haben. „Diese Ergebnisse unterstreichen, wie stark die Umwelt das Verhalten und die kognitive Entwicklung von Tieren beeinflusst“, sagt Caroline Schuppli, Seniorautorin der Studie. „Zugleich eröffnen sie einzigartige Chancen – durch den Vergleich von wilden und in Gefangeschaft gehaltenen Tieren können wir das volle kognitive Potenzial einer Art besser verstehen.“

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